Wie wir unser Privileg in Zeiten des Coronavirus nutzen müssen.

13. März 2020

Die Menschen, die sich vor zwei Wochen empört dafür ausgesprochen haben, dass man nicht noch mehr Flüchtlinge nach Österreich lassen sollte, sind die, die sich heute um die letzte Klopapierrolle beim Hofer streiten. Hinkt der Vergleich? Ja. Er scheitert vor allem an der geographischen und somit emotionalen Nähe im Umgang mit Krisen. Und am Privileg.  Aber jetzt ist der Moment gekommen, an dem diese emotionale Nähe da ist – Die Maßnahmen, die momentan weltweit getroffen werden, zeigen, dass Krisenmanagement geht, wenn man will. Weil es uns jetzt eben auch in unserer privilegierten Bubble getroffen hat. Und dieses Privileg müssen wir jetzt nutzen.  Für uns ist es keine große Sache, mal für hundert Euro im Supermarkt einzukaufen (Wobei Horten gerade sehr ineffizient und kontraproduktiv ist) . Auf Urlaub zu fliegen, um dem Ganzen zu entfliehen. (EntFLIEHEN - Vor einer Lage, für die man selbst nichts kann - Klingelt's jetzt bei manchen?) Die Zeit zu haben, um Bücher zu lesen, die wir sonst eh nie gelesen hätten. Oder weniger ambitioniert, das gratis Pornhub-Premium-Abo zu nutzen. Wir machen uns Gedanken darüber, ob man problemlos beim Lieferservice bestellen können wird, ob das Fitnesstudio zusperrt, ob man seine Tinder-Dates absagen sollte, und all den first-world-problem Kram. Oberflächliche Gedanken? Klar. Wir leben in einem Land, wo wir das Glück haben, uns mit solchen Problemen beschäftigen zu dürfen. Und selbst dieses „Wir“ ist nur ein Prozentsatz dieses Landes. Ich spreche hier von meiner Bubble, von der der Großteil gerade die chillig im Home Office vor dem Macbook sitzt. Mir inklusive.

Was ist mit all den Menschen – und das ist immerhin der Großteil der Bevölkerung – die nicht chillig im Home Office sitzen können? Die nicht einfach mal so einen ungeplanten Großeinkauf machen können, weil sie die finanziellen Mittel nicht haben? Was ist mit Menschen, die auf der Straße leben? Um in der Bubble zu bleiben: Mal von frei Angstellten, Betreuungspflichten, älteren und immunschwachen Menschen, Gesundheitspersonal und und und und abgesehen. Die Liste könnte ewig so weitergehen. Es ist kein Aufruf an Einzelpersonen, die Welt zu retten. Vielmehr geht es darum, unseren Status zu nutzen. Zum einen heißt das: Keine Panik und Halbwahrheiten verbreiten. „Der Onkel meiner Ex-Mitbewohnerin arbeitet im Ministerium und ab Montag wird nur mehr 1 von 10 Supermärkten offen haben !1! “ –  Plötzlich scheint jeder Basti sein Großvater zu sein, wie man im Jugendjargon sagen würde. Bitte unterlasst endlich diese Nachrichten.  Natürlich macht sich jeder Sorgen um seine Familie, Freunde und im Endeffekt auch um sich selbst. Aber unbestätigte Informationen zu verbreiten hilft momentan keinem. 

Was hilft?

Was hilft: Den offiziellen Anweisungen folgen und verifizierte Informationen weitergeben – zum Beispiel an ältere Menschen ohne Internet. Fragt bei euren älteren, alleinstehenden oder schwächeren Nachbarn, ob ihr sie unterstützen könnt (Sicherheitsabstand bewahren bitte) – die #Nachbarschaftschallenge ist eine super Initiative dafür. Fragt auch eure gesunden und psychisch stabilen Freunde, ob sie etwas brauchen und ob und wie ihr helfen könnt. Personen, die eine Social-Media-Reichweite haben, bitte nutzt diese. Um zu informieren, nicht um Gerüchte zu verbreiten. Hortet bitte nicht unnötig 300 Rollen Klopapier (warum ist verdammtes Klopapier die größte Sorge?!) und Babynahrung, wenn ihr keine Kleinkinder habt. Legt es nicht unnötig darauf an, auf Partys zu gehen, „weils mir eh wurscht ist.“ Wie wir bereits wissen, sind wir jungen Menschen genau die Gruppe, die das Virus mit den wenigsten Folgen überstehen würden – das ist auch unser Privileg. Schaut einfach auf euch und eure Mitmenschen. Es geht nicht darum, Mutter Theresa zu spielen und mit dem Finger auf irgendwen zu zeigen. Aber wir sind alle gemeinsam in einer Situation, die wir bewältigen werden und werden müssen – ohne dass jeder nur auf sich und seine Nasenspitze schaut. Sich dessen bewusst zu werden, wird nicht die Welt retten. Es wird aber zum einen die Verbreitung minimieren und zum anderen Bewusstsein darüber schaffen, wie das ist, wenn man sich aufgrund einer höheren Gewalt in einer suboptimalen Lage befindet. Für viele aus der Bubble und meiner Generation ist es das erste und hoffentlich letzte Mal – Also machen wir bitte das beste daraus. Wir können es nämlich – im Vergleich zu sehr, sehr vielen anderen. 

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