Es geht ums Elementare: „Ancestral Clouds. Ancestral Claims“ in der Kunsthalle Wien Karlsplatz

01. Dezember 2023

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Ausstellungsansicht: Denise Ferreira da Silva & Arjuna Neuman. Ancestral Clouds Ancestral Claims, Kunsthalle Wien 2023, Foto: Abiona Esther Ojo

Wie schreiben sich Geschichten von Gewalt, Ausbeutung und kolonialer Herrschaft in Orte ein? Unter anderem dieser Frage widmet sich das Künstler*innenduo Denise Ferreira da Silva und Arjuna Neuman in der Schau „Ancestral Clouds. Ancestral Claims“ in der Kunsthalle Wien Karlsplatz. 

Philosophin Denise Ferreira da Silva und der Autor und Filmemacher Arjuna Neuman stellen die Denk- und Beziehungsmuster zur Erde in Frage, die von der europäischen kolonialen Moderne geprägt wurden. Sie enthüllen, dass scheinbar selbstverständliche Kategorien und Unterscheidungen, wie die Trennung zwischen der Innerlichkeit des Subjekts und der äußeren Umgebung, auf einer tiefsitzenden ungleichen und rassistischen Welt beruhen. Begleitend finden sich im Ausstellungsbooklet eine Reihe von vertiefenden Essays und Interviews. Theoretikerin Ferreira da Silva lenkt in ihren Texten den Fokus auf das, was aus dieser rassifizierten globalen Wissens- und Existenzordnung ausgeschlossen wird. Welches scheinbar unbedeutende Material bildet die Grundlage für den Aufbau dieser Ordnung? Wie formen die Subjekte dieser Ordnung sich selbst und ihre Welt? Was ist für sie unwichtig? Was wird von dieser Ordnung ignoriert? Seit 2016 arbeitet das Duo zusammen an einer transdisziplinären Filmreihe, die ökologische, dekoloniale, kulturanthropologische und geographische Standpunkte miteinander verknüpft. Zentral in der Ausstellung wird das titelgebende Filmprojekt gezeigt sowie andere Filme, die in Reihe des „elementaren Kinos“ entstanden sind – das Elementare schwingt auch buchstäblich in Form der vier Elemente Feuer, Erde, Wasser und Luft mit.

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Ausstellungsansicht: Denise Ferreira da Silva & Arjuna Neuman. Ancestral Clouds Ancestral Claims, Kunsthalle Wien 2023, Foto: Abiona Esther Ojo

Vielstimmig und kritisch

In der Atacama-Wüste, Heimat einiger der größten Minen weltweit, untersucht der 49-minütige Film „Ancestral Clouds Ancestral Claims“ die lange Geschichte des Rohstoffabbaus von Salpeter, Kupfer, und Lithium, mit besonderem (Rück-)Blick auf die brutale Militärdiktatur unter Augusto Pinochet in Chile. Tragendes Element ist in diesem von der Kunsthalle Wien koproduzierten Film die Luft. Mit spektakulären Einstellungen zeigt er die Nutzung der leuchtend blauen Salares der Atacama, riesige Salzseen, die Lithium für die Herstellung von wiederaufladbaren Batterien und elektronischen Geräten gewinnen. Dieses Mineral spielt eine zentrale Rolle in der globalen Energiewende, bleibt aber in der Logik des „Extraktivismus“ verwurzelt – die Entwicklung von Chile und vielen anderen lateinamerikanischen Ländern basiert seit hunderten von Jahren auf den Export von Rohstoffen. Mit dem Element Luft als Träger von Stimmen, folgt der Film Spuren von der Sahara-Wüste, über den Amazonas, bis zum Rand der Pazifikküste. Ferner stellt das Künstler*innenduo Ferreira da Silva und Neuman auch die Frage nach einer Zukunft nach der Energiewende: Was kommt nach der historischen Ausbeutung menschlicher Ressourcen in Form von Zwangsarbeit, und der Ausbeutung der Umwelt? Zum Extraktivismus können Interessierte sich Künste an Open Study Sessions beteiligen, die im Rahmen des Masterprogramms Critical Studies der Akademie der Bildenden stattfinden. (siehe Link unten)

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Denise Ferreira da Silva & Arjuna Neuman, Ancestral Clouds Ancestral Claims, 2023, Filmstill, Courtesy die Künstler*innen

Freier Eintritt

In der anderen Filmarbeit „Serpent Rain“ – ebenfalls reich an visuell eindrucksvollen Bildern und poetischen, wie wissenschaftlichen Kommentaren – die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist, begeben sich Denise Ferreira da Silva und Arjuna Neumann filmisch nach Norwegen, auf die Spuren von kolonialer Beteiligung: Aufnahmen zeigen eine Zeichnung des Sklavenschiffs Fredensborg, das 1974 – fast 200 Jahre nachdem es gesunken war – vor der Küste Norwegens entdeckt wurde. In Interviews äußern sich die Taucher*innen, die an der Entdeckung beteiligt gewesen waren.

Kuratiert wurde die Schau von Andrea Popelka. Der Eintritt in die Kunsthalle Wien Karlsplatz ist frei. Alle Informationen zur Ausstellung und Rahmenprogramm finden sich hier.

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