Made in Yugoslavia

04. Januar 2011

Eure Ex-Jugo-Eltern haben sie gegessen, gekaut, geraucht, gefahren und bewohnt : original Jugo-Erzeugnisse – so Kultig, das manche den Untergang Jugoslawiens überleben und heute erfolgreich wieder aufgelegt werden!    

Bogumil Balkansky auf Zeitreise in die Jugend eurer Jugo-Eltern

Partisanen-Tschick und Plombenzieher
Als eure Eltern in den 70er- und frühen 80er-Jahren durch die Unschuld ihrer Pubertät stolpern, ist die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien gerade in ihrer Blütezeit. Politisch und wirtschaftlich ist alles paletti, Sonnenkönig Tito überstrahlt noch die Schatten des Untergangs und der Sozialismus gebiert Industrieerzeugnisse, die bis heute manchen Ex-Jugo-Eltern eine nostalgische Träne entlocken. Fragt doch mal Mama und Tata nach den Plomben-vernichtenden Bronhi Bonbons oder der Roten Drina ohne Filter – Tschick, die nur ein Partisan mit Lungen aus Stahl rauchen kann!

 

Der Volksbuckel
Nur 3,20 Meter lang, 1,3 Meter breit und rund wie ein Maikäfer – trotzdem wurden manche eurer Ex-Jugo-Eltern darin gezeugt: der Zastava 750. Er ist ein Lizenzbau des italienischen „Seicento“ von Fiat. Darum sein Volksname  „Fico“ (Serb.: Fica, Gespr.: fitscho/a). Mit knapp 25 PS kann der Fico eine 4-köpfige Familie von Belgrad bis zur Adriaküste bringen. Eure Eltern erinnern sich bestimmt, wie sie als Kids auf der Rückbank, nur wenige Zentimeter vom Motor entfernt, dem Sommer entgegenknattern. Vorne ist ein Mini-Gepäckraum, fast vom Reservereifen gefüllt, die Koffer und Luftmatratzen fahren auf der Dachgalerie mit. Um ihn zu besitzen, muss man erst auf eine Warteliste der Fabrik, damit man ein-zwei Jahre später das erste Mal den Zündschlüssel drehen kann. Der Fico ist so simpel und robust, dass er bis heute in allen Ex-YU Staaten zum Straßenbild gehört.

Kommunisten-Cola
Sie fließt wieder durch durstige Kehlen: „Cockta“ – erzeugt und abgefüllt in der Republik Slowenien, EU. Schon die Cockta eurer Eltern ist ein slowenisches Produkt und eine Marketing-Erfolgsgeschichte aus kommunistischer Hand. Als in den 50ern Cola und Pepsi beginnen, in Strömen nach Jugoslawien zu fließen, überlegen die Genossen Direktoren von „Slovenijavino“, wie ein Produkt aus Arbeiterhand den kapitalistischen Durstlöschern Paroli bieten kann. Die genossen Chemiker mixen Sprudel mit Bergkräutern und geben der Cockta ihren typischen Geschmack, Geruch und Farbe. Die Genossen Designer entwerfen den typischen Schriftzug und eine Flasche, die auch von Bierflaschenmaschinen befüllt werden kann, dazu noch das Mädchen mit den Zöpfen als Logo – und fertig ist die Arbeiter-Cola! Sogar Chuck Norris trinkt heute Cockta!

 

Marxismus ist ein Bonbon
Als eure Eltern vom Zahnarzt die ersten Plomben bekommen, gibt es zwei Bonbons, die sie zuverlässig wieder ziehen: „Bronhi“ und „Ki-Ki“. Beide sind ein Produkt von „Kras“ (gespr.: krasch), einem der größten Erzeuger von Süßigkeiten in Jugoslawien. Die Firma ist nach einem Partisanen-Helden benannt und besteht unter diesem Namen auch in der heutigen Republik Kroatien. Bronhi (Classic) ist ein kleiner Strudel aus weißem und braunen Karamell und schmeckt nach Anis und Frische. Ki-Ki sind weiße oder rosa Würfel aus einer zähen Masse die intensiv nach Zitrone oder Orange schmeckt. Sobald man ein Ki-Ki im Mund hat, laufen die Speicheldrüsen auf Hochtouren und man muss aufpassen, nicht zu sabbern. Kras erzeugt auch die Jugoslawischen „Ildefonso“ und nennt sie nach einer alten Süsspeise „Bajadera“. Dunkler und heller Nougat schmilzt auf der Zunge der Werktätigen und verursacht Zahnschmerzen, dort wo Bronhi und Ki-Ki die Plomben ziehen.

 

Beton ist Fortschritt
Damit die Masse der Arbeiter auch anständig wohnen kann, beginnt das kommunistische Regime sogenannte „Neustädte“ zu bauen. Allerdings muss sich die Werktätige Masse gedulden: verdiente Kader, Offiziere der Volksarmee und Volkspolizei bekommen die ersten Wohnungen zugeteilt. Neubelgrad und Neuzagreb werden aus dem Boden gestampft. Dafür wird im Falle Belgrads in den 60ern ein riesiges Sumpfbiotop mit einzigartiger Flora und Fauna trockengelegt und für immer vernichtet. Die „Neustädte“ entstehen auf dem Reißbrett und sehen etwas sehr Menschliches vor: viel Platz für Grünanlagen und Kinderspielplätze zwischen einzelnen Plattenbauten aus Betonelementen, die bis zu 20 Stockwerke hoch sind. So ist der Himmel meiner Kindheit in Neubelgrad sonnig, blau und unendlich groß. Manche eurer Ex-Jugo-Eltern mögen – so wie ich einst – auf den flachen Dächern der „Solitäre“, wie man die Plattenbauten damals nennt, ihre erste Tschick geraucht haben....

 

Sozialistischer Rauch

Ihre Packung ist Quaderförmig, aus grobem Karton und rot wie die Fahne der Revolution und das dafür vergossene Arbeiterblut: die „Niska Drina ohne Filter“ (Gespr: Nischka). Um sie zu rauchen, muss man jung und furchtlos sein – oder einfach nur zu wenig Taschengeld haben. „Westliche“ Zigaretten kosten das Doppelte, haben alle einen total uncoolen Filter und sind nicht so gut wie die Drina! Das steht sogar auf ihrer Packung: „Raucher, raucht unsere Dina, weil sie aus unserem besten heimischen Tabak besteht!“ Die andere jugoslawische Tschick-Legende heißt „Opatija“. Auf ihrer weißen Packung ist ein Logo, das aussieht wie von Mondrian entworfen. Es soll ein Segelschiff darstellen und Abenteuer und Urbanität vermitteln. Tatsächlich ist die Opatija ebenfalls ein kostengünstiger Beuschelreisser, den man als Drina-Ersatz an der Adriaküste raucht. Um dem Gesetz genüge zu tun: Rauchen ist ungesund, fangt damit gar nicht erst an!

 

 

 

Seid nett zu euren Eltern
Es gibt damals noch vieles, das den typischen YU-Brand begründet. Das meiste ist für immer Geschichte, genauso wie der original jugoslawische Kommunismus: die Arbeiter-Selbstverwaltung. Vieles war auch nur eine Kopie aus „dem Westen“, wie der Fico oder schlicht im Kommunismus enteignetes Eigentum früherer Besitzer. Aber manches von dem, worauf die Werktätigen einst als „Made in Yugoslavia“ stolz sind, erlebt in den letzten Jahren eine Wiedergeburt. So hat die „Ostalgie“ auch den blutigen Balkan erreicht und eure Eltern können ein Stück ihrer Unschuld von damals wiederhaben – vorrausgesetzt ihr habt sie lieb und kauft ihnen zu Weihnachten oder Neujahr Bronhi (Classic), eine Flasche Cockta und ein Packerl Opatija!

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Kommentare

 

cipiripi 4 life !!!!

 

ist euch eigentlich aufgefallen das schwabos cockta nicht schmeckt. jedem schwabofreund von mir den ich bis jetzt gezwungen hab cockta zutrinken fands grindig.

vielleicht sagen sie das auch nur um mir am orsch zu gehen weil ich cockta liebe aber naja

macht den cockta test

 

also ich find cockta auch grindig, meine mutter musste damals vor dem krieg immer mehr für das echte cola hinblättern, weil ihr snobi-sohn kein yugocola trinken wollte;))

 

aber eigentlich schmeckt cockta mehr wie italienisches chinotto als wie cola. eher bitter und für reifere gaumen, wennst mi frogst!?!

 

CIPIRIPI GefÄLLT MIR!!!*haha* das geilste überhaupt und die PLASMA (jetzt Lane) kekse mit kakao!!!einfach #1

 

kiki, kiki hocu kiki bonbone :)

 

Cockta trink ich ab und zu in Slowenien, aber als Ersatz für Coke...es schmeckt anders und meine Kinder mögen es nicht, dafür ich :-)

 

...gott sei dank spricht man bei euch FICA anders aus...

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