Frauenvolksbegehren 2.0: „Die Lage hat sich zugespitzt“

03. Mai 2017

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Frauenvolksbehren Initiatorinnen
© Kristina Satori - Sprecherinnen des Frauenvolksbegehrens "Jetzt erst recht"

Vor kurzem wurde das Frauenvolksbegehren 2.0 unter dem Motto „Jetzt erst recht“ präsentiert. Was damit bewirkt werden soll und warum es diesmal besser funktionieren wird als vor 20 Jahren, erklärt Mitinitiatorin Teresa Havlicek im BIBER-Interview. 

BIBER: Warum wird das Frauenvolksbegehren unter dem Motto „Jetzt erst recht“ jetzt ins Leben gerufen?

HAVLICEK: Das passierte aus der allgemeinen Stimmung heraus. Frauenrechte wurden in letzter Zeit immer wieder in einem Kontext diskutiert, der vielen Frauen nicht gefallen hat. Die Lage hat sich weiter zugespitzt, indem immer mehr Frauen, die sich öffentlich politisch geäußert haben, mit Einschüchterungsversuchen konfrontiert wurden. Von Vergewaltigungs- bis Morddrohungen haben wir alles erlebt. Tatsächlich ist es so, dass sich die letzten 20 Jahre nichts bewegt hat, was Frauenrechte anbelangt. Für viele Frauen war schließlich ein Punkt erreicht, an dem sie gesagt haben, wir wollen jetzt wirklich etwas Frauenpolitisches bewegen.      

Schon 1997 gab es ein Frauenvolksbegehren mit 645.000 UnterstützerInnen und dennoch wurden nur zwei von elf Forderungen umgesetzt. Woran scheiterte es?

Es scheiterte damals ganz eindeutig am Willen der Politik. Die Frauen vom ersten Frauenvolksbegehren haben eine wahnsinnig tolle Arbeit geleistet, auf der wir nun aufbauen können. Sie haben breit mobilisiert und gezeigt, dass es einen Willen in der Bevölkerung für mehr Frauenrechte gab. Dass es dann nicht geschafft wurde, etwas umzusetzen, ist eine wahnsinnige Absage an die Politik von damals.

Das Frauenvolksbegehren 2.0 gibt 100.000 Unterstützungserklärungen als Ziel an, um einerseits im Nationalrat behandelt werden zu müssen und andererseits eine breite Debatte anzustoßen. 645.000 UnterstützerInnen konnten 1997 nicht viel bewegen. Warum wird es diesmal anders sein?

Ich weigere mich zu sagen, dass nur weil es einmal nicht funktioniert hat, wir es nicht nochmal probieren können. Es ist eine neue Generation an Frauen am Werk. Wir haben heute neue Herausforderungen, aber auch neue Chancen durch breitere Mobilisierungsmöglichkeiten wie dem Internet. Die globale politische Lage hat uns gezeigt, dass viele Frauen unzufrieden mit der aktuellen Situation sind. Wir haben das etwa anhand des „Women’s March on Washington“ am Tag nach der Inauguration von Donald Trump gesehen. Ich glaube, dass wir diesen Spirit auch nach Österreich bringen können.

Die Forderungen des Begehrens beinhalten mitunter Gratisverhütung, Frauenquoten in Politik und Wirtschaft, Mindestlohn in Höhe von 1.750 € brutto, Arbeitszeitreduktion auf 30 Stunden pro Woche und eine kostenlose, flächendeckende, ganztägige Betreuung für Kinder. Wie realistisch ist es, all das auch tatsächlich zu erreichen?

Was man an unseren Forderungen und der Debatte erkennen kann, ist, dass Frauenpolitik immer eine komplexe Sache ist, die in viele verschiedene Themen mit hineinspielt. Manche unserer Forderungen sind absichtlich visionär gedacht wie etwa die flächendeckende, ganztägige Kinderbetreuung. Diese lassen sich nicht gleich morgen umsetzen. Andere sind wiederum ganz konkret und würden sich extrem schnell umsetzen lassen, weil es zum Teil wirklich dringenden Handlungsbedarf gibt, wie zum Beispiel bei den Alleinerziehenden und dem Unterhaltsvorschussgesetz. Als BürgerInnenbewegung sehen wir uns jedoch in der Rolle visionär zu denken und Druck aufzubauen. Zurückdrosseln wird sich die Politik dann immer von selbst.

Besteht die Gefahr, dass eine Quotenregelung für gewählte politische Gremien und hohe Positionen in staatlichen und börsennotierten Unternehmen, wie Sie es fordern, als diskriminierend gegenüber Männern wahrgenommen werden könnte?

Es wäre absurd zu sagen, dass unser jetziges System alleine Leistung fördert. Dass alle Leute in Entscheidungspositionen nur dorthin gekommen sind, weil sie die Besten in ihrem jeweiligen Feld sind, wage ich zu bezweifeln. Die Strukturen belohnen mitunter andere Dinge: Zum Beispiel typische Verhaltensweisen, die eher Männern anerzogen werden. Oder auch der Umstand, dass man gerne Leute befördert, die einem ähnlich sind, favorisiert Männer. Eine Quotenregelung sehen wir als Möglichkeit, diese bestehenden Strukturen und Belohnungssysteme auszuhebeln. Wir haben 52 % Frauen in der Bevölkerung und diese sollten auch dementsprechend an wichtigen Entscheidungen beteiligt werden.

Viele Leute sehen das Kopftuch als Zeichen der Unterdrückung von Frauen. Wie steht das Frauenvolksbegehren dazu?

Das Frauenvolksbegehren will eine Kultur forcieren, die weibliche Körper im öffentlichen Raum nicht länger zur Diskussion stellt. Es muss egal sein, ob man sich sexy anziehen möchte oder lieber ein Kopftuch trägt.

Schon 1997 gab es laute Stimmen, die betonten, dass viele Forderungen des Begehrens praktisch nicht umsetzbar seien. Auch jetzt werden wieder Stimmen vorwiegend aus wirtschaftsliberalen Kreisen laut, die viele Forderungen als illusorisch betrachten. Hat man nicht versucht auf die Kritik aus der Vergangenheit einzugehen?

Nur weil manche Leute 1997 gesagt haben, die Forderungen wären zu teuer, hätten wir jetzt billigere Forderungen stellen sollen? Unser Ziel ist es nicht, so wenig wie möglich anzuecken, sondern einen Diskurs loszutreten. Ja, das sind Forderungen, die etwas kosten, aber es ist nicht unsere Aufgabe zu berechnen, wie die Regierung das finanzieren kann. Unsere Aufgabe ist es, eine Stimme für möglichst viele in der Öffentlichkeit schlecht hörbare Menschen zu sein. Wir zeigen Problemstellungen auf, die in den letzten zwanzig Jahren einfach ignoriert wurden.

Monika Köppl-Turyna von „Agenda Austria“, einer wirtschaftsliberalen Denkfabrik, hat das neue Frauenvolksbegehren in einem Gastkommentar in der Zeitung „Der Standard“ massiv kritisiert. Sie meinte, die neuen Forderungen kämen einem „Arbeitsplatzvernichtungsprogramm“ gleich. Der Mindestlohn von 1.750 € würde ca. 16.000 Jobs kosten und das vorwiegend im Niedriglohnsektor. Das würde wiederum besonders hart Frauen treffen. Auch würde eine Arbeitszeitreduktion auf 30 Stunden pro Woche die Personalkosten massiv in die Höhe treiben, was sich viele kleinere Unternehmen in der Folge nicht mehr leisten könnten. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?

Ich habe den Kommentar gelesen und fand, es war relativ kurz gegriffen zu sagen, ein Mindestlohn kürze 16.000 Jobs. Was sie nicht miteinberechnet hat, war zum Beispiel die Beschäftigungsquote, die aufgrund der 30 Stunden-Regelung durchaus steigen würde. Man kann nicht verlangen, dass Frauen weiterhin für einen Lohn arbeiten sollen, von dem sie kaum leben können. Das betrifft nun mal viele Frauen, die in der Tourismusbranche, im Handel, in der Kosmetikbranche tätig sind. Wir müssen Lösungen finden, damit sich Arbeit auch für diese Frauen auszahlt.

Wäre es eine Alternative, die Kollektivverträge in diesen Branchen anzuheben?

Wir glauben, dass das in einem weiteren Schritt wichtig wäre. Die Arbeit von Frauen wird oftmals niedriger bewertet als jene von Männern, was man sehr gut anhand der Kollektivverträge in den verschiedenen Branchen erkennen kann. In einem ersten Schritt, sehen wir es trotzdem als sinnvoller an, einen Mindestlohn festzulegen.

Monika Köppl-Turyna meint außerdem, dass lange Abwesenheiten vom Beruf, wie es in der Karenzzeit häufig bei Frauen vorkommt, vorwiegend für den Gender-Pay-Gap verantwortlich sind. Die Karenzzeit wird in ihren Vorschlägen jedoch nicht behandelt. Liegt das daran, dass die Ausweitung dieser auf zwei Jahre ein Erfolg des Frauenvolksbegehrens vor 20 Jahren war?

Wir haben darüber nachgedacht, eine Karenzforderung miteinzubauen, sind aber zu dem Schluss gekommen, dass es absurd wäre über Karenzzeiten zu sprechen, solange wir keine flächendeckende, ganztägige Kinderbetreuung haben. Wir wollen Frauen nicht in die Pattstellung bringen, dass sie zurück in den Beruf müssen, bevor sie eine Möglichkeit haben, ihre Kinder adäquat und pädagogisch hochwertig betreuen zu lassen. Daher hat es höchste Priorität für uns, Kinderbetreuung auszubauen. Danach können wir auch über Karenzzeit sprechen.

Dass Gendern nicht bei allen auf Verständnis trifft, beweist der nach wie vor große Widerstand gegenüber der „gegenderten“ Bundeshymne. Mit wie viel Widerstand ist dann erst bei „großen“ frauenpolitischen Themen zu rechnen?

Auf Widerstand werden wir immer treffen, weil wir ein bestehendes System verändern wollen. Das ist anstrengend und hart, sonst wäre bereits alles verändert. Aber dafür sind wir schließlich da.

Zur Person: Teresa Havlicek (ganz links auf dem Bild), 28, ist freie Journalistin mit Fokus auf Politik und Frauen*rechte. Gemeinsam mit Schifteh Hashemi (mittig am Bild) und Maria Stern ist sie die Stimme für die Kampagne des neuen Frauenvolksbegehrens.

Wer sich die 15 Forderungen des Frauenvolksbegehrens im Detail anschauen möchte, findet diese auf der Website http://frauenvolksbegehren.at/. Euch gefallen die Forderungen und ihr möchtet für die auf Crowdfunding angewiesene Kampagne spenden? Auch das ist direkt auf der Website möglich.

 

 

 

 

 

 

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