Geschlechtskrankheiten – ein blinder Fleck in der Aufklärung?

21. Juni 2023

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„Spitz auf Doggy?“, „Scharf auf Scissoring?“ – „Ja.SAFE!“. Die Informationskampagne des Gesundheitsministeriums ist zurzeit in aller Munde. Nicht aber, weil eine Aufklärungsaktion endlich einmal die Themen Geschlechtskrankheiten und Konsens aufgreift, sondern weil die FPÖ sich massiv daran stört. So sehr, dass die Partei vergangenes Wochenende sogar Anzeige gegen Gesundheitsminister Rauch erstattet hat. Der Aufschrei rund um das Thema Safer Sex sollte in unserer Gesellschaft allerdings ganz wo anders liegen.

„Werde ja nicht schwanger!“

„Einmal nicht aufzupassen, ist einmal zu viel, Kind!“ Mit diesem Warnhinweis meiner Mutter, der ausschließlich auf ungewollte Schwangerschaften bezogen war, wurde ich in meine erste Beziehung mit einem Mann entlassen. Er fasst das Aufklärungsgespräch, das ich von zu Hause bekommen habe, lückenlos zusammen. Und obwohl meine Mama hier einen guten Punkt gebracht hat, bestimmte er lange Zeit meinen einzigen Fokus, wenn es um Verhütung ging. Rückblickend erkenne ich einen großen blinden Fleck, sowohl bei mir, als auch in meinem Umfeld: das Bewusstsein für sexuell übertragbare Krankheiten. Auch die Schule konnte mein fehlendes Wissen in dem Bereich nicht kompensieren. Und das, obwohl es seit den 1970ern in Österreich einen Grundsatzerlass gibt, der sexuelle Bildung als unterrichtsübergreifendes Prinzip festlegt.

Für die klinische Sexologin Magdalena Heinzl sind meine Erzählungen nicht überraschend. Bei unserem Gespräch erklärt sie mir, dass es, trotz des Grundsatzerlasses, oftmals vom Engagement der Lehrpersonen abhänge, wie das Thema sexuelle Bildung in den Unterricht integriert werde. Gleichzeitig gäbe es aber kein verpflichtendes Fach Sexualpädagogik in der Ausbildung für Lehrkräfte. Die Kampagne des Gesundheitsministeriums sieht die Sexualtherapeutin durchwegs positiv. Es brauche mehr Verantwortungsübernahme beim Thema sexuelle Gesundheit - einerseits von Einzelpersonen, die sich regelmäßig testen lassen, andererseits muss auch auf institutioneller Ebene der Zugang zu gesundheitlichen Check-ups erleichtert werden. Heinzl findet es außerdem wichtig, dass mit Solgans wie „Scharf auf Scissoring?“ auch queere Jugendliche angesprochen werden, da viele unter ihnen, mit dem Wegfall der Schwangerschaftsverhütung, gar nicht an das Thema denken würden. Im Aufklärungsunterricht an Schulen würde zudem nach wie vor die heterosexuelle Perspektive dominieren.

„Bock auf Rimming“ oder doch lieber „Blümchensex“?

Zu lesen sind die Slogans der Kampagne auf Postkarten, Bierdeckeln und Plakaten, die in Clubs und Bars aufliegen. Die Fragen „Heiß auf Blümchensex?“, „Bock auf Rimming?“ oder „Spitz auf Doggy?“ werden darauf stets mit „Ja. SAFE!“ beantwortet. Auf der Webseite des Gesundheitsministeriums wurde zudem eine Seite eingerichtet, die über sexuell übertragbare Krankheiten und Infektionen aufklärt und unter dem Motto „Nein heißt nein, Ja heißt Ja. SAFE!“ sowohl Konsens, als auch sexuelle Gesundheit in den Mittelpunkt stellt. Die FPÖ sieht darin nun einen Verstoß gegen §2 des Pornographiegesetzes, denn der Informationsgehalt der Kampagne über den Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten sei zu gering. „Vielmehr scheint die 'Enttabuisierung' wenig bekannter Sexualpraktiken bzw. das Bewerben dieser Praktiken im Vordergrund zu stehen“, so FPÖ-Familiensprecherin Rosa Ecker, die sich gleichzeitig um Kinder sorgt, die die Kampagne durcheinander bringen könnte.  

Wieder einmal also schiebt eine rechte Partei den Kinderschutz vor, um Politiken für progressive Sexualität oder queere Themen im Allgemeinen zu verunglimpfen – dass die Anzeige unmittelbar vor der Regenbogenparade, vergangen Samstag, erstattet wurde, ist in diesem Zusammenhang mindestens auffällig. Die FPÖ hat sich durch ihre Reaktion auf die Kampagne nicht nur den Spott aus dem Internet zugezogen, sondern auch eine verhöhnend gelassene Reaktion des Gesundheitsministers. Er bedankte sich bei einer Pressekonferenz für den Gewinn an Aufmerksamkeit, die die Safer-Sex-Kampagne dadurch verzeichnen durfte. Noch dazu scheint die Argumentation der FPÖ vor der Expertise Heinzls nicht Stand zu halten.

Aufgeklärt sein bedeutet sicher sein

Laut Heinzl sei es nicht das Problem, dass Kinder mit den Inhalten der Kampagne konfrontiert werden könnten, die übrigens gänzlich auf die Darstellung von Erotik und Pornografie verzichtet, sondern, dass Kinder oft keine erwachsenen Bezugspersonen hätten, die bereit sind, potentielle Fragen dazu zu beantworten. Eltern würden die Thematik gerne der Schule überlassen und die Schule geht umgekehrt davon aus, dass Aufklärungsarbeit zu Hause passiert. Am Ende laufe es laut Heinzl immer wieder darauf hinaus, dass es eine flächendeckende Finanzierung sexueller Bildung in Österreich brauche, nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Erwachsene. Denn viele Erwachsene hätten selbst Wissenslücken und Eltern stünden oft vor der Frage, wie sie das Thema Sexualität kindgerecht vermitteln können. In diesem Zusammenhang gäbe es zahlreiche Studien, so Heinzl, die belegen, dass aufgeklärte Kinder weniger Risiken ausgesetzt sind - sowohl was sexuelle und sexualisierte Gewalt betrifft als auch, im späteren Leben, Schwangerschaftsverhütung und Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten. Diskurse über Sexualität aus der Öffentlichkeit zu verbannen, scheint also nie zielführend zu sein - für kein Mitglied unserer Gesellschaft. 

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