„Weihnachtsbäume, Spielzeug und Geschenke machen einfach keinen Sinn mehr.“

06. Januar 2023

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Weihnachtsbaum 2022 auf dem Sofia-Platz in Kiew. Foto: UNIAN

Am 6. Jänner feiern orthodoxe Christen nach dem julianischen Kalender das Weihnachtsfest. Die Ukrainerinnen Olha, Inna und Maryna erzählen von ihrem ersten Weihnachtsfest nach Kriegsausbruch.

 

"Jedes Jahr habe ich mit meiner Familie zusammen Weihnachten gefeiert. Mein Patenkind brachte mir immer Kutia [Anm.: Ein Getreidegericht mit süßer Soße, das traditionell von orthodoxen Christen gegessen wird] und ich brachte ihm Geschenke. Andere Familien waren bei uns zu Besuch. Alles war so lustig und fröhlich. Wir bereiteten einen Tisch voller Essen vor und warteten mit Spannung auf die Gäste", erinnert sich Olha. Die 35-jährige Choreografin, die mit ihrer Mutter aus Dnipro nach Österreich geflohen ist, erzählt, wie sie am 6. Januar 2022 Weihnachten feierte. Wie für viele UkrainerInnen, war dieses Weihnachtsfest das letzte, das in Normalität stattfand, bevor Russland wenige Wochen später einen Krieg in vollem Maßstab mit der Ukraine begann und Millionen Menschen fliehen mussten.

 

„Mein einziger Wunsch ist der baldige Sieg der Ukraine.“

Sie sind mit einer neuen Realität konfrontiert: Es gibt kaum eine Möglichkeit, diesen besonderen Tag so zu feiern, wie sie es zuvor getan haben. "Mir schmerzt es in der Seele für die ukrainischen Soldaten, die in den Kampfgebieten sind, für diejenigen, die bei eisigen Temperaturen an der Front kämpfen. Ich habe keine Lust, Weihnachten zu feiern, mein einziger Wunsch ist der baldige Sieg der Ukraine“, so Olha. „Nun weint meine Mutter allein, macht sich Sorgen um alle und sehnt sich nach Hause, und ich erhalte Anrufe von Freunden, deren Ehemänner im Sterben liegen. Weihnachtsbäume, Spielzeug und Geschenke machen einfach keinen Sinn mehr.“

 

Obwohl es auch hier in Wien viel Weihnachtsstimmung gibt, hat Olha nicht vor, Weihnachten zu feiern. "Es macht Freude, aber es verändert die Stimmung nicht wirklich. Dieses Jahr werde ich mein Patenkind an Weihnachten nicht sehen. Ich werde meine Familie und Freunde nicht umarmen. Und all das wertet das Schöne um mich herum ab".

 

Die Choreografin glaubt daran, dass Weihnachten erst wieder ein Fest der Freude sein kann, wenn die Ukraine den Krieg gewinnt und alle wieder lächeln und ihre Verwandten umarmen können.

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„Kutia“ ist ein traditionelles Gericht, das normalerweise an ostorthodoxen Weihnachten zubereitet wird. Seine Hauptzutaten sind: Weizenbeeren, Mohn und Honig. Foto: klopotenko.com.

 

Alte und neue Traditionen

Inna, eine 39-jährige Frau aus Kiew, hat eine andere Erfahrung gemacht. "Normalerweise feiere ich Weihnachten nicht. Die österreichische Familie, bei der ich jetzt lebe, tut es aber schon. Sie haben schon einen Weihnachtsbaum und einen Adventskalender aufgestellt, ich war schon auf fünf Weihnachtsmärkten in Wien, dort herrscht eine schöne Atmosphäre".

 

Maryna, eine 38-jährige Ukrainerin, erzählte von Silvester in der Ukraine, nicht aber von Weihnachten. Sie kommt aus der Region Kiew, lebt jetzt in der Steiermark und arbeitet als Regionalbetreuerin in einem Immobilienbüro.

"In der Ukraine feiern die Menschen Silvester mehr als Weihnachten. Wir haben es aber meistens nicht gefeiert. Entweder war ich an diesem Tag bei der Arbeit oder ich war schon so müde, dass ich keine Lust hatte, etwas zu feiern. Erst im letzten Jahr haben wir es getan, weil sich endlich eine Gelegenheit ergab, da ich von Zuhause aus arbeitete".

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Marynas Foto vom letzten Silvester 2022.

In Marynas Familie gibt es eine besondere Tradition. "Jedes Jahr organisieren wir die Neujahrseinkäufe: Jeder kaufte ein Neujahrsgeschenk und unbedingt ein Symbol für das neue Jahr. Jeder beteiligte sich am Schmücken des Weihnachtsbaums". Über das diesjährige Weihnachtsfest sagt sie: "Ich werde Weihnachten hier mit meinen Freunden feiern, die ich kennen gelernt habe. Sie haben mich sowohl zu Weihnachten als auch zu Silvester zu sich nach Hause eingeladen".

 

Sie beschrieb auch die weihnachtliche Stimmung in der Steiermark: "Ich mag Weihnachten eigentlich nicht, aber hier spürt man die Atmosphäre und ich werde unwillkürlich von ihr mitgerissen. Meine Freunde nehmen mich mit auf Weihnachtsmärkte, lassen mich an den Vorbereitungen für ihre Feste teilhaben, und ja, man wird von der Atmosphäre und dem Gefühl einer Art von Märchen aufgeladen".

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