Exklusiv: Ein Nafri schreibt für uns!

03. Januar 2017

Ali Rami

Woran denkt dieser Mann gerade? An eine Blondine vielleicht?
privat

Der Facebook-Feed ist voll von ihnen, sie sind täglich auf der Jagd nach blondem, germanischem Frischfleisch und  treten häufig in Gruppen von Tausenden auf. Die Rede ist von Nafris! Wir haben einen vom Rudel trennen können und wollten wissen - Wie ticken diese Nafris? Und können wir ihnen überhaupt entkommen? Ein Gastbeitrag von Ali Rami.

 

Nafris  - Eine Gefahr für uns alle?

Kennst du das? Du wachst in der Früh auf, streckst dich kräftig, schaust aus dem Fenster, während das Sonnenlicht dein Gesicht wärmt, und denkst dir: „Was für ein geiler Tag, um Frauen zu vergewaltigen“. Kennst du nicht? Dann bist du verschont geblieben. Geh zu deinen Eltern, küss die Hand und bedank dich bei ihnen für ihre genetische Abstammung. Kennst du doch? Ja dann möchte ich dir an dieser Stelle sagen: I feel you bro. Der unstillbare Durst nach blonder deutscher Frau, der unzähmbare Wilde in dir, deine Prädestinierung, ein Perverser zu sein. Das Schicksal meint es nicht gut mit uns.

Genug polemisiert. Schon Wochen vor Neujahr und der dazugehörigen Party in Köln berichtete die Polizei von „vermehrtem polizeilichem Aufgebot“. Man möchte, dass sich insbesondere Frauen vor Ort wohlfühlen, und werde dementsprechende Maßnahmen setzen. Wie diese Maßnahmen aussehen, das haben wir in den vergangenen Tagen gesehen. Voller Stolz kommuniziert die Kölner Polizei über ihren Twitter-Account, dass am Hauptbahnhof Hunderte „Nafris“ überprüft werden (Nafri steht für NordAFRIkaner). Einfach so. Es folgen weitere Spontandurchsuchungen am Hauptplatz. Es bleibt aber nicht dabei. Etliche „Nafris“ werden dann auch des Platzes verwiesen. Präventivmaßnahmen. Jemand, der nordafrikanisch aussieht, kann sich nicht beherrschen. Er kann nichts dafür, wir müssen ihn nicht nur vor sich selbst schützen, sondern vor allem unsere deutschen Frauen vor ihm. Dieser Gedanke liegt den Durchsuchungen zugrunde. Das ist ethnic profiling in Reinform und Rassismus in Urform. Dass ich das im 21. Jahrhundert überhaupt noch erläutern muss, ärgert mich zwar, wundert mich aber nicht.

 

Salonfähiger Rassismus

„Ist es dir lieber, wenn wir nordafrikanische Intensivstraftäter sagen?“


„Was soll daran falsch sein? Wenn die Polizei nichts macht, wird gemeckert, wenn sie durchgreift, wird gemeckert. Völlig richtig gehandelt. Bravo!“


„Es ist nun mal so, dass die Nordafrikaner zu diesen Straftaten neigen, das ist Fakt. Wenn ein Ei faul ist, wirft man die ganze Packung weg.“

 

Das sind Originalzitate aus Diskussionen, die ich seit gestern führe. Ich merke dabei immer, dass es vielen Nicht-Betroffenen besonders leichtfällt, das Vorgehen der Polizei zu legitimieren. Unweigerlich denke ich dabei an die #alllivesmatter Bewegung, die als Gegenpol zum #blacklivesmatter-Movement entstand. Selbstverständlich erscheint alles nur halb so schlimm, wenn man selbst nicht betroffen ist.

Ich möchte aber gar nicht auf den Inhalt der Zitate eingehen. Dies zu tun würde bedeuten, über Menschenrechte wie Gleichbehandlung und Gleichberechtigung zu debattieren und das mache ich aus Prinzip nicht. Wenn du offensichtliche Diskriminierung auf Basis zugeschriebener Merkmale – hier: nordafrikanisch = kriminell – legitimieren möchtest, dann sagt das mehr über dich aus, als über jene, die du zu markieren versuchst. Biologistische Erklärungen für das Verhalten von Menschen zu suchen und aufgrund dieser ganze Menschengruppen unter Generalverdacht zu stellen, das ist Rassismus per Definition.

Genau darum geht es auch bei der berechtigten Kritik an der Wortschöpfung „Nafri“, die es übrigens schon länger gibt. Nicht um den Begriff selbst – den find ich ganz niedlich – sondern um die Grundannahme hinter diesem Begriff.

Dass solche Ansichten mittlerweile von VertreterInnen unterschiedlicher „politischer Richtungen“ vertreten werden, das ist es eigentlich, was uns zu denken geben sollte. Rassismus ist längst kein Randphänomen und auch keines, welches lediglich „den Rechten“ zuzuschreiben ist.

Nichts Neues

Wir kennen ethnic & racial profiling schon vom „schwarzen Drogendealer“. In Ägypten, dem Land meiner Eltern, welches zum Teil auch mein Land ist, werden Männer mit Bart meistens registriert und verhört. Präventivmaßnahmen. Hipster hätten es in Ägypten also vermehrt mit dem sogenannten Muchabarat zu tun, dem ägyptischen Geheimdienst.
Was mich an diesem Vorfall besonders nachdenklich stimmt, ist nicht nur die Tatsache, dass das Vorgehen von den unterschiedlichsten Menschen legitimiert wird, sondern viel eher, dass auch ich – wäre ich vor Ort gewesen – durchsucht worden wäre. Das wäre nicht nur ethnic profiling sondern auch Freiheitsberaubung, also eine Handlung gegen die Grundrechte. Ironischerweise war ich zu der Zeit auch in Deutschland. Wollte die Schwarzwald-Region erkunden und war dort wandern. Beim Überqueren der deutsch-schweizerischen Grenze bin ich
drei von drei Mal durchsucht worden. Aussteigen, vors Auto, in der Kälte warten, Geldbörse durchsucht, Namen im Computer eingegeben. Auf die Nachfrage, ob das mit allen so gemacht wird, die so aussehen wie ich, wurde mir ganz nüchtern erwidert: „Das hat nichts damit zu tun“. Glück gehabt, dachte schon, es läge an meinem Aussehen. Aber auch das: Alles nichts Neues. Ich bin es gewohnt und ich handhabe es meistens mit Humor.

Bleibt da nur noch dieses dreckige Gefühl, das mit dieser perversen Unterstellung einhergeht, nämlich, dass ich und „meinesgleichen“, wären wir in Köln gewesen, mit Gewissheit deutsche Frauen sexuell missbraucht hätten. Absurd, vor allem wenn man bedenkt, dass eigentlich gar keine deutschen Frauen dort waren. Die sitzen alle bei uns an der Universität Wien.

Zur Person:

Rami Ali hat Politik- und Islamwissenschaften studiert und ist Trainer und Vortragender. Er war bis 2016 am Institut für Islamische Studien der Universität Wien tätig und arbeitet aktuell in der Jugend- und Erwachsenenbildung, der Flüchtlingsarbeit und der Extremismusprävention. Er ist außerdem Co-Founder von Politikos, einer Plattform für politische Partizipation und lösungsorientierte Politik.
 

 

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Kommentare

 

Twitter-Artikel der Polizei beschreibt die Personen, die sich verdächtig verhalten haben und deswegen kontrolliert wurden, als "Nafris". Er beschreibt nicht, dass Personen kontrolliert worden wären, weil sie "Nafris" sind.

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