Im Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten

03. April 2013

Supermodels in der Arbeit, Enkelfotos vom Taxifahrer und die Straßenbahn kommt nie: Ich bin eine Außerirdische in meiner Heimat.

 

Es ist acht Uhr morgens und die Anzeigetafel neben der Haltestelle zeigt seit zehn Minuten an, dass die Straßenbahn in zwei Minuten kommt. Neben mir steht eine junge Frau mit Laptoptasche und Zehn-Zentimeter-Hacken. Zwischen uns beiden durchwühlt ein junger Mann den Mistkübel. Er hat Glück und findet einen halben Burek, der noch nicht so lange im Müll liegt.

 

Ich lebe seit langem das erste Mal in Bulgarien, meinem Geburtsland, und ich fühle mich so fremd, wie schon lange nicht mehr. Es ist eine Sache, in den Sommerferien die Verwandten zu besuchen und ab und zu auf Urlaub in die alte Heimat zu fahren. Es ist eine vollkommen andere Sache hier zu leben, zu arbeiten, Geld zu verdienen, mit den Öffis zu fahren, zur Post zu gehen oder einen Handyvertrag zu schließen.

 

Überall nur Models

In Österreich dachte ich, dass ich ganz ansehnlich bin und mich nicht so schlecht kleide. Hier falle ich nur auf, wenn ich mit fettigen Haaren, ungeschminkt und mit flachen Schuhen das Haus verlasse.  Ich bin von aufgetakelten Models mit perfekten Make-Up, Frisur und Kleidergröße umgeben. Sogar die Deichmann-Schuhe sind hier bunter, höher und spitzer. Aber jetzt mal ehrlich: Warum muss man sich so aufbrezeln, wenn man acht Stunden lang in einem geschlossenen Büroraum sitzt und den ganzen Tag in den Computer hämmert?

 

Mir ist das ja meistens viel zu mühsam – ich bleibe morgens lieber eine Stunde länger liegen als mir die Haare schön zu föhnen. Und Journalistinnen gehören Gott sei Dank auch hier nicht zum Stand der Bürotussen. Aber es gibt einen anderen Aspekt, den ich ganz sympathisch finde: Hier schließen (übertriebene) Weiblichkeit, lackierte Fingernägel und Röcke beruflichen Erfolg nicht aus. Eine Frau kann im Alltag die Rolle der Mutter oder Tussi spielen und gleichzeitig im Vorstand einer Bank sitzen.

 

Lebensgeschichte in 20 Kilometern

In Wien dürfen sich normalerweise die Taxifahrer alle möglichen Geschichten anhören – Liebeskummer, Stress im Job. Hier sind eher die Fahrgäste die Zuhörer. Auf dem Weg vom Flughafen nach Hause hat mich der Taxifahrer gründlich ausgefragt, was ich hier mache. Er hat mir erzählt, dass sein Sohn spondiert, dass seine Tochter zwei Kinder hat und als Beweis hat er einen Stapel Kinderfotos aus dem Handschuhfach geholt und sie mir in die Hand gedrückt.

 

Am Ende hat er mich dann auch nur 20 (10 Euro) statt 24 Leva zahlen lassen. „Sie erinnern mich an mein Kind und die Rechnung ist ohnehin viel zu hoch für eine junge Redakteurin“, sagte er. Ein süßer Man. Wieso passiert mir das nie in Wien? Drei Tage später erzählt mir ein anderer Taxifahrer von seinem Grundstück in den Bergen und dass die Erdbeeren schon zu blühen begonnen haben. Bald gibt es wieder Erdbeermarmelade.

 

Schimpfwörter und Äpfel

Das sind eigenartige Leute, meine Landsleute. Es gibt so viel, das nicht funktioniert: Sehr viele Leute haben sehr wenig Geld. Man wird auf offener Straße beschimpft, weil man bei rot noch nicht ganz über die Straße gelaufen ist.

 

Und dann funktionieren andere Sachen so viel besser. Meine Kollegin versorgt das ganze Büro mit Süßigkeiten. Der Gemüseverkäufer schenkt mir einen Apfel, weil ich zu wenig Kleingeld für das ganze Kilo habe, obwohl er vier Mal weniger verdient als ich. Eine unbekannte Frau macht mich in der U-Bahn darauf aufmerksam, dass meine Handtasche halboffen ist und mich jemand beklauen könnte. Und jeder findet Ausländer total aufregend – zumindest jene, die aus dem Westen kommen. Ich muss mich wohl noch ein bisschen anpassen.

Kommentare

 

Komm wieder zurück :D deine Akademie vermisst dich sehr, und für uns bist fescher als ein Model :D

Aber nein- bleib dort und beweise denen, dass man hübsch UND klug sein kann, Frau Delcheva ;)

Genieß was du genießen kannst, tu was du tun musst, und dann kommste wieder :D

 

super blog. ich fühl mich grad so bulgarisch - 

 

ivana 

made in bosnia

 

ivanas aussage schließe ich mich zu 100% an :)

 

 

danke für den super bg-log, marina! ich habe gerade so heimweh bekommen, dass ich meine verstaubten absatzschuhe auspacken will! :)

 

ich kann mir das sooo gut vorstellen wie es dir grad geht.

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