Ich bin Lase und mein Volk stirbt aus

27. Oktober 2015

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Pixabay.com CC0 Public Domain

Derzeit gibt es um die 193 Länder auf der Welt. Gemäß dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig werden 6500 bis 7000 Sprachen gesprochen. Doch Sprachen sterben aus. Ganze Völker geraten in Vergessenheit.

 

Dem Atlas der gefährdeten Sprachen der UNESCO zufolge gehört Lasisch zu einer der bedrohten Sprachen auf der Welt. Eine bedrohte Sprache ist gefährdet innerhalb weniger Generationen nicht mehr zu existieren. Ich selber kann kein Lasisch und meine Eltern können auch nur einige Wörter. Meine Großeltern konnten aber Lasisch reden. Lasisch wird hauptsächlich an der türkischen Schwarzmeerküste und im Westen Georgiens gesprochen. Es wird geschätzt, dass ca. eine Viertel Millionen Lasen auf der Welt leben. Meine Großeltern kamen aus Trabzon, das liegt im Nordosten der Türkei. Sie haben Lasisch an ihre Kinder nicht weitergegeben und heute kann niemand mehr in meiner Familie Lasisch. Sehr schade. Denn Sprachen sind ein Ausdruck von Identität. Eine Identität führt zu Sicherheit und zu einem Zugehörigkeitsgefühl. In Sprachen ist Geschichte gespeichert. Sprache ist Kern von Bildung und Kultur. Außerdem bringt die Kenntnis einer zusätzlichen Sprache viele Vorteile mit sich.

 

 

Einige lasische Sachen habe ich aber noch lernen können. Beispielsweise wie man Kuymak macht. Kuymak ist ein traditionell lasisches Essen. Dafür benötigt man Maismehl und Käse. Meine Eltern haben das in meiner Kindheit fast jeden Morgen gemacht. Dann habe ich gelernt, wie man zu Kemence tanzt. Kemence ist ein traditionelles lasisches Instrument. Es sieht aus wie eine schlanke bootsförmige Laute. Wenn wir in Trabzon waren, hat meine Mutter ihr traditionelles Gewand rausgeholt. In Trabzon lief sie nur damit rum. Pestemal und Kesan - so hieß das.

Diese Erfahrungen haben mich und meine Identität geprägt. Für mich waren sie eine Bereicherung. Wenn ich daran denke, was für weitere lasische Bereicherungen ich hätte haben können, werde ich etwas sauer auf meine Großeltern. Nichtsdestotrotz werde ich in Zukunft versuchen mein vorhandenes Wissen weiterzugeben. Das sollte jeder machen. Gebt eure Sprache und Identität an eure Kinder weiter.  

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