Risse im Beton - Chronik eines Ghettodaseins

18. September 2014

Am 19. September läuft Umut Dags Wiener Sozialdrama “Risse im Beton” in den österreichischen Kinos an. Verfilmte Realität, Milieustudie oder klischeebehaftete Fehlproduktion?

 

Eine Frau schlägt auf einen jüngeren Mann ein. Während sie ihn ohrfeigt, trieft jeder ihrer Schläge vor Hilflosigkeit und Wut. Der Mann wehrt sich nicht. Warum? Weil er ihren Sohn totgeprügelt hat. So beginnt “Risse im Beton”, der neue Film von “Kuma”-Regisseur Umut Dag mit einem überragenden Murathan Muslu und Alechan Tagaev in den Hauptrollen.

 

Der Trailer sowie etliche positive Kritiken versprechen einiges für den Spielfilm über das Aufwachsen und Leben als Migrant in den Wiener Randbezirken. Thematisiert werden die Probleme des Milieus: Spielhöllen, mangelhafte Deutschkenntnisse, fehlende Bildung, Kriminalität und Gewalt als Randhandlungen nebst einer komplizierten Vater-Sohn-Beziehung.

 

Keine Beschönigungen

 

Ertan kommt nach zehn Jahren für Totschlag und Drogenbesitz ausm Häfn und findet schwer Anschluss an sein altes Leben. Sein 15-jähriger Sohn Mikail hat die Lehre abgebrochen, vertickt Drogen, ist zum ersten Mal verliebt und werkelt an einem Rap-Mixtape. Ertan hackelt als Bauarbeiter im Jugendzentrum, in dem Mikail aufnimmt und sieht zu, wie sein Sohn dabei ist dieselben Fehler zu begehen wie er selbst.

 

Freilich ist das Drehbuch erfunden und extra emotionalisiert aber es ist nicht realitätsfern, denn die Story klingt sehr plausibel. Vielleicht für Leute aus Bonzenvierteln nicht zu glauben aber: Jep, so hart sieht’s außerhalb von Döbling und der Stadt aus. Keine Angst, man wird bei der Station “Alser Straße” nicht zwingend abgestochen. Aber Getue à la “Der Pate”

mit Ehre, Stolz, Familie, knallharte Revierkämpfe und eine dicke Haut braucht man in manchen Teilen Wiens tatsächlich zum Überleben.

 

Ficken, Dealen, Rappen

 

“Du kriegst dich von der Straße, aber du kriegst die Straße nicht aus dir” und Rap als einziger Ausweg aus dem Ghettodasein sind die womöglich einzigen klischeebehafteten Komponenten des Films  - aber diese Klischees kommen ja nicht von irgendwo her und sind in dieser homöopathischen Dosis auch völlig erlaubt.

 

Während sich die Burschen auf der Leinwand in astreinem “Kanakendeutsch” unterhalten, schaut die Frau neben mir im Kino ganz erstaunt und hält sich an ihrer Brille fest. Als gebürtige Favoritnerin denke ich mir “Was ist da jetzt so org? So redet man halt bei uns.” Fotze wird vielleicht nicht in jedem zweiten Satz verwendet und es ist auch nicht so, dass keine Sau Hochdeutsch kann aber “Bist du behindat, oida?” gehört eigentlich schon zum Standardrepertoir. Für mich war das alltäglicher Smalltalk, den ich jeden Tag am Reumannplatz höre und somit ein weiteres Plus für den Realitätscheck des Films.

 

“Risse im Beton“ überzeugt durch eine spannende, reale Story, differenzierte Charaktere und einer sauguten Darbietung der Schauspieler. “Einen guten Film kann man teilen, einen schlechten hat man alleine gemacht”, sagte Regisseur Umut Dag bei der Premiere. Fazit: Share it, Umut, share it!

 

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