Eine türkische Diva gegen den Irak-Einmarsch

05. Oktober 2008

Eine der populärsten türkischen Sängerinnen, Bülent Ersoy, steht wegen "Entfremdung des Volkes vom Militärdienst" vor Gericht. Ersoy hatte im Februar gesagt, sie würde ihr Kind nicht in den Krieg gegen die PKK schicken.

 

Bülent Ersoy will lieber sterben als schweigen. "Auch wenn sie mich hängen, werde ich weiter reden" , sagte die populäre türkische Sängerin am Mittwoch vor einem Istanbuler Gericht. Ersoy ist angeklagt, weil sie am 25. Februar dieses Jahres in der Castingshow "Popstar Alaturka" als Jurorin überraschend den Einmarsch der türkischen Armee in den Nordirak kommentierte: "Für diesen Krieg der Anderen würde ich mein Kind nicht unter die Erde schicken" , sagte die eigentlich als unpolitisch geltende Diva. Auf die Erwiderung einer anderen Jurorin, die meinte, sie würde - hätte sie einen Sohn - diesen zum Militär schicken, sagte Ersoy: "Ach, immer dieselben Klischees, immer dasselbe Gelaber. Kinder sterben, es gibt, Blut, Tränen, Tote... und dann diese hohlen Worte." Es folgte kollektive Empörung.

Ersoy brach eines der stärksten Tabus in der Türkei: Sie kritisierte die Armee. Die Rundfunkaufsichtsbehörde schrieb, Ersoy habe ein "Prinzip" verletzt, wonach im Fernsehen "nicht gegen die nationalen Werte der Gesellschaft" verstoßen werden dürfe. Und der Staatsanwalt von Bakirköy leitete ein Verfahren ein. Der Vorwurf gegen Ersoy: "Entfremdung des Volkes vom Militärdienst" , Artikel 318 des Strafgesetzbuchs.

Der Paragraph wird gern angewandt, um Kritiker mundtot zu machen. Er wurde wegen der impliziten Einschränkung der Meinungsfreiheit auch von der EU kritisiert. Doch bisher wurde das türkische Strafgesetzbuch noch nicht ausreichend reformiert. Der berüchtigte Paragraph 301, der die Verunglimpfung des Türkentums unter Strafe stellt, wurde etwa nur marginal verändert. "Heilige Pflicht" Der Staatsanwalt wirft Ersoy nun vor, sie habe gefährliche Propaganda für die PKK gemacht, der Militärdienst sei eine "heilige Pflicht" für jeden Türken.

Ersoy drohen bei einer Verurteilung bis zu zweieinhalb Jahre Haft. Vor dem Gericht riefen Fans: "Lang lebe die Diva." Ersoy erschien in weißem Leinen und goldenen Sandalen. Als Bub 1952 in Istanbul geboren, unterzog sie sich 1980 in London einer Geschlechtsumwandlung, erhielt deshalb vom damaligen Präsidenten Kenan Evren für acht Jahre Bühnenverbot in der Türkei und ging nach Freiburg in Deutschland. Heute ist sie in ihrer Heimat eine Symbolfigur für Homo- und Transsexuelle. (Adelheid Wölfl/DERSTANDARD)

Linktipps:

Blog & Postings=>  www.dasbiber.at/node/1079

http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/chronik/1340489/index.do

http://www.bild.de/BILD/news/vermischtes/2008/06/17/tuerkische-transsexu...

http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/322/160882/

http://www.welt.de/politik/article2048263/Transsexuelle_wegen_Kritik_am_...

 

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