Work-Scheiß-Balance

14. April 2022

Wir sind halt nicht in Schweden.

Ich war fort. Und ich habe es am nächsten Tag sofort bereut. Nicht, weil ich jetzt mit einer erniedrigenden Saufgeschichte angeben könnte. Dann hätte sich das ganze wohl noch ausgezahlt. Na, ich hab‘ auch noch draufgezahlt mit einem nicht einzuholenden Schlafdefizit und einem Kraftakt, die beide zu nichts in einem Verhältnis stehen.

Ein bisschen Spaß, lass sein

Nur der Heilige Geist und ich wissen, wie ich es geschafft habe, in 60 Minuten zur kritischen Bettgehzeit zwischen Nudelsieb und Lockenstab hin und her zu hetzen, mit zwei Quängelbengel am Bein meine einzige Strumpfhose zu retten, einen anständigen Liedstrich zu ziehen und nach drei Schweißausbrüchen mit einem solidarischen Taxler am Lenkrad rechtzeitig auf diesem Event aufzukreuzen, auf dem, wie passend, Frauen für herausragende Leistungen geehrt werden. Ich hab‘ meinen Award gleich ausgetrunken. War gut und beide Nervenzusammenbrüche und die Mini-Ehekrise am Wickeltisch wert, mich für ein paar Stunden aus der eigenen Blase abzumelden. Sip, sip, Konfetti!

Thousand Dings to do

Zwei Stunden später, zurück in der eigenen Blase, zurück an den Wickeltisch. Ja, Ivana, da war ja noch ein Einjähriger, der immer noch seine Drei-Uhr-Flasche einfordert. Null Problemo, wenn er gleich weiterschlummert und ich mich mit einer leichten Überdosis Baldrian und Psychopax zurück in den Tiefschlaf katapultiere, läuft alles nach Plan. Zumindest bis zum Frühstück. Mein Leben hab‘ ich ansonsten alles andere als fest im Griff. Beim unmöglichen Versuch, die Zügel des Lebens in der Hand zu behalten, also die To-Do-Liste jeden Tag durchzupeitschen, dabei aufs Mittagessen zu verzichten, fünfzig Backup-Szenarien für die Nachmittagsbetreuung zu organisieren, um die zehn Mal verschobene Deadline endlich einzuhalten, steigen Körper und Geist meistens nach der zweiten Zeile der Gutenachtgeschichte vor den Hauptnachrichten endgültig aus.

In Schweden haben Eltern Sex. Neid.

Dieser toxische Masterplan landet aber spätestens beim Aufblinken der Kindergartennummer auf dem Handy-Display direkt im Restmüll. Gleich neben dem fancy Frauen-Magazin, das mir in der Cover-Story echt verklickern will, irgendwo auf der Welt – Schweden soll es wieder einmal sein – ist Familie easy peasy entspannt vereinbar bei vollbezahlter 30-Stunden-Woche, und Eltern haben sogar manchmal Kraft für Sex. Ich bin neidisch.

Es braucht das vlahische Dorf, um ein Kind zu erziehen.

Und das alles ohne Psychopax und dem Dorf, das es braucht, um ein Kind zu erziehen, äh, organisieren. Ohne Beruhigungstropfen ginge ja noch. Aber, wenn mich die Babas, Dedas und  Tanten hängen lassen und zum Beispiel auf die Idee kommen, Hobbies nachzugehen oder einfach ihr Leben zu genießen...kalter Schweiß. Oder für immer fortgehen für das beste Pensionisten-Jetset-Life à la Gastarbeiter: Ein bisschen unten, im Winter hier. It’s the end of the world as I know it. Ja, was mach ich dann? Erpressen? Nach Schweden ziehen? Zuerst mal Baldrian und expresseinschlafen. In zwei Stunden ist wieder Fläschchen dran. 

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