Tutti kompletti, Leben perfekti

25. April 2017

Partneroutfits sind von gestern. Dank der neuen Aktion von Kronehit sind Partnerbrüste für Mutter und Tochter in! Ich erkläre euch, wieso das Angebot den Shitstorm nicht verdient hat.

Schon am 14. Mai haben wir dieses Jahr unseren Muttertag. Obwohl ich wenig von einem einzigen Tag halte, an dem man seiner Mutter plötzlich sagt, wie toll sie ist, anstatt ihr es ihr immer wieder zu zeigen, wollte ich trotzdem mal etwas Besonderes machen. Der Radiosender Kronehit, bei dem es täglich dieselben sechs Hits nach einander spielt, hat mir die schwere Entscheidung abgenommen: Zum Muttertag verschenkt die Redaktion Brustoperationen an Frauen und ihre Mütter. Die Kosten für die OP werden erstattet, die Teilnehmerinnen stellen sich für Aufnahme, Studiobesuche und einen PR-Termin zur Verfügung. Die ganze Aktion hat auch noch den wohldurchdachten und geistreichen Titel „Tutti Kompletti“.

Auch wenn die SPÖ jetzt klagen will, weil die Aktion gesetzeswidrig sein soll, bin ich insgeheim doch begeistert. Für mich kennt sich der Radiosender noch besser mit dem weiblichen Gehirn aus als jede Frau selbst oder Mel Gibson in diesem schrecklichen Hollywoodstreifen „Was Frauen wollen“. Kronehit weiß ganz genau, worüber frau sich den ganzen Tag über den Kopf zerbricht und will ihr  unter die Arme greifen. Immerhin haben wir kaum andere Sorgen. Ich kann es bezeugen. Meine Mutter, die Vollzeit beschäftigt war, während sie ihre drei Kinder ohne finanzielle Unterstützung aufzog und ihren Beruf viel lieber durch eine Karriere als Künstlerin ersetzt hätte, hat die ganze Zeit nur über das fehlende Geld für eine Brust-OP gesprochen. Meine Schwester ging es ähnlich. Sie hat schwanger ihren Ingenieurstitel gemacht, nur um nach einer Frühgeburt einem gutbezahlten Job nachzugehen. Ihr könnt wahrscheinlich erraten, was die ganzen Jahre über ihre größte Sorge war: Genau, Brustimplantate.

Außerdem macht es den Umgang mit unsicheren Mädchen so viel leichter für alle anderen. All die unsicheren Mädchen, die ein T-Shirt nicht anziehen wollen, weil sie darin „flach wie ein Brett“ aussehen oder sich nicht trauen, in der Sportgarderobe vor anderen in ihrem BH zu stehen. Die ganzen Mädchen, die Tränen in den Augen haben, weil ihnen gesagt wird, sie würden viel mehr wie ein Bub aussehen und sie sollen doch gefälligst etwas essen. Die jungen Frauen, die von ihren Verwandten und den Jungs aus der Schule aufgezogen werden. Endlich müssen wir ihnen nicht mehr diesen Blödsinn mit „Liebe deinen Körper“ und „body positivity“ vorlügen, sondern können ihnen die wahre Heilung für ein kaputtes Selbstbewusstsein geben: Lass dich einfach operieren!

Für mich ist „Tutti Kompletti“ nicht nur ein Ausdruck, mit dem man jedes Volksschulkind dazu bringen kann, verlegen zu kichern, sondern eine wahre Chance, unserer Gesellschaft zu geben, was sie braucht – auch wenn meine Mutter mich bei dem Angebot nur ausgelacht hat. Ich werde diese Kampagne weiterhin verteidigen. Immerhin interessiert mich, was für Vergrößerungen sie Söhnen und ihren Vätern zum Vatertag anbieten wollen.

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