Belle de Jour - Aus dem Leben einer Edelhure

18. November 2009

Die Sexbloggerin und der Google-Trick

Wie es zum Outing von Belle de Jour kam.

Die britische Presse kennt seit dem Wochenende nur ein Thema: das Outing der ehemaligen Luxusprostituierten "Belle de Jour".

Unter diesem Pseudonym verfasst eine bisher anonyme Britin seit sechs Jahren ein aufsehenerregendes Blog, in dem sie offen, humorvoll und sprachgewandt über ihre Erlebnisse als hochbezahlte Sexarbeiterin berichtete.

Spezialisiert auf Krebsforschung
In einem Interview mit der "Sunday Times" bekannte die 34-jährige Brooke Magnanti nun, die Autorin zu sein. Von 2003 an arbeitete sie 14 Monate lang bei einer Escortagentur, um ihr Studium zu finanzieren.

Inzwischen hat sie einen Doktor in Informatik und Epidemiologie und forscht an der Universität von Bristol nach Krebsbehandlungsmethoden, vor allem bei Kindern.

"Kein Spaß mehr"
Dass Belle de Jour nach sechs Jahren ihre Identität lüftete, kam überraschend. Im "Times"-Interview sagte Magnanti über ihre Beweggründe nur, es sei "kein Spaß mehr", die Anonymität aufrechtzuerhalten. Jetzt hat ein mit ihr befreundeter Blogger enthüllt, dass ihr wenige Tage zuvor das Boulevardblatt "Daily Mail" virtuell auf den Fersen war.

Durch einen gefinkelten Suchmaschinentrick konnte er Belle de Jour über diese Online-Recherchen vorwarnen, und Magnanti nahm ihr Outing selbst in die Hände, statt es der gefürchteten britischen Klatschpresse zu überlassen.

Sprache verriet Identität
Darren Shrubsole, der Betreiber von LinkMachineGo, einer zentralen Anlaufstelle der britischen Blogger-Szene, sagte, er habe schon kurz nach dem Start des Belle-de-Jour-Blogs die Verbindung mit Magnanti hergestellt, die unter ihrem echten Namen damals bereits als Bloggerin aktiv war. Charakteristische Formulierungen in anonymen und nichtanonymen Texten hätten ihn auf die Fährte gebracht, so Shrubsole.

Aber statt damit an die Öffentlichkeit zu gehen, richtete er vor fünf Jahren eine "Falle" ein, um Magnanti zu schützen - einen sogenannten Googlewhack.

Gezielt platzierte Blog-Seite
Wer bei Google nach dem echten Namen und dem Pseudonym der Bloggerin suchte, erhielt nur ein einziges Ergebnis: einen gezielt von Shrubsole platzierten Blog-Eintrag, in dem die Suchbegriffe ohne inhaltlichen Zusammenhang vorkamen.

Durch die Auswertung von Serverstatistiken lässt sich erkennen, über welche Suchbegriffe User auf die Website geleitet werden und welche IP-Adresse sie haben - genau das nützte Shrubsole aus.

Ex-Freund informierte "Daily Mail"
"Ich wartete fünf Jahre darauf, bis jemand die Seite (den platzierten Blog-Eintrag, Anm.) fand", schreibt er in seinem Blog. Vor zwei Wochen sei das erstmals geschehen - laut der ausgelesenen IP-Adresse von einem Computer des "Daily Mail"-Verlags aus. Daraufhin habe er Belle de Jour vorgewarnt.

Die "Daily Mail" hatte über einen Ex-Freund Magnantis ihre Identität ausgeforscht, doch die hauptberufliche Physikerin ergriff die Initiative und stach die Geschichte durch ihr Outing in der seriösen "Times" ab.

Die Entscheidung ist durchaus nachvollziehbar: Seit dem Outing ist die britische Regenbogenpresse voll mit haarsträubenden Nachfolgegeschichten ("Belle de Jours Vater: Ich schlief mit 150 Prostituierten"), über die Magnanti keine Kontrolle mehr hat.

300 Pfund pro Stunde
Anonymität "wird für Autoren, deren Arbeit für sie schädlich oder zu kontroversiell ist, immer eine Existenzberechtigung haben. Für mich ist es aber wichtig geworden, diesen Aspekt meines Lebens und meiner Persönlichkeit der Welt preiszugeben", schreibt Magnanti im Belle-de-Jour-Blog. Nur sechs Personen hätten von ihrem Geheimnis gewusst, und nicht einmal ihr Literaturagent habe ihren echten Namen gekannt.

Blog, Buch, Serie
Trotz ständig wachsender Berühmtheit und intensiver Recherchen so gut wie aller wichtigen britischen Medien schaffte es die Bloggerin sechs Jahre lang, ihre Anonymität aufrechtzuerhalten. Es gab Spekulationen, dass ihre Erlebnisse erfunden seien und ein männlicher Autor sie verfasst habe.

2003 wurde ihre Website vom "Guardian" zum besten Blog Großbritanniens gewählt, 2005 erschienen Belle de Jours Geschichten erstmals als Buch, und seit zwei Jahren gibt es mit "Secret Diary of a Call Girl" (Geständnisse einer Edelhure) auch eine Fernsehserie auf Basis ihrer Veröffentlichungen.

Keine negativen Erfahrungen
Als Edelprostituierte habe sie 300 Pfund (338 Euro) pro Stunde verlangt, so Magnanti. Sie bereue diese Phase ihres Lebens nicht und habe auch mit ihrer Agentur nur positive Erfahrungen gemacht - eine Ansicht, die ihr schon als anonyme Bloggerin manchmal den Vorwurf der Verharmlosung von Sexarbeit eingebracht hatte.

Ihr aktueller Arbeitgeber, die Universität von Bristol, sagte der "Times", Magnantis Vergangenheit habe "keine Relevanz für ihre aktuelle Aufgabe an der Universität".

Übernommen aus folgender Quelle:

http://www.orf.at/091117-44888/index.html

Kommentare

 

wow...
ob der Universität wirklich die Vergangenheit egal ist???
wer weiß was intern so abläuft...

 

Buchtipp zu diesem Thema: Fucking Berlin - Sonia Rossi

 

manchen profs ist so einiges egal.
in einem alten blog schrieb ich mal über schmierpraktiken an kroatischen unis und merkte an, wie schülerinnen und studentinnen von den profs angebote erhielten, um die note zu verbessern.
uuunmoralische angebote.

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