EM-Journal ´08 Das Wiener Semifinale

27. Juni 2008

Ganz einfach: der Knackpunkt dieses Spiels war eine Verletzung, die des Führenden in der Torschützenliste, David Villa.

Für ihn musste Trainer-Oldie Aragones in der 34. Minute einen Ersatz bringen und es war kein Stürmer, der ihn vorne in der Spitze neben Fernando Torres ersetzte, sondern das einstige Wunderkind Cesc Fabregas, der Mann für besondere Fälle, ein grandioser moderner Mittelfeldspieler, einer dieser Kerle, die alles spielen können, einen 6er, einen 8er und auch einen 10er, den Cesc ja auch auf dem Rücken trägt.

 
Warum Spanien ein zweites Mal über Russland drüberfahren konnte. von Martin Blumenau
  Aragnones stellte allerdings nicht auf sein aus der (wieder einmal) extrem erfolgreichen EM-Quali bekanntes 4-1-4-1 um, mit einem breiten Vierermittelfeld, das ordentlich Druck macht und Torres sowie einander gegenseitig in die Löcher schickt, die man durch das schnelle Spiel schlägt. Nein, Aragones erprobte ein (Trommelwirbel) 4-2-3-1. Xavi ging zurück neben Senna, Cesc spielte zentral davor und Silva/Iniesta wechselten sich rechts/links ab.

Spielte Russland VOR der 34. Minute noch recht gefällig mit, hatte Russland nach dieser 34. Minute erst wieder eine gute Szene als es bereits 3:0 stand.

 
 
Spiel, Satz, Sieg.
 
Mit dieser Maßnahme fing Aragones die Angriffe des Gegners im Zentrum ab, weil man da eine quantitative Mehrheit hatte, und drängt sie auf die Flügel, wo allerdings auch immer gedoppelt wurde. Da die vielleicht beste Außenverteidiger-Zange des Turniers (Anyukov rechts und Zhirkov links) sich meist zumindest zwei Gegenspielen gegenüber sahen (der heute extrem gut aufgelegte Ramos sowie einer aus Iniesta/Silva über die rechte Angriffseite der Spanier, der Spiel heute fast dezente Capdevila und der andere von Iniesta/Silva auf der Linken) wurden sie in die Abwehr reingedrängt und waren gebunden.

(Einschub. Ich frag mich jetzt: bei wievielen Spielen dieser Euro hat diese oder eine vergleichbare Maßnahme zum Erfolg geführt? Bei einer gefühlten absoluten Mehrheit, oder?)

Da das russische Dreier-Mittelfeld extrem tief hinten drinnen stand (vor allen Zyrianov war dauernd fast auf einer Höhe mit Semak zu sehen, kam kaum gut nach vorne) und da die beiden in den letzten Spielen als extreme Unruhestifter wuselnden Flügel Saenko und Arshavin kaum bzw. nicht zu sehen waren, fiel das russische Angriffspiel auseinander.
Pavluchenko holte sich was er kriegen konnte und kam zu Chancen, immerhin, aber das wars auch schon.

 
 
 
  Aber Arshavin - der war deutlich mit dem falschen Fuß aufgestanden. Der Mann der die letzten beiden Spiele der Russen auf derartig atemberaubende Weise geprägt hatte, dass man verleitet war. ihn als Spieler des Turniers auszuzeichnen, war nicht so recht auf dem Platz.

Zudem fehlte es Guus Hiddink an Optionen: die zwei Wechselspieler, die er bringen konnte, brachte er - mehr an Qualität war nicht mehr auf der Bank. Und auch für eine Umstellung des Systems reichte es scheinbar nicht.
Vielleicht spielte da auch der Erfahrungswert, dass es anders gegen Spanien ja noch weniger geklappt hatte (siehe 1. Spiel) hinein. Nachdem seine beiden Wechsel in der 57. Minute nicht gegriffen hatten, gab Hiddink das Spiel auf.

 
 
 
So, jetzt möchte ich noch zuerst ein Klischee füttern
 

und dann hinterrücks in den Arsch treten. Dass man nämlich aufm Platz soviel mehr sieht.
Ja, sicher.
Aber auch: nein, nicht echt.
Natürlich checkt jeder mit Augen im Kopf die Formationen innerhalb von Sekunden und muss nicht manchmal Minuten auf die richtige Einstellung im TV warten. Und natürlich fallen einige Details im Stadion mehr auf als vor der Leinwand.
Für eine treffliche Analyse ist es aber nicht notwendig, vor allem bei Teams, die man schon öfter gesehen hat.

Spanien probierte es wieder, dieses clevere "den Ball durch die Lücken des Gegners stecken", scheiterte oft, klopfte mit diesem Dauerdruck aber eben die stärkste Formation des Gegners (die Außen) weich wie Schnitzelfleisch.
Spanien stand hinten sehr gut, konservativ (kein einziger Vorstoß von Puyol/Marchena), aber sicher.
Und Senna ist ein ganz ganz exzellenter Ballverteiler und Aufbauer, gar keine Frage.

Das ist im TV-Bild oft schwerer zu erkennen, weil man da sehr drauf achten muss - das sieht man im Stadion entsprechend leichter; weil sich gerade hier, im Cinemascope-Format die entscheidenden Verlagerungen beim Umschalten zwischen Abwehr und Angriff so breitwandig verfolgen lassen.

 

mehr auf http://fm4.orf.at/blumenau/223084/main

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