Jelenas Israel

Entspannte Katzen, Römer in der Wüste, Adam und Eva. Israel hat mehr als Gewalt und Messerattacken zu bieten. Willkommen in meinem Israel.


Von Jelena Trifunovic (Text und Fotos)

Jerusalem - die Stadt, in der sich die Götter treffen

Die Altstadt von Jerusalem ist in vier Bezirke unterteilt, es gibt einen jüdischen, einen muslimischen, einen christlichen und einen armenischen Bezirk. Viele Leute laufen hier mit riesigen Waffen herum. Die Reiserführerin erzählte von Menschen, die in ärmeren Bezirken wohnen und deswegen Waffen mit sich herumtragen. Ob's mir das wert wäre? Ich denke nicht, aber es ist schwer von außen zu urteilen. (Das Video zur Reise nach Israel kannst du dir hier ansehen)

Israel, Tel Aviv, Flughafen, Selfie

Jeder hat sicher schon einmal von der Klagemauer gehört. Eine Mauer, an der man seinen Wunsch, sein Gebet oder  eine persönliche Botschaft auf einen Zettel schreibt und zwischen die Ziegel der Mauer schiebt. Die Klagemauer gehörte zur Westmauer der Tempelanlage in Jerusalem. Man sagt, hier ist man am nächsten zu Gott. Frauen und Männer werden an der Mauer in eigene Bereiche verteilt. Die Männer und Burschen müssen zusätzlich eine Kopfbedeckung aufsetzen. Was man keinesfalls machen darf - der Mauer den Rücken zuwenden! Ich stand nun vor der Mauer, legte eine Hand drauf und versuchte in mich zu gehen. Neben mir hörte ich die ganze Zeit die Männer im Chor singen. Die Gebete der Juden sind in althebräisch geschrieben. Da diese Sprache schwer zu lesen ist, werden schon den Kindern die Gebete singend beigebracht. Nun will ich meinen Zettel in eine Spalte dieser Mauer schieben, doch alles ist voll. So viele kleine Zettel in einem Teil einer Mauer - viel Arbeit für den Mächtigen da oben! Letztendlich mit viel Mühe und Kraft schaffte ich es und schloss mich direkt danach unserer Reisegruppe an, die sich zum Kreuzweg aufmachte.

 

Der versteckte Schlüssel

Am Kreuzweg gibt es 14 Stationen. Von der Verurteilung Jesus zum Tod über die Stelle, an der Veronika (griechisch für Siegbringerin) seinen Schweiß abwischte bis hin zur riesigen Grabeskirche, in der alle anerkannten christlichen Gemeinden sich zu Hause fühlen. Unter der Kirche liegen Grabstätten. Eines davon gehört Jesus. Ein anderes Adam und Eva. Ich zündete in der Kirche eine Kerze an und begann, mir Fragen zu stellen. Wieso gibt es so viele Religionen? Sind wir wirklich alle vom selben Gott erschaffen worden? Viele Fragen, keine Antworten. Ich schätze, auch das bringt uns weiter. Fragen stellen und nach ihren Antworten suchen. Interessantes Detail am Rande: Der Schlüssel für die Grabeskirche ist im Besitz eines Muslims, damit sich die Christen, die den Ursprung ihrer Religion wahren möchten, nicht darum streiten. Die Menschen können's eben nicht lassen.

Gerne wäre ich - obwohl ich serbisch-orthodox bin - auch in die Al Aqsa-Moschee gegangen. Leider ist das seit einigen Jahren für „Nicht-Muslime" aus Sicherheitsgründen nicht mehr erlaubt. Die rund 1300 Jahre alte Al Aqsa-Moschee auf dem berühmten Tempelberg in Jerusalem ist nicht nur die größte Moschee der Stadt, sondern auch die drittwichtigste islamische Pilgerstätte der Welt. An dieser Stelle lasse ich meine muslimische Freundin an die Tastatur, die euch kurz die innere Schönheit der Al Aqsa-Mosche schildert, bevor unsere Reise weiter nach Masada geht:

Al-Aqsa-Mosche, Israel

Das Gefühl in eine  der wichtigsten Moscheen rein zu dürfen war unbeschreiblich und überwältigend.Vor allem weil ich nun ein weiteres Ziel im Leben erreicht habe im Sinne von – Orte, die unser Prophet Mohammed besucht hatte. „Al Aqsa" bedeutet übersetzt in etwa „ferne Kultstätte" und geht auf die Sure der „Nachtreise" (ISRA-Sure) im Koran zurück, wonach Mohammed von der heiligen Kultstätte in Mekka, Saudi-Arabien, in die Kultstätte nach Jerusalem reiste.

Als ich dann endlich in der Moschee drinnen war, konnte ich es kaum glauben. Mir wäre es nie in den Sinn gekommen, die Al Aqsa auch mal von innen zu sehen. Alle, die in der Schule den Religionsunterricht besuchten, kannten die Al Aqsa und den berühmten Felsendom vom Islamschulbuch. Auf dem Deckblatt bzw. Buchrücken war der Tempel von außen abgebildet, mit der gigantisch auffälligen Goldkuppel und einer blau-türkis geschmückten Keramikfassade. In Echt war die Moschee viel überwältigender und farbenfroher, könnte aber auch daran liegen, dass die Bücher mindestens zwölf Jahre alt waren und die Qualität nicht gerade full-hd war. Ein wunderschöner, riesiger Innenhof, in dem Oliven und Dattelbäume wachsen. Es ging auch hier sehr spirituell zu.

Der Unterschied zur Klagemauer war, dass unsere Gebete zwischen Allah und uns selbst in Gedanken stattfanden. Es war bewundernswert, so edel, alles vergoldet und wunderschön verziert. Die Muster und Schriftzüge an den Decken und die bunten Fliesen waren sehr lebendig, kunstvoll und hell gestaltet.

Als letztes erinnere ich mich an die Katzen, die sich in der Moschee und im Innenhof aufhielten und sehr ruhig auf mich wirkten, vielleicht meditierten die auch nur wie wir Menschen

 

Masada – Symbol jüdischer Freiheit

Die Stadt Masada liegt abgelegen in der Wüste. Der Legende nach hatten sich dort Juden vor den Römern versteckt gehalten. Dies blieb nicht unbemerkt und deswegen stand das jüdische Volk vor der Entscheidung: unterwerfen lassen oder ehrenhaft sterben? Die Römer brauchten mehr als drei Monate, um die Festung auf dem Hügel einzunehmen. Was sie dort vorfanden war ein Massensuizid. Rund 960 Menschen hatten sich entschieden, als freie Menschen zu sterben anstatt sich von der römischen Großmacht versklaven zu lassen.

Schon damals haben sich die Juden für die Freiheit entschieden. Diese Einstellung scheint sich bis in die Gegenwart widerzuspiegeln. Einige haben es geschafft, sich zu verstecken, konnten so überleben und somit die Geschichte an die Nachfolgegeneration weitergeben. Sonst würde wohl bis heute niemand diese Stadt kennen und den Zauber dahinter spüren.

 

Gideon Eckhaus: Zwei Söhne, sechs Enkel, zehn Urenkel

Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen die Welt verändern kann - tatsächlich ist dies die einzige Art und Weise, in der die Welt jemals verändert wurde." Ein Zitat von Margaret Mead, welches Gideon Eckhaus in seiner Dankesrede erwähnte. Würden wir alle aus unserer Geschichte lernen, könnten wir die Zukunft verbessern und das jetzt und hier ertragbarer machen, so der Tenor des Holocaust-Überlebenden und gebürtigen Österreichers.

Im Vorfeld unserer Exkursion nach Israel ergründeten Jugendliche aus dem Jugendzentrum Nordbahnstraße und Back Bone das jüdische Leben in Wien vor und nach der "Shoa". Die Spurensuche wurde filmisch festgehalten und von der Familienministerin Sophie Karmasin mit dem Gideon Eckhaus-Preis in Tel-Aviv ausgezeichnet. Nun sitze ich hier, zu Tränen gerührt mit Gänsehaut und lausche den Worten von eben diesem Gideon Eckhaus.

Hoffnung und Tränen
Es fließen viele Tränen. Ich hatte das Glück, keinen Krieg hautnah miterlebt zu haben. Eckhaus' Rede fesselt mich: "Ich habe zwei Söhne, welche mir sechs Enkelkinder und bereits zehn Urenkel beschert haben. Warum ich das erwähne? Damit ihr sehen könnt, was aus einem Menschen entstehen kann, wenn man diesen vor dem Tod rettet!" Bumm. Ein Satz wie eine messerscharfe Rasierklinge. Die Jugendlichen aus Wien, zu denen ich auch gehöre, sind beeindruckt und baff.

Gideon Eckhaus, Backbone

Wehrdienst & verlorene Staatsbürgerschaft
Wir wollten nach der Landung in Tel Aviv keine Zeit verschwenden und mischten uns gleich unter das Volk. In Tel Aviv leben Juden, Muslime, Christen und viele andere Menschen. Der Ruf des Muezzin ist genauso selbstverständlich wie das Feiern von christlichen oder jüdischen Feiertagen. Weil zwei Jugendliche aus Wien arabisch sprachen, war die Kommunikation zu den Einheimischen um einiges leichter. Wir wurden immer freundlichst empfangen und kamen mit den Einwohnern immer mehr ins Gespräch

Später in Jerusalem bekamen wir ebenfalls die Möglichkeit, mit einheimischen Jugendlichen in Kontakt zu treten. Sie schienen ihre Religion nicht allzu ernst zu nehmen, die orthodoxen Juden kamen mir auch lockerer vor als die in Wien. Eine Ausnahme gibt es dann doch: Der Wehrdienst in Israel, der sowohl für Männer als auch Frauen gilt und zwei Jahre andauert….Zwei verschwendete Jahre im besten Alter.

Zurück zur bewegenden Rede von Gideon Eckhaus. Habt ihr gewusst, dass die meisten vertriebenen Juden ihren Anspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft verloren haben? Nein? Ich auch nicht und das hat mich sehr schockiert. Beim lockeren Plausch mit anderen Geflüchteten aus Österreich erfuhr ich, dass es noch immer österreichische Juden gibt, die fliehen mussten und ihre Staatsbürgerschaft für alle Zeiten verloren haben. Das ist so, als würden Menschen von mir behaupten, ich bin doch keine orthodoxe Serbin aus Wien oder meinem Kollegen Thawab seine palästinensische Herkunft absprechen. Absurd. Diese Menschen wollen nur eines: Von ihrer alten Heimat akzeptiert werden. Genauso wie meine Eltern, die nach Österreich in den 90er kamen. Das zeigt mir auch: Egal, woher du kommst, wo du lebst oder wer du bist, du möchtest niemals deine Herkunft leugnen. Ich hoffe wirklich, dass die Menschheit es endlich versteht und sowas nie wieder irgendwo auf der Welt passiert!

Die Begegnung mit dem Zeitzeugen Herrn Eckhaus und die Erzählungen von seinen Erlebnissen haben mich sehr berührt und auch zum Schreiben inspiriert. Ich habe in Israel viel über Menschen und Menschlichkeit gelernt und bin dankbar, dass mir diese Chance ermöglicht wurde.

 

Zur Autorin:

Jelena ist in der Brigittenau aufgewachsen und ist den Anblick von orthodoxen Juden gewohnt, weil sie im 2. Bezirk in der Schule war. "Wir haben uns in der Schule oft über die Gebetslocken der gläubigen Juden lustig gemacht und waren neidisch, weil sie am Sabbat keine Arbeit verrichten mussten. Deswegen war ich sehr gespannt darauf zu sehen, wie Juden, Muslime und Christen zusammen in dem zerstrittenen Land leben."

Jelena, Tel Aviv, Zur Person

BRIDGES OF EXPERIENCE hat den Erfahrungsaustausch zwischen Israel und Österreich im Bereich der Jugendpolitik zum Ziel. Hierbei handelt es sich um ein mehrjährig angelegtes, international und historisch orientiertes Projekt, bei dem das Bundesministerium für Familien und Jugend mit zwei Einrichtungen der Wiener Jugendarbeit zusammenarbeitet.

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