Politische Unbildung

05. Oktober 2015

Unter der Headline „FPÖ für saubere Wahlen“ veröffentlichte die Partei kürzlich eine Anzeige zum Thema „Stopp den Wahlbetrug“, in der sie 5000 Euro Belohnung für jeden bietet, der ihnen „Informationen sowie Belege bezüglich Wahl-Manipulationen [...] zukommen lässt und die dazu führen, dass etwaige bei der FPÖ gemeldete Tatverdächtige rechtskräftig verurteilt werden“. Unter dem dazugehörigen Facebook-Post finden sich einige Kommentare, nach deren Lektüre ich mir einfach die Frage stellen musste: Was ist hier falsch gelaufen und warum sind so viele Menschen so unwissend?

 

„Darum sollte sich in jeder Gemeinde und jedem Bezirk mindestens ein Freiheitlicher finden und sich als Wahlzeuge in ein Wahllokal setzen.“ - Bei diesem Kommentar musste ich einfach nur meinen Kopf schütteln. Wer über grundlegende Kenntnisse zu den Institutionen und Abläufen einer Demokratie und demokratischen Wahlen verfügt, weiß, dass es bei Wahlen in jeder Wahlbehörde Wahlbeisitzer gibt, die nach den im Gemeinderat bzw. Nationalrat vertretenen Parteien verhältnismäßig anwesend sind. Freiheitliche sind da übrigens auch dabei. Wie kann es also sein, dass solche Kommentare – und davon gibt es nicht nur einen – immer wieder auftauchen?
 

Unser Bildungssystem hat versagt

Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Bildungssystem. Es gibt im österreichischen Schulsystem kein verpflichtendes Fach der politischen Bildung. Politische Bildung ist ein kleines Anhängsel des Geschichtsunterrichtes, was natürlich zu einem gewissen Grad Sinn macht, weil die Geschichte nicht von der Politik zu trennen ist, aber es sollte ein eigenständiges Fach sein, das den Schülern und Schülerinnen die Grundbegriffe und Strukturen des politischen Systems vermittelt. Wählen darf man schließlich schon ab 16 Jahren.

 

Bitte nicht mit Bleistift schreiben


Ein weiterer Kommentar unter dem Strache-Post, der mich ziemlich erstaunt hat, lautete: „Ich finde schlimm, dass bei der Wahl immer nur Bleistifte aufliegen!“. Diese Aussage hat im Übrigen bereits 140 Likes. Wer schon jemals wählen war oder auch nur einen Sachunterrichtstest schreiben musste, weiß, dass das unmöglich der Wahrheit entsprechen kann. Wie kann es überhaupt sein, dass so viele Menschen solche Aussagen glauben?

 

Fürs Leben lernen


In der Schule werden den SchülerInnen leider oft zu wenig Möglichkeiten geboten, um sich selbst Meinungen zu bilden und eigenständig zu denken. Denn ein großer Teil des Schulalltags besteht daraus, Informationen zu speichern und rechtzeitig zum Test oder zur Schularbeit abzurufen. Bildung bedeutet jedoch nicht, einfach nur über Informationen zu verfügen, sondern diese auch zu verstehen, zu hinterfragen und mit anderem Wissen verknüpfen zu können.

Im Laufe ihrer Schullaufbahn sollten junge Menschen lernen, sich ihre Standpunkte zu erarbeiten, Meinungen durch selbstständiges Denken zu generieren und Tatsachen abzuwägen, um Dinge zu verstehen und eigenständig beurteilen zu können. Im Rahmen eines politischen Bildungsunterrichtes sollen sie begreifen, was Demokratie bedeutet und sich dadurch selbst ermächtigen. Denn nur wer versteht, wie die österreichische Demokratie funktioniert, kann sich auch wirklich damit auseinandersetzen und minimiert das Risiko, hetzerischer Polemik zu verfallen.

Wenn politische Bildung ein Unterrichtsfach ist, bleibt auch mehr Raum für den Geschichtsunterricht. Dieser ist wichtig, um aus Vergangenem zu lernen und zu verstehen, dass alles dafür getan werden muss, um das Schlechte aus der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Ausgrenzung von Menschen und Misstrauen in alle, die nicht der eigenen Gesinnung angehören, hatten wir schon einmal. Und es ist nicht gut ausgegangen.

 

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