Stolz auf den Schnoz!

10. März 2017

Sie ist ihr stets eine Länge voraus – die eigene Nase. Biber-Stipendiatin Michaela Kobsa ist Jüdin und erzählt über ethnische Nasen-OPs, Lehmprothesen und ihr eigenes Prachtexemplar: Ihren Schnoz.

Foto: Marko Mestrovic
Foto: Marko Mestrovic

Von Michaela Kobsa

Wir betreten die alte Synagoge von Prag. Nach der Führung lächelt mich eine indische Dame an und fragt: „Bist du Jüdin?” Ich: „Ja.” Sie, ganz freundlich: „Das kann man sehen. Ihr habt alle diese besonderen Nasen.”

Bam. Das darf sie doch nicht sagen! Ich fange an zu stottern: „Aber...nein...das ist nur ein Stereotyp…Es gibt Juden ohne Adlernasen! Wirklich!” Aber dann schaue ich mich um. Und Tatsache, ich sehe Nasen. Die meisten in unserer Gruppe sind Juden und let’s be real, nur wenige in unserer Gruppe tragen eine Kippa, das einzige was uns verbindet ist unsere "besondere Nase". Der jüdische „Schnoz“ existiert und zwar stolz. Leider befindet sich sein Abbild eher auf dem "Vorher"-Bild einer Beautydoktor-Website als auf der Titelseite des Vogue-Magazins.

 

Meine Nase ist 6,5cm lang, 4cm breit und der Winkel vom Nasenloch bis zur Spitze beträgt 37 Grad. Trotz dieser „Größe“ ist sie nicht lang oder breit genug, um wirklich praktisch zu sein. Ich kann mich in der Finsternis nicht nach Hause riechen, würde mich im Notfall nicht mit ihr verteidigen können und kann keine Snacks in ihr aufbewahren. Sie ist dekorativ – aus. Und das mit dem Feinsinn einer Flamingo-Federboa, sprich, du kommst nicht drum herum sie zu bemerken.

Und wie ich mich für sie schämte als ich jünger war! Bei dem Spiel „Welches Tier wärst du?” war ich immer der exotische Vogel. Philosophierten wir als Teenies über unsere Traumhäuser und Traumbrautkleider, erträumten wir uns stets auch unsere „Traum-OP“. Ich malte mir immer ein niedliches Näschen aus. Wenn ich das "Klicken" einer Kamera hörte, drehte ich mich blitzschnell so, dass mein Gesicht nur von vorne dokumentiert wurde. So, dass mein Gesicht wenigstens ins Foto passte. Meine Freunde trösteten mich mit: „Wegen deinen großen Augen sieht deine Nase nicht so massiv aus.”

In Süd-Kalifornien, wo ich aufgewachsen bin, gibt es viele Chirurgen, die sich auf "ethnische Chirurgie" spezialisiert haben. Perser, Afro-Amerikaner, Italiener, Juden, Araber, Asiaten, alle ethnischen Frauen und Männer sind herzlich willkommen eine Notfallintervention wegen ihrer ethnischen Problemzone zu unternehmen. Ja, auch Männer bekämpfen den Fluch ihrer Herkunft. Viele meiner Mitschüler verschwanden im Sommer und wenn sie wieder auftauchten, sahen sie anders aus: größere Busen, korrigierte Augenlider und immer wieder die perfekte Stupsnase. Ruhet in Frieden, ethnische Nasen!  

 

Natürlich ist es schwierig, stolz auf Eigenschaften zu sein, wenn es nicht viele positive Vorbilder in den Mainstream-Medien gibt. Egal, ob ich mir eine amerikanische, libanesische oder türkische Fernsehsendung anschaue, überall sehe ich nur amputierte Riechorgane. Wo sind denn die Kurven? Das Maß von Schönheit ändert sich im Laufe der Zeit und heutzutage befinden wir uns definitiv in einem bogenunfreundlichen Paradigma. Das war nicht immer so.

Zur Zeit der Mayas war ein gebogener Nasenrücken das Ideal. Menschen, die das Pech hatten, mit einer Stupsnase auf die Welt zu kommen, praktizierten eine spezielle Verschönerungstechnik. Sie bastelten Prothesen aus Lehm und trugen diese, um den Effekt eines hübschen Bogens zu erzielen. Doch seit den Mayazeiten gibt es nur noch einen Ort, wo sich Menschen heute ihre Nasen vergrößern: In Asien.

In Südkorea werden die meisten Schönheitsoperationen der Welt durchgeführt. Eine der beliebtesten Operationen ist der 'Nose Lift'. Die Nase wird verlängert und der Nasenrücken markanter geformt. Besonders Männer mit größeren Nasen werden dort als attraktiver betrachtet. Große „Zinken“ strahlen Maskulinität aus. Kurz gesagt: „Je größer die Nase, desto größer der Hase.”Hier zu groß, dort zu klein – die perfekte Nase unserer Zeit scheint „mittelmäßig“ zu sein. Mainstream, unauffällig, niedlich. Jacques Joseph, ein jüdischer Deutscher und Vater der modernen Nasen-OP, studierte Ende des 19. Jahrhunderts die Meisterwerke von Leonardo DaVinci's stupsnasigen Frauen und legte fest, dass der perfekte Nasenprofil-Winkel bei 30 Grad liegt. Er gestaltete neue Gesichter für ehemalige Soldaten, dessen Gesichter im Krieg zerstört wurden. Er half auch Juden in den 1930er Jahren ihr Aussehen anzupassen. Er erkannte, dass seine Patienten „psychisch“ litten. So wie ich früher. Ich weiß nicht genau, wann sich meine Meinung geändert hat. Ich erinnere mich nur daran, dass eine Freundin spontan mein Profil fotografierte. Wir waren siebzehn, fuhren auf der Autobahn in meinem kleinen blauen Auto. Meine Haare waren wellig, meine Augenbrauen dunkle Halbkreise, und meine Nase war die Kurve, die mein Gesicht komplett machte. Das war ich! Ich trage dieselbe gebogene Nase, mit der meine hübsche Mutter geboren wurde, wie ihre Mutter, und wie unsere jüdischen Vorfahren davor. Und für das erste Mal in meinem Leben dachte ich, „Ich habe die schönste Nase auf der Welt!”Menschen mit außergewöhnlichen Nasen – seid stolz! Die Zeit der unauffälligen Nasen ist vorbei. Meine Nase existiert, und wie! Ich trage sie wie eine Diamantenkrone. Denn wie die indische Dame sagte: Sie ist besonders.

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