Vor drei Jahren waren Millionen Ägypter am Tahrir- Platz, und kämpften für Freiheit. Eine Freiheit, die Muslime und Kopten, jung und alt, Frau und Mann Hand in Hand stehen ließ. Heute schaut das Bild anders aus: Blut, Tod, Verlust und ein gespaltenes Land.

Die Neugeburt:
Der 25.1.2011. Keiner sah diesen Tag kommen, aber diejenigen, die an diesem Tag ihr ganzes Leid aus der Seele schrien, wollten nur Gerechtigkeit! Und das haben sie auch erreicht: Sie wurden zum ersten Mal gehört. Der Hunger und die Armut, sie hatten eine Grenze erreicht, die sich nicht mehr weiter ausdehnen ließ. Sie standen furchtlos am Tahrir- Platz, bereit zu sterben, Hand in Hand, damit die nächsten Generationen in Freiheit leben kann. Sie schrieben Geschichte und sie schafften es, sich von allen Ketten zu lösen, die ihnen von Mubaraks Regime angebunden waren. Ich kann mich genau an dieser Zeit erinnern: Es war als würde man lange unter dem Meer gefangen sein und nach der Oberfläche suchen, um Luft zu schnappen. Und plötzlich: Das Aufatmen! Wie ein Neugeborenes, das zum ersten Mal das Licht erblickt! Ja, wir haben zum ersten Mal gesehen, dass wir ein Team sind, ein Volk, allesamt sind wir Ägypter und alles andere zählte nicht. Muslime und Kopten sie beschützten einander, sie starben füreinander, damit ihre Kinder sich nicht eines Tages gegenseitig umbringen würden. Es gab wieder einen Grund zu leben, nicht einfach aufzustehen und den Tag durchzumachen, NEIN, wir wollten leben. Die Hoffnung, sie wurde in uns allen geboren und fand einen großen Platz in uns. Ja, wir trauten uns zu träumen und diese Träume zu glauben.

Happy Birthday Egypt- Drei Jahre im Teufelskreis:

Von Mubarak zu Morsi und nun zu General Al-Sisi. Ein gespaltenes Land, denn Meinungsverschiedenheiten sind – für die momentane Regierung- Grund genug zu töten. Nachbarn, ja sogar Geschwister, die nicht dieselbe politische Meinung teilen, sind verfeindet. Unsere Kinder, sie wachsen in Hass auf! Die Medien, man kann ihnen nicht trauen, und auf die Straße kann man sich auch nicht wagen, denn man könnte dabei getötet werden. Ich persönlich wäre im Sommer 2013 wegen einem Foto von einem Soldaten, das ich aus dem Taxi schoss fast von ihm erschossen worden.

Warum? Wo kommt dieser Hass her? Wann wurde er überhaupt Teil von uns? Warum konnten wir all unsere Unstimmigkeiten vor drei Jahren wegstecken und jetzt sind sie alles was uns ausmacht? Wo sind die Gemeinsamkeiten hin? Eine Gemeinsamkeit gibt es sicher: Wir sind alle Ägypter! Egal wo oder wie man betet, woran man glaubt, oder wie man es tut: In unseren Adern fließt ägyptisches Temperament, wir sind die Kinder vom Nil und das kann kein Militär der Welt ändern. Und trotzdem: wir haben es vergessen.

Das Ziel ist immer noch dasselbe : ein demokratisches Ägypten. Aber dieses wird es in der aktuellen Regierung nicht geben. Unter einer militärischen Regierung kann es keine Demokratie geben. Wer denkt, er hätte sich durch General Al-Sisi von Morsi – dem bösen bösen Muslimbruder- befreit, dem möchte ich etwas vorhersagen: Es wird noch viel Blut fließen, viele Kinder als Waisen aufwachsen und mehr Eltern als du zählen kannst zu verbitterten, kinderlosen Menschen. Und das Ziel wird trotzdem nicht erreicht. Ägypten wird durch dieses Regime niemals das Land, auf das man stolz sein kann. Unsere Töchter werden die Straßen Ägyptens nicht sicher betreten können und unsere Söhne werden jeden Atemzug den sie machen zählen müssen, denn es könnte ihr letzter sein.

Freiheit. Ihr habt sie euch erlangt, nur leider nicht verdient, denn ihr habt sie weder verstanden noch geschätzt. Und jetzt spielt Karma ein Spiel, das ihr nicht gewinnen könnt. Schade, die Hoffnung konnte gar nicht richtig wachsen, bevor sie im Keim erstickte.

Fotocredit: Unknown

Auf dem Schild:

(Wie heute waren wir einmal EIN Volk)