„Wie in russischen Qualmbuden“

14. Dezember 2017

In sechs Wochen wählt Niederösterreich: SPÖ-Chef Franz Schnabl ärgert sich über den Tabak-Populismus von Kickl, Kurz und Strache, gesteht aber auch Fehler seiner Partei in der Migrationspolitik ein: „Die SPÖ hat das Thema lange verschlafen“.

von Simon Kravagna

Weil er persönlich seine Tochter bei einer Donnerstagsdemo gegen Schwarz-Blau im Jahr 2000 abgeholt hatte, fiel der damalige Chef der Wiener Sicherheitswache, Franz Schnabl, bei der Regierung unter Wolfgang Schüssel in Ungnade. Schnabl zog es vor, in die Privatwirtschaft zu wechseln. Nach langen Jahren bei Magna, zuletzt als Vice-President Human Ressources, übernahm das langjährige SPÖ-Mitglied 2017 den Parteivorsitz in Niederösterreich.

Plakat Franz Schnabl
SPÖ NÖ

BIBER: „Niemand ist für illegale Einwanderung. Nona“, steht auf einem Ihrer Plakate. Das ist ja ungewohnt ironisch für die SPÖ Niederösterreich.

Franz Schnabl: Das ist nur einer von 100 Slogans. Aber was wollen wir damit transportieren? ÖVP und FPÖ stilisieren sich als Bollwerk gegen illegale Einwanderung. Aber wer bitte ist schon für illegale Einwanderung? Das sind doch alles leere Überschriften ohne Inhalt.

Hat die SPÖ das Thema Migration und Flucht nicht völlig unterschätzt?

Ja, die SPÖ hat das Thema lange verschlafen. Uns soll das jetzt nicht passieren. Die Wähler haben die Sozialdemokraten lange nicht mehr als jene Sozialdemokraten wahrgenommen, die sie sich wünschen. Die Wähler erwarten von uns, dass wir für umfassende Sicherheit sorgen – in allen Bereichen. Das sind aber nicht nur die Bereiche Bildung, Arbeitsmarkt und Wohnen sondern auch die Bereiche Migration und Flucht. Da müssen wir gute Antworten haben.

SPÖ Niederösterreich
"Leere Überschriften": Schnabl im Biber-Interview, Foto: SPÖ

Und welche Antworten haben Sie, wenn wieder jemand sagt, es gibt zu viele Ausländer?

Wenn ich draußen bei den Leuten bin, nicken alle, wenn ich sage, dass wir Menschen helfen müssen, die Schutz brauchen. Gleichzeitig wollen die Leute auch, dass Menschen, die gegen Gesetze verstoßen, sanktioniert werden oder wieder gehen müssen. Toleranz und Sicherheit sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Beide gehören zusammen.

Ja aber nicht alle Flüchtlinge werden Asyl bekommen. Was soll mit denen geschehen?

Wenn jemand kein Recht auf Asyl hat oder bei uns nur subsidären Schutz bekommen hat, bis die Lage zu Hause wieder ok ist, dann soll er oder sie auch wieder zurückgehen. Aber er soll uns Österreicher gut in Erinnerung haben weil wir Schutzsuchende ordentlich behandeln. Und es schadet niemanden, Deutsch zu können. Das kann auch zu Hause hilfreich sein. Jeder Mensch versucht, sein Glück zu verwirklichen. Das ist legitim. Wenn man Migration nicht will, muss man auch für Perspektiven vor Ort sorgen – etwa in Nordafrika. Auch viele in Österreich sind in schlechten Zeiten ausgewandert. Ich denke etwa an die vielen Österreicher, die nach Amerika gegangen sind.

Die neue Koalition will, dass in Zukunft bis zu 12 Stunden am Tag gearbeitet werden kann. Sie waren lange in der Wirtschaft: Gut oder schlecht?

So wie mir die Regelung jetzt bekannt ist, läuft das alles nur darauf hinaus, dass keine Überstunden mehr ausbezahlt werden. Ich weiß nicht, was daran gut sein soll. Ja unsere Unternehmer sollten flexibel produzieren können. Aber muss das einseitig auf Kosten der Arbeiter und Angestellten gehen? Nein!

Rauchen sie eigentlich?

Gelegentlich. Beim Rauchen habe ich aber eine klare Meinung. Wenn die neue Regierung vom geplanten Verbot in Lokalen abzugehen ist das ein populistisch motivierter Rückschritt. Ich war als Magna-Manager international ständig unterwegs und überall hat man sich an die Nichtraucher-Lokale gewöhnt. Es kann nicht sein, dass bei uns weitergeraucht wird, wie in russischen Qualmbuden

Verspüren Sie durch Schwarz-Blau auf Bundesebene Rückenwind in Niederösterreich?

Nein. Mir wäre es wirklich lieber, wir würden erst im Juni wählen. Derzeit produziert die kommende Koalition nur schöne Überschriften. Und als nächstes gibt es mal die Home-Stories über die neuen Minister. Wenn das vorbei ist, wissen Kickl, Kurz und Strache sicher, wie sie populistische Akzente setzen können, um von den echten Problemen abzulenken. Es wird lange dauern, bis die Menschen merken, was da auf sie zukommt.

Was sind die echten Probleme?

Es ist kein Geheimnis mehr, dass wir durch die zunehmende Automatisierung und steigende Produktivität immer mehr Jobs verlieren. In seinem Buch „The second machine age“ geht der US-Autor Erik Brynjolfsso davon aus, dass am Ende dieser Entwicklung fünf Prozent der Menschen reichen werden, um all das zu produzieren, was wir brauchen. Auch wenn das noch fiktiv ist, die Menschen spüren bereits, dass hier etwas falsch läuft. Sie fürchten sich und wir müssen politisch handeln. Wir werden daher völlig umdenken müssen und sozialdemokratische Forderungen wie Erbschafts- oder Vermögensteuer werden unvermeidlich werden, um die soziale Balance zu wahren.

 

 

 

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