Der afghanische Johannes

29. April 2015

Einige Muslime aus Krisenländern konvertieren in ihrer neuen Heimat Österreich zum Christentum. Bessere Integration, Bekämpfung von Depressionen oder der friedliche Ruf sind die vielfältigen Gründe. Wir haben mit den drei Neo-Katholiken gesprochen.

von Tanya Kayhan

die afghanischen Katholiken, Foto: Tanya Kayhan
die afghanischen Katholiken, Foto: Tanya Kayhan

„Wenn ich mir Videos angesehen habe, in denen die Leute von Terroristen enthauptet wurden, fand ich das schrecklich und wollte etwas verändern“, erklärt der 34-jährige Johannes seine Entscheidung. „Ich habe jedoch keine Chance solche Menschen zu ändern, also habe ich das bei mir selbst getan und meinen Glaubensweg gewechselt.“ Nur Johannes‘ Familie weiß über seine Konvertierung Bescheid, Freunde und Bekannte nicht. Er fühlt sich unsicher, wenn die Leute über seine Konvertierung erfahren.

„In den letzten fünf Jahren konvertierten 32 Afghanen und 31 Iraner in der Pfarrkanzlei in Wien zum Katholizismus. „erklärt Alexander Kraljic, der in einer Wiener Kirche im Generalsekretariat arbeitet.

Johannes wohnt seit 2012 in Österreich, seine Familie lebt im Iran. Bisher hatten sie keine Möglichkeit, hierher zu kommen. Johannes Vater war ein afghanischer Kommandant der Hizb-e-Islame, eine dschihadstische gruppe. Er hatte den Krieg satt, weswegen er diesen Job nicht weiter führen wollte. Die Hizb-e-Islame, hat ihn daraufhin bedroht. Deswegen musste seine Familie Afghanistan verlassen.

„Kaafir“

Niko ist ein anderer afghanischer Flüchtling, der zum Katholizismus konvertiert ist. Der 41-Jähriger ist seit zwei Jahren in Österreich. „Als Muslim hatte ich immer ein schlechtes Gewissen und machte mir schwere Vorwürfe, wenn ich nicht fünf Mal pro Tag gebetet hatte“, beginnt Niko seine Geschichte. Niko ist einer von rund 70 Afghanischen Asylwerbern in Wien, die sich vom Islam verabschieden haben und zu Katholiken wurden. „Der Islam ist eine strenge Religion, nach den Überlieferungen des Propheten Mohammed ziehen Muslime den Zorn Gottes auf sich, wenn sie nicht beten.“ Das sei aber nicht der einzige Grund für seinen Religionswechsel: „Auch das Elend in den muslimischen Ländern haben mich vom Islam entfernt.“

Niko ist sein katholischer Name, seinen afghanischen wollte er nicht verraten. Er kommt aus Deikundi, einer Provinz in Afghanistan. Seit dreieinhalb Jahren wohnt er in Österreich, seine Familie lebt in Griechenland. Als er beschlossen hat zum Katholizismus zu konvertieren, war er zunächst unsicher, ob er mit seiner neuen Religion zurecht kommen wird. Doch nach der Annahme fühlte er sich glücklich. Er wurde von einigen afghanischen Bekannten „Kaafir“ , (zu Deutsch: Vom rechten Weg abgekommen) genannt. Seine Familie überließ ihm die Entscheidung.

Jesus als Therapeut

Aber nicht nur afghanische Muslime tauschen ihre Religion, sondern auch Muslime aus anderen Ländern. Imanuel, ein 23-jähriger Iraner, ist 2013 zum Katholizismus konvertiert. 2011 floh er nach Österreich, nachdem er wegen illegalen Waffenschmuggels angeklagt wurde und gehängt werden sollte.

Obwohl Imanuels Familie sehr religiös ist, hat sie seine Entscheidung respektiert. Einmal im Monat besucht er einen Gesprächskreis mit Konvertierten in der katholischen Kirche. Dieser hilft ihm, seine Einsamkeit zu überwinden. Denn die Einwanderung verursacht bei Asylwerbern ein Gefühl des Alleinseins. Die neue Kultur, die neue Sprache und die vollkommen fremde Menschen trennen die Asylwerber oft von dem Rest der österreichischen Gesellschaft.

 

EXPERTININTERVIEW

EDNAN ASLAN , PROFESSOR FÜR ISLAMISCHE RELIIONSPÄDAGOGIK 

biber: Darf man laut dem Koran die Religion wechseln?

EDNAN ASLAN: Über Konvertierung spricht der Koran nicht. Der Glaube ist eine persönliche Entscheidung und es gibt keinen Zwang im Glauben.

Gibt es Länder, in denen wegen einer Konvertierung die Todesstrafe droht?

Es sind einige Länder, die aus den Aussagen des Propheten solche Mordurteile ableiten können. So eine Todesstrafe kann zwar theologisch begründet werden, die aus meiner Sicht jedoch dem Sinn des Islam widerspricht.

 

Tanya Kayhan absolviert derzeit die biber-Akademie. Sie ist afghanische Journalistin, die seit vier Jahren in Österreich lebt. Deswegen einfach ein Auge zu drücken, falls ihr den ein oder anderen Fehler in ihren Blogs entdeckt. Aller Anfang ist schwer und ihr seid bestimmt auch keine Profis in Persisch, oder?

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