"Türkenkinder" und Selbstjustiz

14. November 2014

"Türkenkinder ritzten einem Mitschüler ein Kreuz in den Rücken." las ich heute früh in meinem FB-Feed. Verfasser der Statusmeldung, unzensuriert.at, eine Website, die nach eigenen Angaben über Themen berichtet, die von "Mainstreammedien gar nicht oder nur wenig behandelt werden."

Obwohl ich die Bezeichnung "Türkenkinder" menschenverachtend und fremdenfeindlich finde, war ich nicht weiter schockiert. Schließlich kenne ich diesen Terminus aus heimischen Boulevardmedien. Und ja, unzensuriert.at, ist nicht gerade bekannt dafür, Schlagzeilen ethisch-sensibel zu verpacken. Ich möchte hier gar nicht auf den Wahrheitsgehalt der Meldung eingehen. (Quelle ist übrigens die "Krone") Jede Gewalttat ist zu verurteilen und jede Gewalttat macht mich traurig. Was aber an Kommentaren unter der Meldung zu lesen ist, löst nicht Trauer, sondern Scham in mir aus. Ich schäme mich, dass meine österreichischen Landsleute darin zu Selbstjustiz aufrufen und sich herausnehmen, mich nach erstem kritischem Kommentar nach Hause schicken zu wollen. ("Mein Zuhause ist hier. In Wien. Hauptstadt der Republik Österreich. Hier habe ich auch meine Matura abgeschlossen, das erste Mal ein Mädchen geküsst und lauthals "Immer Wieder Österreich" im Stadion besungen. 

 

Ich habe vorhin Selbstjustiz geschrieben? Richtig. Einzig bei den betroffenen Eltern würde ich diese Form von Rechtschaffung irgendwie nachvollziehen können. Was aber da scheinbar überhaupt nicht betroffene User von sich geben, ist zum Speiben. Eine Kostprobe: "Würd des wer mit meine Kinder mochn, würd i den Bastardvota ons Kreuz nogln, und de Mutter mit ihrem Kopftuach aufhängen!! Selbstjustiz wenn keiner hilft!", ...denen gehört der Halbmond ins Gesicht geritzt...elendige Bastarde..." oder "Mittlerweile bin ich schon Ausländer Feindlich !Diese Brut Darf ungestraft unsere Kinder quählen ,wo gibt es den so etwas . In ganz Österreich ,auf allen Schulen ,das selbe."

Das Phänomen ist bekannt: Im dunklen Kämmerlein lässt sich leicht stinken. Die Untiefen des Internets bringen immer wieder Trolle hervor, die in ihrer einfach gestrickten Welt nur zwei Kategorien kennen. Schwarz oder Weiß, gut oder schlecht, richtig oder falsch. Und deren Lösungsansatz ist ebenfalls einfach. Abschieben, ans Kreuz hängen oder andere Gehässigkeiten, die ich hier nicht verbeiten möchte. 

Diese Gehässigkeiten werden von großen Medien gerne verbreitet, sie werden sogar von ihnen generiert. Es gibt keine Woche im Jahr, in der ich keine menschenverachtenden Schlagzeilen lese. Fragt mal beim Presserat nach, der kann ganze Bücher füllen. Oder surft mal bei "unzensuriert.at" vorbei - der Name ist Programm.

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