"Mein Verstand ist amerikanisch, aber meine Seele ist ukrainisch"

23. November 2022

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Zachary Nelson trägt das ukrainische Trachtenhemd „Vyshyvanka“. Foto: privat

Wie die Jugendjahre des Amerikaners in der Ukraine ein tiefes Verbundenheitsgefühl mit dem Land in sein Herz gebracht haben. Das ist die Geschichte meines ehemaligen Kollegen Zachary Nelson.

Als ich 2016 meinen ersten Job als Synchronsprecherin beim ukrainischen Fernsehsender "UATV'' bekam, war das für mich nicht nur eine Gelegenheit, meine Leidenschaft zu entdecken, sondern auch Menschen aus verschiedenen Ländern der Welt kennenzulernen.

Einer meiner unvergesslichen Kollegen war Zachary Nelson. Der 28-jährige Amerikaner, der in den USA geboren und aufgewachsen ist, hat einen Bachelor- und Masterabschluss in Russisch. Er lebte vier Jahre lang in Russland und dann vier Jahre in der Ukraine, bevor er nach Amerika zurückkehrte. Mittlerweile lebt er in Cleveland, Ohio, passenderweise in einem Viertel namens "Ukrainian Village". 

Er arbeitet als Programmdirektor für eine gemeinnützige Organisation, die Menschen aus verschiedenen Ländern wie Syrien und der Ukraine hilft, sich in den USA einzufügen und ein neues Leben zu beginnen.

Zac wusste so gut wie nichts über die Ukraine, bevor er sie besuchte. Obwohl seine Familie mehrere ukrainische Studenten in den USA beherbergte, war die Ukraine für ihn lange Zeit ein Rätsel.

Der Umgang mit der Propaganda

Im Jahr 2010 zog Zac nach Russland, um an einer Sprachuniversität Russisch zu studieren. Als 2014 die Maidan-Revolution stattfand, redeten ihm seine russischen Professoren Dinge ein, wie: "Die Ukraine ist ein falsches Land", "die ukrainische Sprache existiert nicht, sie ist ein Dialekt der russischen Sprache".

Ihm zufolge ist die Mentalität in Russland insgesamt antiamerikanisch, seine Professoren schrien ihn in den Vorlesungen vor den Studenten an, sie sagten: "Russland hat Schulen und Straßen in Afghanistan gebaut und Amerika hat sie bombardiert", "Amerika hat für die Revolution in der Ukraine bezahlt, warum tut ihr das?", was ihm auf die Dauer zu schaffen machte.

Eine Liebesgeschichte beginnt

Im Sommer 2015 lud ein Freund Zachary zu einer Hochzeit in Iwano-Frankiwsk in der Westukraine ein. Während dieser Reise besuchte er zwei Tage lang Kiew und verliebte sich sofort in die Stadt und sagte: "Das ist der coolste Ort der Welt".

Im Jahr 2016 zog Zac nach Kiew und verbrachte dort seine Jugendjahre, was einen großen Einfluss auf sein Zugehörigkeitsgefühl hatte und dazu führte, dass er die ukrainische, slawische, Seele viel tiefer spürte als die amerikanische. "Ich bin weder vom Blut noch von der Kultur her Ukrainer, aber in der Ukraine habe ich meinen ersten Job bekommen, meine erste Wohnung, habe mich zum ersten Mal verliebt… deshalb verstehe ich die Ukrainer so gut und verstehe die Witze. Ich fühle mich auch anders als die Amerikaner, weil meine Freunde manchmal zu mir sagen, dass ich seltsam sei.“ Zacharys ganzes Leben ist sehr mit der Ukraine verbunden. „Ich fühle mich ukrainisch, obwohl ich es nicht bin, und es ist seltsam für einen Amerikaner, das zu sagen. Ich habe mich sehr gut in die ukrainische Gesellschaft integriert, weil ich so gut Russisch sprechen konnte. Und ich fühlte mich dort wie zu Hause. Ich finde, ich denke über ukrainische Themen nach, aber eben auf amerikanische Art."

Die ukrainische Sprache findet statt

Als im Jahr 2020 die Covid-19-Pandemie ausbrach, musste Zac die Ukraine innerhalb von 48 Stunden mit einem Evakuierungsflugzeug verlassen und in sein Heimatland zurückkehren.

Während des Lockdowns wurde ihm klar, dass er vier Jahre in der Ukraine gelebt und kein Ukrainisch gelernt hatte. Er war wütend und konnte nicht glauben, dass er die Sprache nie gelernt hatte, obwohl er jede Gelegenheit dazu hatte. 

Als ich ihn nach seiner größten Motivation fragte, Ukrainisch zu lernen, antwortete er: "Ich kenne viel von der Kiewer Kultur, ich war in Saporischschja und jedes Mal, wenn ich in der Westukraine war, wie in Iwano-Frankiwsk oder Lemberg, wo nur Ukrainisch gesprochen wird, war es mir immer irgendwie peinlich, weil ich mich nicht verständigen konnte, und ich sagte mir, dass ich durch die Sprache etwas über die ganze Ukraine lernen sollte. Denn wenn ich eines Tages zurückkehre und in ein Museum oder eine Oper gehe, kann ich noch mehr über die ukrainische Kultur lernen.

Zac begann, auf Youtube und in den sozialen Medien nach ukrainischsprachigen Inhalten zu suchen, und er stellte fest, dass es nicht viel davon gab. Dann rief ihn ein ukrainischer Youtuber an und sagte: "Lass uns ein paar Videos machen". In diesen Videos sprach er zum ersten Mal Ukrainisch. "Wenn ich schon nicht viele ukrainische Inhalte in den sozialen Medien sehe, dann muss ich sie selber machen", so Zac. Seiner Meinung nach war dies ein sehr effizienter Weg, um die Sprache schnell zu lernen. In diesem Video erklärt er seine Liebe zur Ukraine:

 

Jetzt spricht Zac zu Hause nur noch Ukrainisch, da sein Freund aus Lviv stammt und die meisten seiner Freunde ebenfalls Ukrainer sind. Er arbeitet auch mit Ukrainern zusammen, daher ist es für ihn auch eine Geschäftssprache.

Die Ukraine ist immer noch ein Ziel

Zachary ist der Meinung, dass es so schwer ist, einen Plan für die Zukunft zu haben, aber er würde gerne eines Tages in die Ukraine zurückkehren und beim Wiederaufbau der Ukraine helfen, wo immer er kann. Er würde dort gerne eine Wohnung kaufen, und wenn er Kinder hat - wenn er nicht in der Ukraine lebt - wird er mit ihnen jeden Sommer dorthin fahren.

Im Moment spendet er für die Ukraine, und seine derzeitige Arbeit besteht darin Ukrainern zu helfen, in seiner Stadt anzukommen und eine Arbeit zu finden.

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Zacs Updates findet ihr auch auf seinem Instagram-Kanal.

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