Die Gärten in Kärnten
AntiFa Seminar 2012, Peršmanhof
18 Stunden lange Fahrt von Kragujevac nach Bad Eisenkappel. Noch 10 Minuten und wir sind da, am Peršmanshof. Ab und zu tauchen bilinguale Tafeln auf: Bad Eisenkappel/Železna kapla, Klagenfurt/Celovec.
Weder Internet noch Handyempfang. Über 1000 Meter hoch und mitten im Wald. Überall ist das Grüne und Stille. Während der Nacht hört man die Glocken von den Kühen. Oder waren das die Schafe? Das erste Haus in der Nähe ist etwa ein Paar km entfernt. Man schläft auf Matratzen, direkt auf dem Boden, atmet den Geruch des Holzes im Haus und spült die Feuchtigkeit . Ab und zu, während der Nacht, bekommt man den Besuch von unterschiedlichen Insektensorten. Draußen ein Garten, wo nämlich viele Schlangen zu finden sind.
Antifaschistisches Seminar kann anfangen. Die Teilnehmer werden im Museum am Peršmanshof, „da hoch, über den Serpentinenweg“ untergebracht. In demselben Haus, wo eine Division von SS Polizei am 25. April 1945, fast 2 Wochen von dem offiziellen Ende des Zweitens Weltkriegs den größten Teil von der Familie Sadovnik getötet hat.
Darunter sieben Kinder im Alter von 1 bis 12.
Der einzige Grund war die Tatsache, dass die Sadovnik Familie Slowenisch gesprochen hat und dass es die Vermutung gäbe, die Sadovniks leisteten die Hilfe den in den umgebenden Bergen versteckten Partisanen. Drei Kinder sind glücklicherweise überlebt. Die Stimme eines überlebten Kindes, jetzt eines alten Mannes, kann man in einem Zimmer im Untergeschoss, direkt unter dem Zimmer mit Spinen ganz gut hören. Zwar in einem kurzen Dokumentarfilm, welcher einen Teil der Museumsaustellung ist. In gegenüberliegendem Raum zeigen die Ausstellungstafel die Geschichte und Prozesse zwischen Slowenen und Österreichern in Kärnten ab dem Jahr 1920 sowie die Deportation der slowenischen Bevölkerung nach verschiedenen Ecken der Welt.
Während der Führung durch das Museum und des Erzählens über das Verbrechen werden die Sadovnik wieder wach und lebendig. Die gehen durch das Haus, die alte Oma zieht frisches Brot von dem Ofen heraus. Die Kinder spielen im Garten mit Holzpistolen, die sie von Partisanen bekommen haben. Sie essen mit dem schmutzigen Fingern, lachen und sprechen ihre Sprache. Auf einmal kriegt die Familie einen Besuch und alles ändert sich. Statt dem frischen Brot, duften die Blut und der Tot.
Dann denke ich darüber nach. Ich bereue mich für das reiche Essen von heute und gestern. Ich bereue mich, dass ich über Internet, Handyempfang und Insekten klage.
27.07.2012
KZ Lobil, Nord und Süd
KZ Lobil liegt zwischen österreichischer und slowenischer Grenze. Der nördliche (Österreich) Teil ist als KZ manchmal nicht zu erkennen, vor allem deswegen, weil es nichts mehr gibt, außer Stein, Grass und freien Himmel. Keine Baracken, keine Gebäude. Auf der anderen Seite der Grenze sieht man schon die Spuren des Grausamen: Ruine des ehemaligen Nazi-Krankhauses, „Stadion“, wo die Häftlinge nämlich gezwungen wurden, Fußball zu spielen und Box zu treiben. Der Kernpunkt des Ortes war für mich einen Raum mit offenem Dach, wo unterschiedliche Tafel mit den Namen verschiedener KZ angehangen sind.
Noch mal die zwei verschiedenen Erinnerungskonzepte-die Weisen, wie man die Erinnerung (nicht) pflegt.
28.07. 2012
Begunje-Gefängnis
Wir drängen schon in Slowenien. Das ehemalige Gestapo-Gefängnis Begunje liegt in einem Ort, wo jetzt die Ruhe, Sonne und Natur herrschen. Damals, als in mehr als 30 Zellen die Gefangenen ihr Leben verbracht haben, herrschte keine Sonne, sondern Dunkelheit.
Die Zellen. Dort hat man versucht, sich auszudrücken. Und dort hat man geschafft, sich auszudrücken. Mit seinen Händen und Nageln. Die weißen Flecken stellen den Beweis dafür. Meist auf Slowenisch. Ich suchte jede Zelle, um serbische Wörter zu finden. Ich habe kein Serbisch gefunden, was mir ein wenig überrascht hat. Die größere Überraschung war aber ein mit den Nägeln auf der Wand gemaltes Hakenkreuz in einer Zelle.
Während des Rundgangs (falls man das so benennen kann) hört man die Geräusche. Eine langsame, geduldige Stimme, die die Namen der Gefangenen ausspricht. Das schien mir schon bekannt vor: in meiner Stad, in Kragujevac (siehe meinen Artikel: Vergessen wäre ein neues Verbrechen) haben wir ähnliche Lautsprecher. Mein Eingefallen hat mir der Leiter dieser Anstalt, ein fröhlicher Mann, bestätigt: „Als ich in Kragujevac war, hat mir diese Idee mit den Namen sehr gut gefallen. Ich habe meinem Direktor die Idee vorgeschlagen. Er war sehr zufrieden und seitdem haben wir das gleiche System wie in Kragujevac. Es ist wichtig, die Namen der Opfer laut auszusprechen, damit sie nie in die Vergangenheit geraten werden können“.
29.07.-31.07. 2012
Die rechtlichen Tage habe ich am Peršmanhof und in Bad Eisenkappel verbracht. Ich musste auf den letzten Tag des Seminars verzichten. Von anderen habe ich gehört, dass der Tag spannend war. Durch Seminar haben wir auch viel Freizeit, die Umgebung zu entdecken und Kärtnen kennenzulernen. Serpentinenstraße mitten in der Nacht ausprobiert ...
So besuchten wir Sprachenfest in den Bergen, wo wir unsere gefüllte Paprikas stolz den Besuchten vorgestellt haben. Wir haben durch die Natur gewandert, sogar haben wir einen Garten gejätet.
Der Garten war ein Abenteuer. Es gehört einem Mann namens Zdravko, welcher sehr bekannt ist. Das haben mir die Einheimischen gesagt. Ich habe daran geglaubt. Fast einen Monat später, in Rostock, habe ich einen Österreicher getroffen, der wieder die Tatsache bestätigt, dass die Welt ein großes-kleines Dorf ist: Dieser Österreicher hat nämlich den Zdravkos Garten zwar nicht gejätet, sondern seine Schafen gesaugt. „Der Zdravko, der coole Zdravko. Jedes Jahr sind die AntiFa Teilnehmer bei ihm Zuhause, um ihm zu helfen. Ich mag den Typ, aber die Sache mit den Schafen war nicht so einfach. Du hattest Glück mit dem Garten.“
„Brennnessel sind auch nicht so einfach“, habe ich ihm gesagt.
So ist Zdravko, meiner Meinung nach, Symbol des AntiFa geworden, eine Brücke zwischen den Menschen, die Kärtnen und dessen vielfältige Geschichte kennengelernt haben. Ich frage mich, welche Aufgaben er nächstes Jahr den Teilnehmern geben wird.
Nemanja Ɖoković, Serbien