Lahore und die Frage: Geht es dir gut?

28. März 2016

„Geht es dir gut?“, fragt mich Facebook am vergangenen Ostersonntag. Mich und viele andere Menschen weltweit auch.  Sofort ist klar, dass es sich um einen Fehler handeln muss, den Facebook später eingesteht und, mehr noch, sich dafür entschuldigt.

Es ist Ostersonntag und ich komme gerade von einem ausgiebigen Brunch mit meinen Liebsten. Es ist bereits früher Nachmittag, als ich das erste Mal den Computer einschalte. Wie immer werfe ich auch einen Blick ins Facebook. Ein Freund fragt mich, ob ich später noch zu einer Veranstaltung gehen möchte. So weit, so Routine. Plötzlich meldet sich Facebook selbst und fragt: „Geht es dir gut? Du scheinst dich in dem von der Explosion in Lahore, Pakistan betroffenen Gebiet zu befinden.“

Im ersten Moment bin ich perplex und verwirrt, sortiere meine Gedanken aber schnell. Ein Irrtum. Auf diesem Weg erfahre ich aber, dass es in Pakistan einen Anschlag gegeben hat. Plötzlich rückt die Veranstaltungseinladung in die Ferne. Eine Freundschaft, die mit einem Mal hätte beendet sein können. Je nachdem, wo du dich gerade befindest. Pakistan ist somit in meine Lebensrealität gerückt.

Es wäre absolut geheuchelt, zu sagen, dass man menschlich ebenso betroffen von einer so schrecklichen Tat ist, wenn sie weit weg passiert. An einem Ort, zu dem man keinen Bezug hat. Menschen, zu denen man keinen Bezug hat. Dieser Facebook-Sicherheitscheck stand schon reichlich in der Kritik, aber seit Paris und nun auch Brüssel weiß ich, wie unendlich erleichternd es sein kann, wenn du erst mal weißt, dass deine Freunde in Sicherheit sind. Ja, das ist egoistisch. Aber es ist so.

Außer mir haben viele andere Menschen auf der ganzen Welt irrtümlicherweise die Benachrichtigung des Sicherheits-Checks für Pakistan bekommen. Dafür hat sich Facebook entschuldigt. Ich finde das bedauerlich. Wird nicht immer argumentiert, dass die Welt durch soziale Medien ein Stück weiter zusammenrückt? Et voila – Terror IST ein weltweites Problem, da sollte man sich von solchen Benachrichtigungen nicht gestört fühlen.

Natürlich ist es einfacher, diese Tatsache zu ignorieren. Natürlich ist es einfacher, angesichts dieser Katastrophen seine eigene vollkommen unangebrachte Meinung in sämtliche Social-Media-Kanäle zu streuen und dann wieder back to normal zu gehen. Natürlich ist es einfacher, irgendwelche „Je suis“-Memes, die es ja mittlerweile zu allen traurigen Anlässen gibt wie Schokohasen zu Ostern, zu teilen. Der inflationäre Gebrauch von „Je suis“ bedeutet damit in der Übersetzung aber nichts anderes mehr als „Ja ja, dann bin ich meinetwegen eben das auch.“

Später am selben Tag erfahre ich, dass mehrere Hundert rechtsextreme Hooligans die Trauer um die Opfer in Brüssel gestört haben. Mehr und mehr komme ich zur Überzeugung, dass es weltweit momentan keine wichtigere Frage geben kann als: Geht es uns gut? Wirklich?

 

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