Van der Bellen wird gefeiert

27. April 2017

Bei einer Diskussionsveranstaltung im Haus der Europäischen Union beantwortete der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen eine Frage bezüglich des Kopftuchverbots und diese sorgte für Aufregung in den sozialen Netzwerken.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
©Wikipedia

Obwohl die Diskussion seit etwa einem Monat anhält, kam die Aufregung darüber erst, nachdem der ORF Report das Video dazu veröffentlicht hat. „Laut dem EuGH Urteil ist es nun Firmen erlaubt, ihren Mitarbeiterinnen das Kopftuch zu verbieten….mich würde Ihre Meinung als Bundespräsident dazu interessieren“, fragte die 16-jährige Hasna Aiad, die zufälligerweise auch eine Freundin von mir ist. Herr Van der Bellen erzählte, dass es am Land absolut üblich war, Kopftuch zutragen. Er meinte es ist eine relativ neue Entwicklung, dass man kein Kopftuch trägt. Der Bundespräsident sieht, dass es nur in wenigen Situationen promlematisch sein könnte ein Kopftuch zutragen, wie bei ein Richter oder eine Richterin, aber das trifft dann für alle religiösen Symbolen zu. "Es ist Recht der Frau sich zu kleiden ,wie auch immer sie möchte", erklärte er. "Zu der tatsächlich um sich greifeneden Islamophobie wird noch der Tag kommen, wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen - aus Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun", antwortete Van der Bellen darauf. Die Folge war ein Shitstorm durch FPÖ und Team Stronach, was keine Überraschung war. Ich kann die Kritik gegenüber Van der Bellens Sager überhaupt nicht nachvollziehen, aber es wundert mich kaum, dass genau dieser eine Satz es in die Schlagzeilen geschafft hat.

Der Bundespräsident antwortete auf die Aufregung um seinen Sager mit folgenden Worten: "Wir sollten froh sein, wenn wir keine größeren Probleme als die Frage des Kopftuchs haben."

Abgesehen vom Shitstorm, gibt es auch genug ÖsterreicherInnen, die seine Aussage feiern. Ich habe vier junge Musliminnen über ihre Meinung dazu gefragt.  

Rami (24): VDB setzt sich für etwas ein, wofür ich ihn gewählt habe, nämlich kompromisslose Solidarität und Gleichberechtigung für ALLE. Und schon folgt der Shitstorm. In so einer Zeit, so eine Aussage, das ist Rückgrat und Prinzipientreue.

Hasna (16): Nur weil unser Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Solidarität in unserer Gesellschaft aufgerufen hat, wenn es um Meinungsäußerungsverletzung geht und somit auch um Menschenrechtsverletzung, wurde ein Shitstorm ausgelöst. Zu einer Sache, die selbstverständlich sein sollte. Daher verstehe ich die Diskussion, die ausgebrochen ist, gar nicht und rufe alle meine Freundinnen und Freunde da draußen auf, die auch meiner Meinung sind, einen „Lovestorm“ zu starten und uns bei unserem Präsidenten zu bedanken, dass er solche klaren Worte ausgesprochen hat.

Omar (20): Die Antwort Van der Bellens kam für mich persönlich unerwartet. Man merkt ja, wie die politische Atmosphäre momentan aufgeheizt ist. Es wird von mehreren Parteien gleichzeitig Stimmung gegen Muslime, Türken (bzw. österreichische Mitbürger mit ausländischen Wurzeln) und die islamische Lebensweise gemacht. Kopftuchverbot am Arbeitsplatz erlaubt vom EuGH und Vollverschleierungsverbot in der Öffentlichkeit prägen die Schlagzeilen. Van der Bellen hat damit klargemacht, dass er die steigende Islamophobie erstens mal erkannt hat und zweitens nicht unterstützt. Er solidarisiert sich mit den muslimischen Frauen und fügte noch hinzu, dass er seine Solidarität allen Frauen zusichert, wenn dies nötig sei. Ein mutiger Schritt in meinen Augen. Eigentlich sollte solch ein Satz rein vom Inhalt her nicht spektakulär sein, jedoch sehen wir ja wie sich die Dinge in den letzten Jahren entwickelt haben, und umso mehr freue ich mich, wenn es Politiker in hohen Ämtern schaffen, trotzdem nicht auf den meinerseits verhassten Zug des Populismus aufzuspringen. Es war klar, dass gewisse Medien und Parteien sein Zitat nutzen würden, um nochmal mehr Stimmung gegen Muslime und das Kopftuch zu machen. Und da kamen auch wieder die hetzerischsten Aussagen und Kommentare zum Vorschein. „Not my president“ und „niemals setz ich mir das auf“ überschwemmten meine Facebookseite. Eigentlich eine traurige Entwicklung, wenn man bedenkt, was für eine Vergangenheit Österreich hat. Europaweit sollten sich einige Menschen wieder zu Solidarität und Zivilcourage gegenüber jedem, der es nötig hat, zurückbesinnen.

 

Amani (30): Er geht vielmehr auf zwei Grundprinzipien der Demokratie ein. Frauenrechte: das Selbstbestimmungsrecht der Frau, sich nämlich so zu kleiden, wie es ihr gefällt und nach welchen Kriterien sie möchte. Allein sie entscheidet, wie viel sie von ihrem Körper bedeckt oder eben nicht. Er selbst sagt wortwörtlich: "Es ist das Recht der Frau, sich zu kleiden, wie auch immer sie möchte. Das ist meine Meinung dazu." (Warum hat es dieser Sager eigentlich nicht als Schlagzeile geschafft?)

Solidarität: In Zeiten der zunehmenden Islamophobie versteht er es als symbolisches Zeichen, aus Solidarität ein Kopftuch zu tragen, als einen Akt des Widerstandes. Er vergleicht dies mit dem damaligen Tragen des Davidsterns von nicht-jüdischen DänInnen als Zeichen des Widerstands und der Solidarität während der deutschen Besatzung. Wir sollten alle unheimlich stolz sein, dass wir einen Bundespräsidenten haben, der mit aller Klarheit und Deutlichkeit für diese Werte eintritt, für Minderheiten, für Gleichheit und Toleranz.

 

Was ist eure Meinung dazu?

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