Ich bin wütend

02. Dezember 2014

Navid spricht mit sich selbst. Er hat Angst, die Dinge, die in seinem Kopf vorgehen, laut auszusprechen. Nur der Zuschauer darf mithören. Aber nicht der Zuschauer im Iran. Dort ist die Ausstrahlung des iranischen Films “I’m not Angry” verboten.

 

© Iranian Independents

„Warum bin ich hier? Wie bekomme ich mein Leben auf die Reihe? Wie kann ich die Erwartungen der Anderen erfüllen?” fragt sich Navid - der Hauptprotagonist in “I’m not Angry” – immer wieder. Die Anderen sind Setareh (Baran Kosari) - seine große Liebe, mit der er seit 4 Jahren verlobt ist, und Setarehs Vater. Dieser möchte seine Tochter glücklich sehen und Glück könne Navid ihr nicht bieten. Glück bedeutet hier Sicherheit, vor allem die finanzielle. Der intelligente Navid wurde aufgrund regimekritischen Verhaltens und Protesten gegen die iranische Politik der Universität in Teheran verwiesen. Er kann weder studieren, noch unterrichten. Seine innere Wut brachte ihn dazu, seinen Chef zu verprügeln, daraufhin verlor er seinen Job. Vom Arzt holt er sich Pillen um sich zu beruhigen und der Hektik dieser Stadt zu entkommen. Navid sucht nach Arbeit, fragt Verwandte nach Geld. Er scheint sich im Kreis zu drehen, nicht voranzukommen. Das einzige, was er sicher weiß ist, dass er Setareh liebt und alles für sie tun würde. Die Pillen beruhigen ihn für den Moment, aber das Leben scheint sich zu verflüchtigen. Wie gerne würde er die Menschen, die ihn immer wieder enttäuschen (er)schlagen, enthaupten, töten.

 

“Ich bin nicht wütend”...

...wiederholt er im Geiste wenn sein Blut zu kochen beginnt. Der Doktor gibt ihn einen weiteren Rat: „Es geht darum zu glauben, dass du glücklich bist und dann wirst du innere Ruhe finden”. Fragt sich nur wie. In einem Land, in dem westlich Denkende ins Gefängnis gesperrt werden oder ihnen Zugang zur Bildung verweigert wird. Genau darum dreht sich die Lebens- und Liebesgeschichte in “I’m not Angry”. Der iranische Regisseur Reza Dormishian leitet den Film mit dem Titel “A Free Adaptation of Iran” ein. Jeder weiß, dass Namen wie Mossadegh und Ahmadinedschad im Kontext der Dialoge nicht frei interpretiert sind. Was sich 2009 nach den manipulierten Präsidentschaftswahlen abgespielt hat, ist nicht vergessen. Die ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen sind spürbar. Die Wunden, die in der iranischen Bevölkerung geblieben sind, nicht geheilt.

 

Spiegel der iranischen Seele

Der Film verkörpert die Zustände Navids mit ungewöhnlicher Kameratechnik. Fast Motion, kurze Rückblenden, Flashbacks und Handkamera-Einstellungen verleihen dem Film eine unruhige Stimmung. Zwischen den nachdenklichen und nüchtern-romantischen Szenen geben sie ihm einen hektischen Rhythmus. Die Welt Teherans ist farblos, aussichtslos. Die Bilder spiegeln die Seele der iranischen Jugend in einem ausgebleichten Farbton wieder. Ein kritischer Blick in das Herz eines Landes, das zwischen Wissenschaft und Religion hin- und hergerissen ist. Die unabhängige Filmproduktion “I’m not Angry” ist unverschont mitreißend und keinesfalls realitätsbeschönigend. Sie zeigt die schönen Momente einer echten Liebe und ist unglaublich traurig zugleich.

 

 

Die Premiere von “I’m not Angry findet im Rahmen des “This Human World Filmfestivals am Freitag, 05.12.2014 um 20.15 in Anwesenheit des Regisseurs im Filmcasino statt. Informationen zum Ticketverkauf gibt es hier.

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