From Zero to Hörsaal

02. Juni 2022

Von Ivana Cucujkić-Panic

Kinder sind die Zukunft des Landes. Ach, drauf geschissen.

Als Studentin dachte ich, alle Studierenden sind gleich. Schwänzen die Vorlesung. Verteilen Flyer. Trinken miesen Tequila auf Unipartys. Da waren die Bundesland-Studis mit all ihren witzigen Dialekten, eine einzige Sprachbarriere für mich, und allesamt viel freundlicher als die grantelnden Wiener. Da waren die Auslandsstudenten aus aller Welt, die crazy und naiv genug waren, um Deutsch als Studiensprache zu wählen, und die dem versifften Audimax so ein bisschen internationales Flair verliehen. Und da waren die Erstsemester vom Balkan.

 

Jugo-Studenten vs. Studenten-Jugo

Frisch inskribiert und im Wohnheim eingecheckt, die Koffer voller Trainingsanzüge und Replay-Jeans. Eine Mischung aus Belgrader Rich Kids und vorstädtischen Stipendiaten, die ganz aufgeregt aber souverän den Red Carpet des westlichen Studentenlebens beschritten.

Es war die Bildungselite, die da nach Wien zum Studieren gekommen ist und auf die Nachkommen der Gastarbeiter:innen traf. Zu denen gehöre ich. Ein Gast­arbeiterkind, das von den Eltern ins Gymnasium mit dem guten Ruf geschickt wurde, um das Ticket zu eben dieser Elite einzulösen. Wobei die tolle Schule Zufall war, sie lag einfach glücklich auf dem Weg zur Arbeit meines Vaters. So ähnlich zufällig stolpern Migrantenkids ganz oft die Bildungsleiter hinauf.

 

Master vor SUV

Die Schule habe ich geschafft. Weil meine Eltern an mich glaubten. Und weil sie viele tausend Schilling in die Latein-Nachhilfe gesteckt haben. Meine Lehrer glaubten nicht an mich: „Eine leichtere Schule wäre vielleicht eine bessere Option für ihr Kind!“ So ähnlich stolpern Migrantenkids ganz oft die Bildungsleiter hinunter.

Wie gut, dass der akademische Titel bei Gastarbeitereltern als Währung für Status den deutschen SUV langsam aber sicher wegdrängte. Jene aber, deren einziger Job es gewesen wäre, taten es nicht. Es? An mich glauben. Vorbild sein. Das brauchen Kinder. Jene, die nicht grad aus Notars- und Juristenfamilien kommen umso mehr. Vorbilder, die am Spielrand stehen, die Pompons schwingen und die kleinen Samiras, Ados und Steffis bis zur Höchstleistung motivieren, sie motivieren dranzubleiben.

 

This could be us, but eh wurscht

Schwierig wird’s, wenn der Coach selber vorher das Handtuch wirft. Wenn Pädagogen keinen Bock auf ihre(n) Beruf(ung) haben und mein Vierjähriger im ersten Kindergartenjahr so drei Erzieherinnen kennenlernen musste. Ich bin wütend. Gut, wütend ist nicht neu, das ist mein zweiter Vorname, seitdem ich Kleinkinder zu betreuen habe. Diese Knochenarbeit aber als berufliche Tätigkeit auszuüben, würde bei mir wohl, wie bei den drei Erzieherinnen, nicht die Probezeit schaffen. Ein Kinderlächeln lässt die Eltern ihre Erschöpfung nicht vergessen, macht bei Pädagoginnen die üble Bezahlung und mangelnde Wertschätzung nicht wett. Wenn eine gute wie kontinuierliche Förderumgebung schon im Kindergarten scheitert, schaut’s schlecht aus für Österreichs Elite. Deswegen nimmt das Mutti selbst in die Hand. Ich werde verdammt nochmal dafür sorgen, dass meine Kinder eines Tages die Vorlesung schwänzen, Flyer verteilen und miesen Tequila trinken. Weil sie auf die Uni gehen werden. ●

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