Interview Serap Güler: "Die Angst, eine schlechte Muslima zu sein."

23. Mai 2018

Die CDU-Politikerin Serap Güler hat in Deutschland die Kopftuchdebatte angestoßen. Dabei ist sie selber gläubige Muslima. Wie passt das zusammen? Interview aus Düsseldorf.


biber: Frau Güler, angenommen Sie haben eine Tochter und die äußert den Wunsch mit zehn Jahren, ein Kopftuch zu tragen. Was sagen sie ihr?

Serap Güler: Wenn mich meine Tochter ganz lieb fragt, ob sie alleine im Wald herumlaufen oder sich eine Zigarette anstecken kann, sag ich ganz klar, nein! Man erfüllt einer Zehnjährigen keinen Wunsch nur weil sie das so möchte.

Dürfte ihre Tochter das Kopftuch in der Moschee tragen?

Wenn ein Kind eine Moschee besucht und ein Kopftuch aufsetzt, ist es angemessen. Ich habe selbst die Koranschule besucht, das hat mir nicht geschadet.

Warum beharren sie so stark auf ihrem Standpunkt, Kopftücher für Schülerinnen zu verbieten?

Sie müssen sich zuerst fragen, warum eine Frau das Kopftuch trägt. Man kommt schnell zur Einsicht, dass es ja kein Problem ist, wenn 15 Frauen in einem Raum zusammensitzen und kein Kopftuch tragen. Erst wenn ein Mann den Raum betritt, wird das Kopftuch aufgesetzt. Warum muss das also ein 8jähriges Mädchen tun? Mich stört diese Sexualisierung des Kindes.

Muslimische Feministinnen behaupten aber, dass das Tragen einer Hotpant genauso das Kind sexualisiert.

Wissen sie, ich finde diese Vergleiche verräterisch und heuchlerisch zugleich. Natürlich ist es nicht in Ordnung, wenn junge Mädchen geschminkt werden, da erwarte ich mir von den Eltern die entsprechende Erziehung. Aber das Tragen der „Hotpants“ kann nicht die Entwicklung des Kindes so beeinflussen wie es bei einem Kopftuch der Fall ist.

Warum nicht?

Wenn sie mit sieben Jahren anfangen das Kopftuch zu tragen und zehn Jahre später draufkommen, dass sie das nicht mehr möchten, ist es nicht einfach. Sie müssen sich als Muslima in ihrem Umfeld rechtfertigen und internen Druck aushalten. Oder sie werden als schlechte Muslima dargestellt. Die Entscheidung zum Kopftuch soll nicht bestimmen, ob man eine gute oder schlechte Muslima ist.

Wie hat die türkische Community auf ihre Sager reagiert? Die ist ja in NRW nicht gerade klein.

Kürzlich rief ein wütender Vater an, beschimpfte meine Büro-Mitarbeiterin und fügte hinzu, seine vierjährige Tochter würde das Kopftuch freiwillig tragen. Allein dieser Anruf zeigt mir deutlich, dass es wichtig ist, diese Debatte zu führen. 

Ab welchem Alter sollen die Frauen selbst über Kopftuchtragen entscheiden?

Wir (NRW-Regierung) haben über das Alter 14 gesprochen, da beginnt in Deutschland die Religionsmündigkeit. Vor allem die Kinder in den Kinderbetreuungsstätten und im Grundschulalter (Grundschule=Volksschule) möchte ich vor der Sexualisierung und Instrumentalisierung bewahren. Persönlich würde ich es ab dem 18. Lebensjahr ansetzen. Ab diesem Alter muss man auch juristisch für seine Taten gerade stehen.

Viele Eltern behaupten aber, dass ihre Tochter aus freien Stücken das Kopftuch trägt.

Das ist ein Irrglaube. „Gott wünscht, dass du ein Kopftuch trägst und wenn du das nicht machst, dann kommst du in die Hölle.“, so argumentieren oft die Eltern. Ich weiß nicht, inwieweit das eine freie Entscheidung für ein Kind ist.

In anderen religiösen Kreisen gibt es auch starke Segregation.

Ich kann keinen jüdischen Orthodoxen vorschreiben, er habe neben seiner Frau zu gehen. Da muss man sich in einigen religiösen Gemeinden darüber unterhalten. Den Ärger von manchen Muslimen über die einseitige Berichterstattung kann ich gut nachvollziehen. Wenn ein Imam den Handschlag einer Frau verweigert gibt es viel mehr Aufruhr als, wenn das in jüdisch-orthodoxen Kreisen passiert. Da wird mit mehreren Maßen gemessen, dabei muss man beides anprangern.

 

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