Gleis 9: Zug aus Budapest

01. September 2015

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Flüchtlinge
Foto: Khalil Tarek

Laufend kommen seit gestern Abend Flüchtlinge über Ungarn am Wiener Westbahnhof an. Dabei ist Wien nicht des Endziel, die Hauptsache: Weg aus Ungarn! Von Schlägen ungarischer Beamter und unmenschlichen Bedingungen, berichten viele.

Dehydriert und ausgelaugt schleppen sich junge Männer, so wie Frauen mit Säuglingen und kleinen Kindern zu den Ständen der Caritas und der freiwilligen Helfer am Westbahnhof. Dort finden sie Menschen mit Willkommensschildern, die ihnen Getränke und zu Essen geben. Für die Kinder gibt es auch Spielsachen und Süßigkeiten. Mit rührendem Mitgefühl kümmern sich die Freiwilligen um die ankommenden Syrer.

Flüchtlinge
Foto: Khalil Tarek

 

 

 

Zwischen dem provisorischen Lebensmittellager der Caritas und dem Bahnsteig hat sich eine Mutter mit ihren drei Kindern erschöpft niedergelassen. Salab, das kleine quirlige Mädchen, erzählt von ihrem Papa in Deutschland und, dass sie ihn nach einem Jahr in der Türkei und der langen Reise durch Europa nun endlich wiedersehen wird. Ihr Bruder Ahmad freut sich indes über das Spielzeug und vertreibt sich damit die Zeit bis zu ihrer Weiterreise nach München. Die Mutter der Kinder, Bardees Rasheed, sitzt auf einem kleinen Hocker und wirkt fast ein bisschen erleichtert. Wahrscheinlich weil sie weiß, dass ihre beschwerliche Reise nach Deutschland hoffentlich bald zu Ende geht. Nach ihrem letzten Stopp in Budapest wollte sie schon fast verzweifeln. Im Zug nach Ungarn hielt das Zugpersonal sie fest und behauptete sie hätten keine gültigen Fahrscheine. Sie hätten €140 für die Tickets bezahlt, beschwört Bardees. Daraufhin wurde die Frau zusammen mit ihrer diabeteskranken Mutter und ihren drei kleinen Kindern über Nacht in ein ungarisches Gefängnis gesperrt. Sie seien von der Polizei geschlagen und gedemütigt worden, erzählt Bardees. Ihre beiden jüngeren Kinder erlitten einen Hitzeschlag. Mit ihrem Handyvideo und dem Mitschnitt der Misshandlung überzeugt sie uns von der Brutalität der ungarischen Beamten.

In der brütenden Hitze harren viele Syrer aus, aber auch viele syrische Helfer. Sie selbst sind geflohen oder wissen um das Leid dieser Menschen auf der Flucht. Unermüdlich geleiten sie die syrischen Passagiere jedes Zuges aus Budapest zu den aufgebauten Ständen. Viele von ihnen haben auf dem Westbahnhof übernachtet. Auf Arabisch begrüßen sie die Ankömmlinge und versorgen sie sofort mit Wasser und den wichtigsten Informationen. Ein paar wenige Polizeibeamten beobachten das Treiben am Rande und fragen lediglich vereinzelt nach, ob sich jemand die Fingerabdrücke abnehmen lassen möchte. Doch die meisten wollen nicht in Österreich bleiben. Sie erzählen uns von ihrem Traumland Schweden und neuerdings auch Deutschland.

Flüchtlinge
Foto: Khalil Tarek

 

 

 

Bardees wurden in Ungarn die Fingerabdrücke abgenommen und registriert, auch deshalb will sie ganz schnell nach Deutschland. Nachdem vorläufigen Quasi-Aussetzen des Dublin-Verfahren für syrische Flüchtlinge in Deutschland, braucht sie nicht mehr befürchten wieder nach Ungarn zurückgeschickt zu werden. Nach einer kleinen Stärkung geht es für die Familie in den nächsten Zug nach München. Der Papa der kleinen Salab erwartet seine Liebsten schon in Deutschland.

Eine Fotostrecke folgt in Kürze.

 

 

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