Ich bleib zu Hause – basta!

09. August 2021

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Periode Schmerzen Menstruationsbeschwerden
Photo by Anthony Tran on Unsplash.

Es ist Anfang August und ich warte auf meine Periode. Kein Grund zur Panik, meine Monatsblutung verschiebt sich ab und zu. Außerdem habe ich im Internet gelesen, dass die Corona-Impfung, die ich vor knapp einer Woche erhalten habe, zu einer Verspätung der Menstruation führen kann. Also alles im grünen Bereich, eigentlich.

Nur eine Sache bereitet mir Sorgen: Im Internet habe ich nämlich auch gelesen, dass viele Frauen nach der Impfung stärkere Regelblutungen mit heftigeren Schmerzen erleben als normalerweise. Ich überlege laut: „Also, wenn meine Regelschmerzen jetzt wegen der Corona-Impfung noch stärker ausfallen als sonst, dann bleib ich zu Hause. Dann geh‘ ich nicht zur Arbeit.“, sage ich mehr zu mir selbst als zu meinem Freund, der vor mir auf der Couch sitzt. Wir nicken – er, um mir seine Zustimmung zu vermitteln, ich, um nicht sofort ins Zweifeln über meine eben getätigte Aussage zu geraten. Doch da kommen sie schon anmarschiert, die Schuldgefühle, die immer dieselbe Frage stellen: Sind Regelschmerzen wirklich Grund genug, um einfach mal zu Hause zu bleiben?

Menstruationsbeschwerden bleiben ein Tabuthema

Ein Dilemma, das mich seit Jahren– nein, seit einem Jahrzehnt – begleitet. Und mit diesem Dilemma bin ich nicht allein: Es leidet nämlich jede dritte Frau unter starken Regelschmerzen. Diese Schmerzen haben nicht nur Auswirkungen auf das Wohlbefinden, sondern auch auf die Produktivität. Im Schnitt sind es neun Tage im Jahr, an denen Frauen auf Grund von Menstruationsbeschwerden nur eingeschränkt leistungsfähig sind. Das zeigen niederländische Forscher*innen im Jahr 2019. Für ihre Studie haben sie rund 33.000 Frauen im Alter zwischen 15 und 45 Jahren zu ihrem Zyklus und ihren Regelschmerzen befragt. Die Forschenden wollten außerdem wissen, wie oft sich die Befragten wegen ihrer Periode krankgemeldet hatten.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass fast ein Drittel der Befragten bereits unter so starken Menstruationsschmerzen litt, dass sie ärztlichen Rat hinzuziehen mussten. Außerdem gaben mehr als 80 Prozent der Frauen an, dass die Regelschmerzen zu stärkerer Abgelenktheit und Unkonzentriertheit führen. Sich deshalb krankschreiben zu lassen, kam jedoch nur für 14 Prozent der Probandinnen in Frage. Die geringen Krankmeldungen lassen die Forscher*innen zu dem Schluss kommen: Menstruationsbeschwerden sind noch immer ein Tabuthema.

Die Wahrheit ist kein Kündigungsgrund

Wahrscheinlich haben auch deshalb nur 5 Prozent der Frauen, die sich wegen ihrer Periode krankschreiben haben lassen, den wahren Grund für ihr Fernbleiben angegeben. Dabei ist es ganz egal, was auf der Krankschreibung steht. Ob man wegen eines Schnupfens oder wegen Regelschmerzen zu Hause bleibt, geht den Arbeitgebenden im Grunde nichts an. Außerdem ist eine Krankschreibung ohnehin kein Grund zur Kündigung – auch dann nicht, wenn man angibt, wegen der Periode zu Hause zu bleiben.

Wenn ich mir den Kopf darüber zerbreche, ob ich wegen meiner Menstruationsbeschwerden nicht zur Arbeit gehe und wie ich das meiner Chefin mitteile, mache ich mir jedoch keine Sorgen wegen einer Kündigung. Ich mache mir Sorgen darüber, was das mit meinem Image macht. Ich will nicht als Mimose gesehen werden oder als eine schwächere Arbeitskraft. Aber meine Schmerzen sind legitim. Sie sind real und sie sind nichts, das ich ignorieren oder verbergen muss. Sie sind Grund genug, um zu Hause zu bleiben. Punkt. Und es ist mein gutes Recht, das zu kommunizieren.

Es ist absurd, wie viel Zeit ich damit verschwendet habe, nach irgendwelchen Maßstäben zu suchen, die angeben, wie stark genau meine Schmerzen sein müssen, damit ich mich schonen darf - und das, während ich mit Unterleibskrämpfen im Bett gelegen bin und meine Beine nicht gespürt habe. Ich schüttle den Kopf über mich selbst. „Was ist?“, fragt mein Freund, der noch immer auf der Couch sitzt. „Ich mach das wirklich“, sage ich. „Ich bleib zu Hause. Basta!“ Und diesmal meine ich es auch.

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