Imperator vs. Rocker

19. Juni 2008

    VS  

 

Das bevorstehende Viertelfinalduell Türkei – Kroatien ist nicht nur ein Aufeinandertreffen von „Morgenland gegen Abendland“ oder etwas martialisch ausgedrückt die „Schlacht von Wien“. Es stehen auch die zwei Trainer der Nationalmannschaften im Vordergrund, die verschiedener nicht sein könnten. Slaven Bilic, der Bassist einer Rockband, gerade mal 40 Jahre alt und Fatih Terim (Jahrgang 53) auf der anderen Seite, der erfolgreichste türkische Trainer aller Zeiten, aufgrund seines autoritären Führungsstils auch ehrfürchtig der „Imperator“ genannt. Beide standen im Laufe dieser EM nicht nur wegen dem Fußball in den Schlagzeilen. Slaven Bilic soll nach dem Österreichspiel seine Spieler mit Liedern eines gewissen Herrn Marko Perkovic a.k.a. „Thompson“ angestimmt haben (siehe dazu den ausführlichen Blog vor einer Woche), während der Imperator durch ultranationalistische Parolen von sich reden machte. Genauso wie vor den WM-Relegationsspielen gegen die Schweiz 2005 als Fatih Terim sich Verschwörungstheorien aus den Fingern saugte, um seine Spieler noch mehr zu motivieren. Schließlich ist eine Niederlage nicht ehrenvoll und es zähle nur der Sieg. Ein Triumph gegen ein europäisches Land wird in der Türkei auch als ein Sieg der nationalen Identität gefeiert. Dieser Umstand verdeutlicht schön das ambivalente Verhältnis zu Europa, einerseits auf Integration bedacht, andererseits Wert auf kulturelle Trennung. In Kroatien ist das Fußballspiel am Freitag natürlich auch keine rein sportliche Sache. Der junge Staat am Balkan ist erst seit 1991 unabhängig. Umso stolzer sind die Menschen auf ihre Spieler, die die Fahne mit dem Schachbrettmuster ehrenvoll in ganz Europa vertreten. Dieser begeisternde Patriotismus ist für jemanden aus Österreich total unvorstellbar und nicht nachvollziehbar. Gerade in Österreich, wo sich jeder gleich schuldig fühlt, wenn er mal die rot-weiß-rote Fahne euphorisch schwenkt. Patriotismus wird gleich mit Nationalismus gleichgestellt. Was dabei herauskommt, ist uns allen bekannt. Der „kleine Bruder“ Komplex tritt auf und das Ländermatch Deutschland – Österreich wird zu einer Kollektiv-Katharsis für eine ganze Nation.

Zurück zu den Trainern:

Beide haben bekanntlich ein sehr hitziges Temperament. Beide leben für den Fußball und zeigen dies auch auf der Seitenauslinie. Beide genießen eine unglaublich große Unterstützung aus ihren Heimatländern, die sie in ihrem Handeln bestärken. Bilic ist der junge, immer gut aufgelegte Rocker, mit gutem Aussehen und großem Herzen. Er wurde dieses Jahr als erster kroatischer Sportler zum Unicef-Botschafter ernannt. Das ist beeindruckend und schafft Respekt.

Fatih Terim hingegen verkörpert den türkischen Fußball wie kein anderer. Er gilt als erfolgreichster Trainer des Landes und als unantastbar. Das Erreichen der EM 1996 nach einer über 40-jährigen Abstinenz von Großwettbewerben war der erste Geniestreich des aus ärmlichen Verhältnissen abstammenden Arbeitersohnes. Als Galatasaray 2000 den Uefa Cup gewann, lenkte der Imperator die Geschicke im Hintergrund. Der dritte Platz bei der WM 2002 gelang selbstverständlich unter seiner Regie. Er ist jetzt schon eine lebende Legende in seinem Heimatland und genießt dort unglaublichen Respekt. Einwand gegen seine Aufstellung oder Taktik wird als Majestätsbeleidigung empfunden.

Diese beiden Persönlichkeiten könnten kaum verschiedener sein, nichtsdestotrotz verbindet sie sehr viel. Sie sind leidenschaftlich, leben für den Fußball und werden als Helden in ihrer Heimat gefeiert. Und am Freitag könnten sie ihren Ruf noch stärker einzementieren – bis in die Ewigkeit!

 

Kommentare

 

oder aber auch "einfrieren" - bis in die Ewigkeit :)
Terim ist bekannt für seine Kündigungsbekanntgaben, wenn es ihm nicht gelingt, seine Mannschaft voranzutreiben.

 

Na dann, möge der bessere gewinnen.

Super Artikel mein Freund

 

+

-- menschen sind gut, monster nicht --

 

sind einfach "Face" ;-) Was ich übrigens in Punkto Kleidungswahl bei beiden geil finde: Bilic hat meist den klassischen, grauen Anzug mit roter Krawatte an.
Terim hingegen hat zwar auch Hemd, Hose und Sakko an, aaaaber: Terim trägt keine Krawatte, das Hemd ist halb aufgeknöpft und das Sakko liegt auf der Ersatzbank. HaHa, einfach der Hammer ;-) Die Draufgabe ist, wenn er zum Fluchen anfängt und dabei die eigenen Assistenztrainer anstänkert hahaha als ob sie was dafür könnten! Ich freu mich schon aufs Match!

 

-- menschen sind gut, monster nicht --

 

kann ich den fatih terim ausstopfen und bei mir zu hause ins wohnzimmer aufstellen - so würde er mir auch für die ewigkeit gehören... ;o)))

 

-- menschen sind gut, monster nicht --

 

bist pervers oda wat??

 

Amar, super Blog! Macht sich echt fein auf der Homepage vom Kurier!

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