“Ja, wir sollen von London was lernen” kommentierte einer von den Biber-Lesern unter meinem letzten Blogbeitrag über den neuen Londonder Bürgermeister. “Nicht alles bitte. Kochen könnens nicht und die meisten U-Bahn-Stationen sind nicht barierrefrei”, war die Antwort einer Leserin. 

Meine Behauptung: Wien könnte von London in puncto Kochen sehr viel lernen.

London ist eine Weltmetropole, die Menschen aus vielen Ländern und mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund vereint. Eine Sammlung von Religionen, Traditionen, Ansichten und Menschen, die ihre Erfahrungen und die Erfahrungen ihrer Familien mit nach England gebracht haben. Menschen aus der ganzen Welt bedeutet Essen aus der ganzen Welt. Die kulturelle Vielfalt Londons und zugleich auch Englands spiegelt sich in der Vielfalt der englischen Küche wider. Dass Engländer nicht kochen können ist als würde man sagen, dass alle Österreicher Trachten tragen. Und obwohl ich mir das ganz gut vorstellen könnte, stimmt das einfach nicht. 

Ich lebe seit knapp einem Jahr in London und war hier in den letzten vier Jahren regelmäßig zu Besuch. Und wisst ihr, was ich immer am meisten vermisse, wenn ich nicht da bin (abgesehen von meiner Freundin natürlich)? Das Essen. 

Andere Behauptung: Engländer ernähren sich ungesund. Ja, nicht mehr aber als Österreicher es tun. Es mag zwar stimmen, dass das traditionelle englische Essen nicht das gesündeste ist. Welche traditionellen Gerichte sind aber schon gesund? Schnitzel mit Pommes? Nicht besser als Fish & Chips. 

Es gibt in London viel mehr Möglichkeiten auf die Schnelle etwas Gesundes zu essen als in Wien. Wenn man unterwegs ist, gibt es viele populäre Restaurant-Ketten, die gesundes Fast Food anbieten. Das gibt es in Wien nicht so ganz oder zumindest nicht in der Menge. 

Österreich ist ein Land, in dem Innovationen und neue Trends sehr langsam ankommen. Nicht anders ist es mit Esstrends. In London kommen die neuen Sachen schneller und besser an und man hat auch eine viel größere Auswahl. Man kann so ziemlich jedes Produkt kaufen, das es auf der Welt gibt. Gesund und ungesund. In Wien kann man das nicht. 

Lust bolivianisch essen zu gehen? Oder ein Restaurant, in dem nur Haferflocken zubereitet werden? Vegan? Vegetarisch? Nur Burger? Mexikanisch? Kolumbianisch? Nigerianisch? Jemand könnte sagen, dass es all dies in Österreich auch gibt. Das stimmt. In London gibt es aber 100 mal mehr davon. Daher auch viel mehr Auswahl und besser.

Bevor ich nach London gezogen bin, hatte ich ebenfalls gedacht, dass Engländer nicht kochen können und dass es in England schlechtes Essen gibt. Das stimmt aber nicht. Ein Stereotyp, das vielleicht vor 100 Jahren gültig sein könnte, aber nicht heutzutage. 

Österreicher sind stolz auf ihr Land und alles, was darin inbegriffen ist: Küche, Kultur, Natur und die imperiale Vergangenheit. Das ist gut so. Österreicher kritisieren auch gerne. Das ist weniger gut. 

Ich behaupte nicht, dass österreichisches Essen ungesund ist oder schlecht schmeckt. Ich vermisse hie und da eine g’scheite Portion Käsespätzle. Es regt mich aber auf, wenn ich immer wieder von so vielen Menschen höre, dass das Essen in London schlecht sei. Diese Menschen haben einfach keine Ahnung. 

Das englische Essen ist in der Hinsicht nicht anders als das österreichische. Man kann in beiden Ländern sowohl ungesund als auch schlecht essen. Man kann aber auch sehr gesund und lecker essen gehen. Nur in England gibt es meistens eine viel bessere Auswahl. 

Die englische Küche ist viel vielfältiger und besser als man denkt. Diese Vielfalt und Offenheit könnte Wien von London nicht nur in puncto Essen, sondern auch in vielen anderen Bereichen lernen.