Erwachsen werden

10. Dezember 2015

Die Zeit vergeht viel zu schnell. Ich erinnere mich noch so gut daran, 17 gewesen zu sein und mir geschworen zu haben ich ändere mich nie. Ok, das Aussehen hab' ich Gott sei Dank geändert. Der Emo-Look stand mir ganz und gar nicht. Aber meine größte Angst damals, eigentlich auch noch heute, war es, langweilig zu sein.

Von Leonie-Rachel Soyel

Ich wollte in einem Atemzug mit Janis Joplin genannt werden und nicht mit Mutter Teresa oder Jackie Kennedy. Wenn ich mich aber umsehe und auf mein momentanes Leben blicke, sehe ich eine seriöse Zukunft vor mir. Seriös, verdammt!! Und gerade in dem Moment, wo ich mir noch denke, mein Leben ähnelt mehr dem einer Pensionistin, kommt dann auch noch dieses Lied im Radio. Marteria, Kids – "In der guten alten Zeit war'n alle donnerstags schon breit" und es ist wahr. Nicht nur ich bin drauf und dran, ruhiger zu werden. Meine Freunde eben auch.

Leonie Rachel Soyel

Die ersten eigenen Wohnungen ohne WG werden gesucht. Statt Promo-Jobs arbeiten wir jetzt 9to5 im Büro, machen Yoga und treffen uns auf Kaffee und Kuchen statt Wodka und Chips. Zeiten ändern sich und eigentlich ist es gut so, aber irgendwas in mir schreit "NEIN". Ich will Glitzer im Gesicht, meine kaputten Converse und ekligen, billigen Alkohol. Ok, den billigen ekligen Alkohol will ich eigentlich nie mehr trinken. Wie konnte ich damals nur mehr als einen dieser kleinen Feiglinge trinken?!

Aber es fehlt mir, nicht an morgen denken zu müssen. Ich bekomme ständig das Gefühl, man wird gleichgesetzt mit Obdachlosen, wenn man nicht fünf Zukunftspläne nennen kann, drei Jobs in der Tasche hat und zwei Uniabschlüsse. Dabei war mein Ziel mit 17, erwachsen zu werden, um frei zu sein. Jetzt komme ich mir gefangener vor, als jemals zuvor. Ich sitze in einer geselligen Runde und es wird über Bio-Produkte und Verlobungen geredet, während man ganz stilvoll an seinem Rotwein nippt. Richtig gehört, man nippt nur noch, kein auf ex trinken. Während die Vorspeise serviert wird, würde ich mir gerne in den Kopf schießen. 

Sieht so der Rest meines Lebens aus? Unterhaltungen über Bio-Nahrung, Politik und Kinder, während ich einen Wein trinke und mir Sorgen mache, nicht vor elf Uhr ins Bett zu kommen? Ich bekomme Angst davor und in dieser Sekunde möchte ich einfach nur meine Tasche packen und weit weit weg reisen. Aber anstatt das zu tun, bestell ich mir ein Taxi und fahre nach Hause. Schminke mich ab, stelle mir einen Wecker, um in der Früh die Wäsche zu machen. Und während ich meine Einkäufe mache und vor dem Bio-Regal stehe, lasse ich alles fallen, gehe raus in den nächsten Piercing-Laden und lasse meine Unvernunft raus.

 

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