„Ich möchte nicht, dass Leute die Straßenseite wechseln, wenn sie mich sehen.“

06. Dezember 2021

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Nina Horowitz
Nina Horowitz ist die neue "Kupplerin der Nation". (C)Matthias Nemmert

Nina Horowitz trat nach dem Tod der legendären Filmemacherin Elizabeth T. Spira ein großes Erbe an: Die Datingshow „Liebesg‘schichten und Heiratssachen“ lief im Jahr 1997 erstmals an und beendete soeben die 25. Jubiläumsstaffel. In ihrem Lieblingscafé Korb erzählt uns die neue „Kupplerin der Nation“, warum quer durch Österreich immer noch zu wenige MigrantInnen unter den Singles sind.

Interview: Nada El-Azar, Fotos: Matthias Nemmert

BIBER: Seit dem Tod von Elizabeth T. Spira im März 2019 haben Sie erfolgreich die „Liebesgschichten und Heiratssachen“ übernommen. Fühlen Sie sich mit Ihrem neuen Prädikat „Kupplerin der Nation“ wohl?

Nina Horowitz: Ich finde es eigentlich ein lustiges Prädikat. Ich muss oft an meine Großmutter denken, die leider schon lange verstorben ist – die würde das sicher lustig finden. Natürlich haben mich schon sehr viele Leute auf die großen Fußstapfen angesprochen, in die ich gestiegen bin. Die Toni Spira hat die Liebesg’schichten 23 Jahre lang gemacht. Aber die Sendung hat ja auch nach meiner Übernahme gut funktioniert. Der Druck ist deshalb abgefallen. Rund ein Drittel der Singles der vergangenen Staffel haben sich verliebt – es ist wunderbar, Menschen, die frisch verliebt sind, zu interviewen.

Welche der KandidatInnen oder Paare sind Ihnen besonders im Kopf hängen geblieben?

Mir bleiben eigentlich alle Singles im Kopf hängen. Konkret fällt mir gerade Mirko ein. Er hat mir erzählt, wie er als kleiner Bub aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Tirol gekommen ist. Das Erste, was er gesehen hat, waren diese imposanten Tiroler Berge, und dazu hörte er Blasmusik vom Frühschoppen irgendwo. Das sind Biografien, an die ich denken muss, wenn ich dann etwa Blasmusik höre (lacht).

Nina Horowitz
Die KandidatInnen sollen sich beim Dreh vor Allem wohlfühlen, so Nina Horowitz.

Ihr porträtiert Singles aus ganz Österreich, seid teilweise auch in sehr kleinen, entlegenen Gemeinden unterwegs. Und auch altersmäßig ist die Sendung divers. Doch wo sind die Kandidaten und Kandidatinnen mit Migrationshintergrund?

In den vergangenen Jahren waren etwa vier bis fünf Menschen mit Migrationshintergrund in der Sendung zu sehen – meiner Meinung nach sind das zu wenige. Dabei freuen wir uns, wenn wir Menschen mit ganz individuellen Geschichten porträtieren können.

Warum bewerben sich Ihrer Meinung nach nicht so viele Single-MigrantInnen?

Ich bin ja ein Mensch, der alle anquatscht – beruflich, wie privat (lacht). Letztens bin ich mit einem Taxifahrer aus Ägypten gefahren und habe ihn gefragt, ob er jemanden an seiner Seite hat. Natürlich schauen alle anfangs ein wenig verdutzt, wenn ich so eine Frage stelle (lacht), aber er hat gesagt, dass er Single ist. Deshalb habe ich ihm vorgeschlagen, doch bei der Sendung mitzumachen. Er hat gemeint, dass sein Deutsch nicht gut genug sei und er sich das nicht zutraue. All die Gründe, die gegen seine Teilnahme sprechen, hat er mir dabei in brillantem Deutsch vorgetragen. Also stimmt die Selbstwahrnehmung hier, wie so oft, nicht. Dabei spielen auch ein paar Grammatikfehler überhaupt keine Rolle – niemand erwartet von einem Nicht-Muttersprachler ein perfektes Deutsch! Da sind einige auch nach so vielen Jahren in Österreich sehr selbstkritisch. Ich kenne übrigens eine Frau, die vor fünfundzwanzig Jahren nach Wien gekommen ist und mithilfe der „Liebesg‘schichten“ Deutsch gelernt hat. Deshalb verpasst sie bis jetzt keine Folge. Das finde ich eine sehr nette Geschichte.

Also scheitert es an der Sprache?

Nein, nicht unbedingt. Mir hat ein junger Mann aus der Türkei erzählt, dass er doch nicht blöd sei und vor allen zugeben würde, dass er keine Frau kriegt. Dabei machen das alle unsere Singles! Sie geben zu, dass sie jemanden finden möchten. Ich hab‘ ihm gesagt, dass er sich einen Ruck geben soll. Also, wenn er dieses Interview hier liest: Bewerben Sie sich! (lacht)

Warum liegen euch Singles mit Migrationshintergrund so sehr am Herzen?

Es ist für uns wichtig, Österreich so darzustellen, wie es wirklich ist. Und deswegen würde ich mich wahnsinnig über mehr Bewerbungen von Menschen freuen, die etwas andere Biografien haben. Das ist einfach zeitgemäß. Wenn jemand nicht weiß, ob sein Deutsch gut genug ist, kann man es ja trotzdem mit der Bewerbung probieren. Es ist ja nicht so, als ob dass man bei uns anruft und am nächsten Tag steht schon das ORF-Kamerateam vor der Tür! Nach der Bewerbung per Mail oder Anruf melden sich unsere Redakteurinnen Beatrice Rössler und Stefanie Speiser für ein Vorgespräch. Und ich telefoniere auch nochmals mit allen Kandidatinnen und Kandidaten, bevor wir zum Filmen kommen. Wir kommen nur zu dritt in die Wohnung, sind also auch ein sehr kleines Team.

Nina Horowitz
Das Format "Liebesgschichten" geht im nächsten Jahr weiter.

Elizabeth T. Spira hat mit ihren Reportagen das Bild der Gesellschaft in Österreich nachhaltig geprägt – für einige Geschmäcker ging sie auch manchmal zu weit mit der Direktheit. Wie gehen Sie mit diesem Erbe um?

Für viele in meiner Generation war Toni Spira mit ihrer Arbeit ein großes Vorbild – ich werde ihre Arbeit hier nicht bewerten. Mein Credo ist: Ich möchte nach einer Geschichte nicht in die Situation kommen, dass Leute die Straßenseite wechseln, wenn sie mich sehen. Alle ProtagonistInnen können sich so authentisch präsentieren, wie sie sind. Niemand muss also herumtanzen oder Skateboard fahren, wenn das nicht zur Person passt. Natürlich interessiert mich, wie sich jemand aus Rumänien in Österreich eingelebt hat, weil die eigene Biografie ja auch prägend ist. Und wenn jemand nicht großartig über seine Migrationsgeschichte reden will, ist das kein Problem - bei den „Liebesg’schichten“ wird man bestimmt nicht darauf reduziert.

 

Auf der Suche nach dem Liebesglück?
Alle Singles ab 18 Jahren aufgepasst: Bewerbt euch unter liebesgschichten@orf.at oder ruft an unter 0800 4430 140!

 

 

 

 

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