„War das jetzt zufriedenstellend?“ - „Nein.“

27. August 2013

So hört sich das an, wenn das Publikum bei einer Wahlkampf-live-Sendung auch mal mitreden und -fragen darf. Jetzt trafen unsere Regierungschefs also das erste Mal aufeinander, in der Puls 4 WahlARENA, beim großen KanzlerDUELL. Werner Spindelegger - Brangelina ist out, und außerdem braucht auch das Lieblingspärchen der Nation endlich einen peinlichen Couplename – traten diesen Montag eher gemeinsam als gegeneinander im neuen „Politformat“ des pinken Privatsenders an.

 

Die Stimmung vor dem Puls4-Sendegebäude hätte nie auf die bevorstehende Eintracht hingedeutet. Mit aufblasbaren Pavillons und Luftballons ausgerüstet standen sich die jeweiligen Parteianhänger Montagabend bei wummernder Mucke gegenüber, bis der amtierende Kanzler vorfuhr und unter (bezahlten?) Sympathisantensprechchören („Werner Faymann Bundeskanzler! Werner Faymann Bundeskanzler!“) das Studio betrat – Spindelegger hatte die händeschüttelnde Ankommensprozedur schon lange vorher bewältigt. Während der Sendung aber war kaum ein Keil zwischen die beiden - Arbeitskollegen will man fast sagen - zu treiben, unermüdlich versuchten Peter Rabl und Corinna Milborn, jedes noch so kleine Thema als Spaltungskatalysator zu verwenden und endlich das versprochene Duell anzuheizen. Aber das hier war ein Termin, der von den Regierungspartnern gemeinsam absolviert wurde.

 

Friede, Freude, Volksnah

 

Bei manchen Themen wie Ganztagsschule oder Mindestsicherung merkt man dann doch, dass die beiden nicht aus der gleichen Partei (Glorios Spindelegger zur Erbschaftssteuer: „Erben ist Privatsache, da soll der Staat nicht rücksichstlos zuschlagen“) kommen, die altbekannten Punkte werden heruntergeleiert, aber sonst haben sich alle lieb. Ist es etwa diese Harmonie, die sich jede dysfunktionale Familie als Vorbild nehmen sollte, die von der Opposition als „rot-schwarzer Stillstand“ bezeichnet wird? Mehr als ein Austausch über Inhalte lässt sich hier ein Austausch von Gefallen um des gemeinsamen Machthabens willen vor- und unterstellen. So entstehen Koalitionsfreundschaften für die Ewigkeit.

 

„Gerade in Zeiten der Krise wie jetzt brauchen wir mehr Gerechtigkeit“ - „Dafür müssen wir aber Ungerechtigkeiten beseitigen...“ Selbst wenn sie sich widersprechen, sagen sie dasselbe. Macht das eine gute Koalition aus? Koalitionsverhandlungen für die nächsten 5 Jahre scheinen das nämlich eher zu sein als ein Wahlkampf. Das einzige, worum hier gekämpft wird, sind die Zuschauer, denen die Herren Vize- und Kanzler bei jedem geäußerten Problem ihre Telefonnummer und ein Beratungsgespräch nach der Sendung anbieten. (Komisch nur, dass unsere beiden volksnächsten Politiker vor dem Ende derselben, als das Publikum endlich auch nach dem obligatorischen Schlussapplaus entlassen wurde, schon abgerauscht waren.) Wahrscheinlich die Wochenendpläne, die Kanzler und Kollege im Studio fassen, als Ihnen nahegelegt wird, dem anderen doch einen Vor- oder Ratschlag zu unterbreiten – nimmermüde betonen Werner Spindelegger ihre Verhandlungsbereitschaft, da fangen sie gerne schon nächste Woche an.

 

Privatsender als Politgröße?

 

Überhaupt scheint das neue Format, bei welchem Zuschauer Fragen an die Spitzenkandidaten richten dürfen, noch von keinem so richtig beherrscht zu werden. Dass die befragten Politiker keine konkreten Antworten auf konkrete Fragen liefern können, kennt man ja schon. Innovativ leuchtet jetzt aber ein blaues Licht auf, wenn einer der Baldkanzler länger als eine Minute durchpalavert. Neben dem Schwachsinn verzapfenden „Körperspracheexperten“, der eh nur feststellen kann, was alle sehen, und dem Umfrage-Experten der Twitterergebnisse(?) vorlesen darf, brillieren die nachhakenden Moderatoren (Peter Rabl und Corinna Milborn) geradezu. Es wär halt schön, vielleicht die Quelle all der abstrusen Zahlen, die sie den mit ebensolchen herumjonglierenden Politikern an den Kopf werfen, eingeblendet zu sehen, das wird doch bei den vorbereiteten Moderatorenschaft technisch möglich sein für Puls4, oder? Eine Transparenzdatenbank für Fernsehzahlenquellen fordere ich hier, wenn schon die ÖVP ihre eigene nicht so recht durchsetzen kann (Faymann lächelt nur milde, wenn das Gespräch auf diese kommt). Das wirklich Faszinierende an diesem Format ist das Publikum, auch wenn es seine Fragen nur in einem lächerlich dramatisierenden Wer-Wird-Millionär-Setting vortragen darf. Die unberechenbaren Reaktionen, uneingeplantes Klatschen und Nachhaken von nachdenkenden Wählern kann niemand vorher- jeder aber live sehen.

 

Leicht verzweifelt versucht das Moderatorenteam, die Sendung auf dem vorgegebenen Steuerkurs zu halten, hektisch wird nach den zum Thema passenden Fragen gehechtet, und die Überforderung mit dem neuen Format ist nicht zu übersehen. Aber vielleicht lernen die das noch und das hier könnte ja das Politformat der Zukunft sein, mit lustigen Soundeffekten, wo der Konflikt zwischen zwei Parteien darauf heruntergebrochen wird, ob der eine jetzt immer noch ein Lügenkanzler ist, oder ob sich alle schon wieder lieb haben. Das ist nämlich eine einfache Ja-Nein-Frage, für alles andere reicht ja die Aufmerksamkeitsspanne des Durchschnittszuschauers, -steuerzahlers und – wählers auch nicht, oder?

 

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