"Gegen den indonesischen politischen Aktivismus wirkt der hier wie Spielerei"

27. Juni 2014

 

Gegen den indonesischen politischen Aktivismus wirkt der hierzulande wie eine Spielerei.“

 

In seinem neuen Film „Jakarta Disorder“ porträtiert der Regisseur Ascan Breuer zwei indonesische Aktivistinnen, die für die Demokratisierung in ihrem Land kämpfen. Kein Vergleich zum politischen Aktivismus in Wien, meint der Filmemacher.

 

Dein neuer Film „Jakarta Disorder“ handelt von politischen Aktivistinnen in Indonesien. Welchen persönlichen Zugang hast Du zu diesem Land?

Ascan Breuer: Ich war 30 Jahre alt, mit dem Studium fertig und hatte gerade ein erfolgreiches Filmprojekt hinter mir. Da stellte sich die Frage: Mach ich einen weiteren Film oder bleibe ich in der Wissenschaft? Indonesien wollte ich sowieso gerne einmal kennen lernen, weil ich noch nie da war, aber Wurzeln dort habe.

 

Deine Mutter stammt aus Indonesien und Dein Vater aus Deutschland. Hast Du nie zuvor die Familie Deiner Mutter besucht?

Meine Mutter ist eigentlich gar nicht indonesisch sondern chinesisch. Das heißt meine Familie gehört der chinesischen Minderheit an. Und gerade für die war es Mitte der 60er Jahre ungemütlich. Deswegen sind viele aus meiner Familie nach Australien, Neuseeland oder Holland ausgewandert. Meine Mutter selbst hat sich in Deutschland ein Leben aufgebaut, sodass keine Rückkehr vorgesehen war.

 

Wie kam es zur Geschichte dieser Aktivistinnen? Hattest Du von Anfang an Kontakt zu ihnen?

Nein, ich hatte 2006 angefangen zu recherchieren. Die Diktatur war gerade von einer zivilgesellschaftlichen Bewegung gestürzt worden und das ganze Land war im Umbruch. Gleichzeitig aber in einer großen Wirtschaftskrise. Es war spannend, Menschen bei ihren politischen Aktivitäten zu beobachten, in einer Stadt wie Jakarta, die ganz anders ist als zum Beispiel Wien. So habe ich angefangen mit Aktivisten, Literaten, Künstlern, Filmemachern und Feministen Interviews zu führen.

 

Wie haben sich Deine Vorstellungen von Indonesien im Vergleich zu vorher verändert?

Ich hatte nur sehr bruchstückhaft Erzählungen aus meiner Kindheit im Kopf und eine Ahnung durch das Lesen von Büchern oder Zeitungsartikeln. Aber natürlich hatte ich eine Idee von einem Entwicklungsland, wo vieles im Argen liegt. Dort habe ich aber gemerkt wie sehr ich ohne Grund alles besser weiß als Westler. Hier in Österreich sind die Deutschen ja auch verrufen immer alles besser zu wissen. Und das ist schon etwas was man kulturell lernt. Es ist aber nicht nur eine Arroganz, sondern auch eine Kompetenz.

 

Ein hin und her gerissen sein zwischen den Kulturen. Wie hast Du das in Indonesien erlebt?

Zuerst habe ich mich nie als Deutscher gefühlt. Auf dem Land aufgewachsen, haben mich auch meine Mitschüler nie als solchen wahrgenommen. Die anderen waren die Deutschen, ich war irgendwas. Es gab aber nie Probleme, weil das Umfeld in Norddeutschland sehr liberal war. Erst als ich nach Österreich kam, um zu studieren, war ich zum ersten Mal der Deutsche, der Piefke mit allen Klischees, die dazugehören. Als Deutscher hat man es hier nicht leicht. Ich kenne viele, die darunter leiden. Ich selbst weiß aber wie es ist, der andere zu sein. Ich finde es lustig, solange es nicht problematisch wird. Und in Indonesien wurde ich dann zum Westler, aber der mit indonesischen Wurzeln. Damit wurde ich anders behandelt, als wenn ich blond und blauäugig wäre. Aber ich habe es immer verheimlicht, dass ich chinesischer Abstammung bin, weil das bei vielen Leuten ein Probleme erzeugt hätte.

 

Wie haben Deine Familienmitglieder auf den Film reagiert?

Die Art der politischen Treffen unter den Bambusunterständen hat meine Mutter daran erinnert, wie sich die Kommunisten in den 60ern versammelt haben. Das Mobilisieren von Landlosen und den Armen, politisch Agitierten erinnerte sie an die Zeit bevor die Kommunisten erschlagen wurden.

Am Anfang gab es schon die Kritik von meiner Mutter und Indonesiern, dass ich mit dem Film nicht die schönen Seiten von Indonesien repräsentiere. Das habe ich aber nicht so ernst genommen, weil es um Demokratisierung und um den Mut der Zivilgesellschaft in Indonesien geht. Vor allen Dingen wollte ich zeigen, dass Indonesien keine zurückgebliebene Gesellschaft ist, sondern in einigen Bereichen sogar politisch weiterentwickelt ist als die in Europa.

 

Wie kann man sich diese Unterschiede zu Europa vorstellen?

Ich war begeistert vom Elan der Menschen und ihrer Hoffnung – ganz im Gegensatz zu dem, was ich von politischen Aktivisten hier in Wien kannte, die ich oft als ängstlich und klandestin kennenlernte. In Indonesien haben sie eine brutale Diktatur hinter sich, die von der Zivilgesellschaft gestürzt wurde. Bis zuletzt brachte der Geheimdienst Leute um. Unsere Freunde dort nahmen uns zu einer Demo vor diesem Geheimdienst mit, um dagegen zu demonstrieren, dass sie einen Menschenrechtler vergiftet haben. Um das zu tun braucht man Mut. Dagegen wirkt der politische Aktivismus hierzulande plötzlich wie eine Spielerei, die sich selbst zu ernst nimmt.

 

Im Deinem letzten Film „Riding my Tiger“, der während der Diagonale 2014 lief, geht es um die erneute Auseinandersetzung mit Deiner indonesischen Familiengeschichte. Ist die persönliche Indonesien-Reise damit abgeschlossen?

Zumindest die Trilogie ist damit abgeschlossen („Paradise Later“, „Jakarta Disorder“ und „Riding My Tiger“ sind Teil der Indonesien-Trilogie, Anm.). Momentan habe ich keine weiteren Pläne dort. Ein neues Filmprojekt wäre auch schwer zu finanzieren. „Paradise Later“ wurde sogar während „Jakarta Disorder“, also ohne Finanzierung gedreht. Als Halbprojekt nebenbei. Und bei „Jakarta Disorder“ hatten wir nur 40% von der notwendigen Summe finanziert bekommen. Deshalb hab ich keine große Hoffnung, dass es bald ein neues Indonesien-Projekt geben wird.

 

 

Jakarta Disorder“ - am 28. Juni 2014 Open-Air VOLXKINO – bei freiem Eintritt auf dem Ludo-Hartmann-Platz im 16. Bezirk. Beginn: 21 Uhr.

 

Und seit Juni in den österreichischen Kinos.

 

Info zur Person:

Der Filmemacher Ascan Breuer, geboren 1975 in Hamburg, lebt in Wien. Er beschäftigt sich mit den Themen Flucht, Freiheit, Migration, Macht und Emanzipation. Seine Filme liefen bereits bei der Berlinale, in Cannes und der Diagonale, sowie bei MoMA New York.

 

 

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