Da steppt der Pole

18. Juni 2013




 

 

HEISSE OSTBLOCK-MÄDELS, gestohlene Autos, Putzfrauen, Bauarbeiter und Kirche – am Stereotyp Polens scheint nichts zu rütteln zu sein. Das ändert wohl auch der Status als neues EU-Land und Veranstalter der letzten Fußball-EM nicht. Aber: Der Kommunismus ist längst vorüber, der Ostblock existiert nicht mehr und eure Autos stehen immer noch vor der Tür – vermutlich. Ich, selbst waschechter Polak, habe mich auf die Suche nach den Polen Wiens gemacht. Immerhin leben hier offiziell 40.000. Und: Die Polen sind beliebt. Auf jeden Fall historisch gesehen, denn 1683 hat König Jan III. Sobieski die Osmanen geschlagen und damit die Zweite Wiener Türkenbelagerung beendet. Seitdem gilt der Pole als Retter Wiens und zum Dank wurde eine Gasse im 9. Bezirk nach ihm benannt.

Doch, wer sind diese Wiener Polen eigent- lich? Was tun sie? Wo leben, arbeiten, essen, tanzen und beten sie? Bei meiner Tour haben mich die eigenen Landsleute überrascht. Nur eins war eh klar: Polen und Party, ein Dream- team.

FÜR IMMER JUNG

Es ist Montag, 18 Uhr. Im Nebenraum der Gar- tenstadt-Kirche in Floridsdorf plaudert Frau Irena (81), Pensionistin und seit 30 Jahren in Österreich, mit Frau Ewa (70), ebenfalls Pen- sionistin und seit 30 Jahren da. Sie sind bester Laune. „Du musst noch die drei Euro bezah- len“, erinnert Frau Ewa ihre ältere Freundin. Von diesen drei Euro werden die Kosten des Vortrags über gesunde Ernährung für ältere Menschen finanziert.

Die beiden sitzen nicht etwa in einem VHS-Kurs, sondern in einer Vorlesung der „Universität des dritten Lebensalters“ (UTW), die 2012 vom polnischen Magazin „Polonika“ ins Leben gerufen wurde. Student kann jeder Pole in Österreich werden, der über 50 Jahre alt ist. Unabhängig von Ausbildung und Beruf. Die Vorträge werden auf Polnisch gehalten. „Die Migranten fühlen sich einsam, vor allem Pensionisten und Rentner, ihre sozialen Kon- takte sind begrenzt. Unser Ziel ist es, ihnen zu ermöglichen, sich weiterzubilden, aber auch neue Kontakte zu knüpfen. Wir wollen ihnen helfen, nicht mehr einsam zu sein“, sagt Slawo- mir Iwanowski, Herausgeber von „Polonika“ und Gründer der Universität. Bis dato gelingt dies auch sehr gut, die Erwartungen sind über- troffen worden. Die UTW zählt derzeit über 220 Mitglieder, Tendenz steigend.

Frau Irena erzählt ungefragt ihre Lebens- geschichte. „Ich fühle mich, als wäre ich acht- zehn“, sagt die 81-Jährige. „Ich habe Skype, meine eigene E-Mail-Adresse und gehe regel- mäßig mit meinen Freundinnen von der Uni tanzen“. Der Saal füllt sich langsam. „Es sind we- sentlich mehr Frauen als Männer da“, sagt Frau Ewa. „Aber die Männer, die da sind, sind brav.  Beim Tanzen sind sie immer ein bisschen steif am Anfang, wir laden sie aber auf ein Glas Wein oder einen Tee mit Strom ein. Danach werden sie schon lockerer“, lacht Frau Ewa. Tee mit Strom? „Die Jüngeren kennen diesen Ausdruck nicht mehr. Strom ist Vodka.“ Galvanigasse 1, 1210. Treffpunkt der polnischen Universität des dritten Lebensalters.

POLEN UND PARTY, EIN DREAMTEAM.

POLNISCHEHERZEN

Singles in Wien aufgepasst!
Ania (29) lebt in Wien und liebt Reisen, ist kreativ, optimistisch, ehrgeizig, mutig und schüchtern zugleich. Romantisch, aber ohne es zu übertreiben. Eine bodenständige Träu- merin. Sie sucht einen humorvollen, mutigen, ehrgeizigen, kreativen Mann, der es liebt, aktiv die Zeit zu verbringen. Es soll jemand sein, mit dem man über alles reden und lachen kann.

Theo_KBH (25) liebt neue Herausfor- derungen, interessante Menschen, überra- schende Situationen. „Das Leben ist voll von wunderschönen und wertvollen Events, wenn man weiß, wo man nach diesen suchen soll“, schreibt er in seiner Beschreibung. Er fühlt sich hingezogen zu Frauen mit Persönlichkeit, Leidenschaft und... sauberen Haaren! Er inte- ressiert sich für schöne Frauen, die wissen, was sie wollen. Solche, die mutig sind und die keine Angst davor haben zu handeln, um ihre Ziele zu erreichen.

Interessiert? Das Internetportal www.polnischeherzen.at bietet jedem einsamen (nicht nur) polnischen Herzen in Österreich die Möglichkeit, die (polnische) Liebe seines Le- bens zu finden. Registrieren, anmelden und los geht’s!

MESSEN FÜR DIE SEELE

Es ist keine Neuigkeit, dass die Polen sehr religiös sind – auch wenn sie im Ausland wohnen. In Wien haben sie ihre eigene Kirche, in der jeden Sonntag acht Messen auf Polnisch statt- finden. Sie werden regelmäßig von 3500 Polen besucht. „Es kommen alle Altersgruppen in die Kirche“, sagt Pfarrer Jan Kaczmarek, der seit 2006 in Wien lebt. „Viele Jugendliche und Studenten, ganze Familien mit Kindern. Vor allem Polen, die nicht so lange in Österreich leben. Es ist einfacher für sie, das Religionswissen auf Polnisch zu vertiefen, ihre Identität zu finden. Die Muttersprache ist doch die Herzenssprache. Es ist oft eine Art Heimatland-Ersatz. Sie fühlen sich hier wie zu Hause.“

 

www.polonika.at

von Artur Zolkiewicz

 

Bereich: 

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Das Ende von biber ist auch das Ende...
Foto: Moritz Schell
Kein Geld, keine Redaktion, aber eine...
Screenshot: Stadt Wien
Die Stadt Wien und der Bezirk Neubau...

Anmelden & Mitreden

3 + 8 =
Bitte löse die Rechnung