Body Complete

28. Februar 2013

Ich schätze Filme, die es nach dem Kinobesuch unmöglich machen, sofort wieder dem Alltag nachzugehen. Filme über die man noch lange nachdenken oder diskutieren muss. "Body complete" gehört definitiv in diese Kategorie.

Die Handlung dreht sich um die Journalistin Nicole, gespielt von der deutschtürkischen Schauspielerin Asli Bayram. Sie macht sich auf die Suche nach einer jungen Frau, die von Wien nach Bosnien gereist ist, um ihrem muslimischen Vater seinen letzten Wunsch zu erfüllen, und seitdem vermisst wird. Er wollte in seinem Heimatort, der aber inzwischen Teil der serbischen Republik ist, begraben werden. Auf ihrer Suche wird die Journalistin mit den immer noch präsenten Auswirkungen des Krieges konfrontiert.

Der Film greift einige heikle Themen auf, in erster Linie die sogenannten ethnischen Säuberungen während des Krieges. Noch immer werden Massengräber ausgehoben und noch immer werden tausende Menschen vermisst. Die Arbeit des ICMP (International Commission on Missing Persons) hat den Regisseur Lukas Sturm auf die Idee für dieses Projektes gebracht. Die Anthropologen identifizieren anhand der Knochen die Identität der Personen. BC - body complete- steht auf dem Plastiksack jener Opfer, deren Überreste zur Gänze gefunden wurden. Es ist eine wichtige Arbeit, denn sie bringt die traurige aber essentielle Gewissheit und ermöglicht den Hinterbliebenen ihre Angehörigen ordnungsgemäß begraben zu können.

Meine persönliche Meinung zu der Produktion ist eine heterogene. Auf der positiven Seite steht unter anderem die Leistung der Schauspieler, nicht zuletzt der Hauptdarstellerin Asli Bayram, die extra für den Film die bosnische Sprache gelernt hat, und das obwohl sie in ihrer Rolle durchwegs Deutsch spricht (siehe Interview aus der aktuellen Ausgabe des Biber). Auch die Entscheidung, Originalschauplätze zu wählen und die Tatsache, dass das gesamte Filmteam aus bosnischen Mitarbeitern bestand, macht den Film authentisch. Die Inhalte bewegen und schockieren, brechen Mauern des Verdrängens.

Andererseits werden einige Balkanklischees aufgegriffen, Politiker und Polizei als durchwegs korrupt dargestellt. Die Hauptfigur der Wiener Journalistin ist zu naiv, Gewalt und Unterdrückung sehr dominierend und es scheint ein grauer Schleier über dem gesamten Land zu liegen. Es verlangt ein unglaubliches Feingefühl, die Geschichte der Opfer zu erzählen, ohne gleichzeitig einen Schuldigen anzuprangern. Die Serben werden leider auch hier in die klassische Bösewichtrolle gedrängt.

Diese letzten Punkte veranlassen mich zu der folgenden Überlegung: Ist der Film wirklich für die breite Masse geeignet? Er wird derzeit in den großen Kinos gespielt und danach sogar auf Puls4 ausgestrahlt. Werden Menschen, die die Thematik nur vor Jahren über einseitige Medienberichte verfolgt haben, weiter in ihren Vorurteilen bestärkt?

Es ist also ein zweischneidiges Schwert. Die traumatischen Ereignisse müssen aufgearbeitet werden und dürfen nicht in Vergessenheit geraten, aber wieder steht es in einem dunklen Licht, dieses wunderschöne Land, das es wert ist, endlich neu entdeckt zu werden...

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