"Große Zeitungen spielten den Regierungen in die Hände"

07. Dezember 2015

screenshot.png

Tawanda Kanhema
Tawanda Kanhema

FLÜCHTLINGSKRISE. Dieses Wort lauert seit Monaten hinter jedem Zeitungsstand, stets bereit, unbescholtene Augenpaare anzuspringen. Redaktionen weltweit befassen sich mit der Flucht nach Europa. Doch wie schlagen wir Journalisten uns dabei? Wie beeinflussen wir Meinungen und Politik, wenn überhaupt? Ich wandte mich an einen Experten. 

Tawanda B. Kanhema ist Produzent bei AJ+ und berichtet seit 14 Jahren über Migration und Flucht, die letzten 1,5 Jahre war er bei Al Jazeera. Viele seiner Storys drehen sich um Migration und Flucht. Letzte Woche besuchte er Wien, um an der Debatte "Refugees, Media & International Law" teilzunehmen. Ich traf ihn auf einen Kaffee, um unserer Branche ein Halbjahreszeugnis ausstellen zu lassen. 

Herr Kanhema, seit Monaten liest man in jeder Zeitung das Wort "Flüchtlingskrise". Was halten Sie von diesem Begriff?

Erst seit Kurzem benutzen wir das Wort „Krise“. Es gab Meilensteine, Vorkommnisse, wie das Massensterben im Mittelmeer. Erst dann wurde es eine „Krise“, doch all das passiert schon sehr, sehr lange.

Es braucht also tragische Vorkommnisse, um Migration und Flucht in den öffentlichen Diskurs zu bringen?

Ja, dabei war die Situation seit jeher tragisch. Der Bürgerkrieg in Syrien brach vor 5 Jahren aus. Wir diskutieren das erst jetzt als „Krise“, weil es an unseren Ufern ankommt, weil tausende Syrer plötzlich am Wiener Bahnhof stehen. Doch es war tragisch seit Tag 1.

Welche Rolle spielten die Medien dabei?

Eine signifikante, doch erst nachdem all diese Menschen ertranken. Die Medien reagieren auf den öffentlichen Aufschrei, auf all die Posts im Netz, nicht auf die Flüchtlingskrise selbst. Redakteure sehen einen Trend auf Twitter, wie #welcometoeurope. Für ihre Storys suchen sie dann Narrative, in denen sich – in diesem Beispiel - Freiwillige für Flüchtlinge engagieren.

Also Markt- und Konsumentenanalyse?

Genau. Man hört dem Internet zu.

"Das war ein Narrativ des Volkes."

Sie erwähnten, dass wir Journalisten zu spät über diese Missstände berichtet hätten. Welche Rolle hätten wir Ihrer Meinung nach spielen sollen?

Als Journalisten tragen wir Verantwortung. Als wir 2014 sahen, dass 3400 Flüchtlinge ertrinken, hätten wir an diesem Punkt über internationales Recht sprechen sollen. Über die Pflichten der europäischen Staaten, Flüchtlinge zu akzeptieren und sichere Fluchtwege zu garantieren. Doch was sahen wir? Große Zeitungen spielten den Regierungen in die Hände. Sie benutzten das Wort „Migranten“, kehrten somit das Leid dieser Menschen unter den Tisch. Kriegsopfer wurden als Kriminelle dargestellt. So war es für die nationalen Regierungen ein Leichtes, sich vor ihren Pflichten zu drücken.

Doch das Narrativ änderte sich. Sobald diese Bilder im Netz ankamen, erreichte die öffentliche Meinung eine kritische Masse. „Wie können wir in Griechenland und Spanien am Strand liegen, während Leichen angespült werden?“. Es kam zum Clash. „Spanische Regierung bekämpft kriminelle Migranten“ wurde zu „Spanische Regierung weist Flüchtlinge ab“. Dieses zweite Narrativ, das war ein Narrativ des Volkes. Und die Medien haben das aufgegriffen. Jetzt müssen Regierungen geradestehen, wenn sie Flüchtlinge abweisen oder Zäune errichten.

Wie viel Macht haben wir wirklich?

Wir beeinflussen die öffentliche Meinung, doch wir überschätzen uns auch gerne. Sehen Sie sich an, wie die Flüchtlingskrise in den USA diskutiert wird. Mindestens 27 republikanische Govenors sagten, ihre Staaten würden keine Flüchtlinge aufnehmen. Governors haben gar nicht die Macht, darüber zu bestimmen. Doch ihre Aussagen beeinflussen die öffentliche Meinung, sie peitschen die Stimmung gegen Flüchtlinge hoch. 

Gerade bei Integration ist die öffentliche Stimmung besonders wichtig, oder? Stichwort Zivilgesellschaft.

Ja. In Wien fiel mir dieses zivile Engagement besonders auf. Diese Menschen errichteten Suppenküchen und Wi-Fi in den Bahnhöfen, und auch damit beeinflussen sie den Diskurs. Damit lassen sie der Regierung keine Wahl. Man kann niemanden deportieren, der vom Volk dermaßen willkommen geheißen wird.

"Internationales Recht sticht nationale Gesetze."

Was könnten wir Journalisten besser machen?

Wir sind zu zurückhaltend, wenn es darum geht, Gesetze und Autorität zu hinterfragen. Ungarn sollten wir zum Beispiel fragen: „Wir sehen ja ein, dass eure Verfassung dazu verpflichtet, eure Grenzen zu schützen. Doch was ist mit euren Pflichten unter internationalem Recht?“. Wenn Menschen vor Krieg fliehen, ist es Pflicht laut internationalem Recht, diese Menschen aufzunehmen. Internationales Recht sticht nationale Gesetze. Diese Fragen stellen wir viel zu zögerlich, viel zu spät.

Als Angela Merkel damals einem syrischen Mädchen im Fernsehen erklärte, dass die Kleine wieder heim müsse und dass Deutschland nicht alle syrischen Flüchtlinge aufnehmen könne, hielten wir unsere Kameras drauf – und das war’s! Wir hätten damals schon nachhaken sollen.

Merkel hat ihre Meinung danach dramatisch geändert…

Ja, unter anderem wegen all der negativen Presse. Diese Krise hat auch etwas Gutes. Wir haben die Macht der Öffentlichkeit erlebt. Sie veränderte die Berichterstattung, und schließlich beeinflusste sie sogar die Politik.

Blogkategorie: 

Kommentare

 

Liebe Österreicher! Es ist eine Realität: Unter den Flüchtlingen sind auch Jihadisten, Kriegsverbrecher, Mörder und Diebe. Aber sie werden gefunden und verhaftet! Auch unter den Flüchtlingen des Krieges in Ex-Jugoslawien waren solche dabei – und wir haben es ausgehalten! Ausserdem sind die meisten Jihadisten in Österreich keine Flüchtlinge, sondern Österreicher die aus dem Jihad in Syrien längst zurückgekeht sind! Und beobachtet werden!

Liebe Flüchtlinge! Nicht alle von uns sind von eurer Ankunft begeistert, aber ich kann euch versichern, es ist eine Minderheit, die euch hasst. Wir wissen, dass wir euch vor vier Jahren die Hilfe gegen Diktatur und religiösen Wahn verweigert haben und das ihr deswegen heute hier seid! Wir wissen auch wer dafür verantwortlich ist: Unsere grenzdebilen Politiker, die nicht weiter denken können, als bis zur nächsten Wahl. Damit meine ich SPÖ, ÖVP und GRÜNE! Und : Ja! Es ist wahr: Es gibt hier auch eine Nazi-Partei, die euch und alle, die nicht bleich und blauäugig genug sind, nach Madagascar schicken will.

Liebe Österreicher! Ihr müsst nicht "die Muslime" fürchten. Was ihr zum Fürchten finden solltet sind dogmatische Ideologien, die Ausschließlichkeit, Alleinbesitz der Wahrheit und Immunität gegen Kritik für sich in Anspruch nehmen. Also Nazismus, Faschismus und die drei monotheistischen Religionen. Das Christentum ist genausowenig eine Religion der Nächstenliebe – da könnt ihr die Ureinwohner Lateinamerikas fragen, wie sie zu Christen gemacht wurden – wie der Islam eine Religion des Friedens ist. Da könnt ihr die Flüchtlinge selbst fragen, vor wem sie da fliehen. Und genausowenig sind Nazismus (copyright: Adolf Hitler, römisch-katholischer Österreicher) und Faschismus (copyright: die katholische Rechte) Ideologien die zum Besseren der Menschheit wirken.

Liebe Flüchtlinge! Ihr und eure Religion sind hier willkommen! Weil wir eine gottlose Verfassung haben und weil gottlose Humanisten dafür gesorgt haben, dass unsere Religion (fast) nicht mehr Politik machen kann und weil gottlose Humanisten die Religionsfreiheit für alle gegen den Widerstand unserer Religion erfunden haben. Und: Ja! Auch im heiligen Buch der Christen steht, dass man gewisse Menschen ermorden soll/darf/muss. Dass sind die selben, die auch in eurem heiligen Buch Vogelfreie sind: Hexen, Homosexuelle, Ungläubige, Andersgläubige und Apostaten. Allerdings haben wir unsere Religiösen gebändigt. Ihr werdet willkommen bleiben, wenn ihr eure Religiösen bändigt. (Ich weiß, den Jihadist unter euch, der neulich verhaftet wurde, habt ihr selbst den Behörden angezeigt – macht weiter so!)

Liebe Österreicher! Mauern und Zäune halten nur die Schwachen auf: Kinder, Frauen, Alte. Junge zornige Männer klettern über jeden Zaun und jede Mauer. Aber genau die Frauen, Kinder und Alte – also die Schwächsten – sind doch diejenigen, welchen geholfen werden soll und muß! Zäune und Mauern verhindern genau das! Ihr habt jetzt die Chance einer ganzen Generation von Muslimen zu zeigen, dass ihr nicht so seid, wie in allen islamischen Ländern gesagt wird – also kreuzfahrende Arschgesichter. Ihr habt jetzt die Chance eine Generation von Muslimen mit Humanismus und Gleichberechtigung unter den Menschen zu impfen. Verpasst diese Chance um Himmelherrgotsmarantjosef Willen nicht!

Liebe Flüchtlinge! Ihr flieht zu uns – und nicht in den Sudan, Lybien, Marokko usw. - weil ihr wisst, dass bei uns Demokratie und Religionsfreiheit echte Werte sind, verankert in Geist, Gesetz und Verfassung der Einwohner. Mein Rat ist: Lasst gewisse Sachen in Syrien. Ich meine Zwangsheirat, Ehrenmord, Minderstellung der Frau, Homophobie und alle Suren des Korans die aus der späten Medina-Periode Stammen. Haltet euch – wie die meisten Muslime – an die Suren aus der Mekka-Periode. Und vergesst vor allem eines: Dass Gottes Gesetze über den Gesetzen von Menschen stehen. Es ist umgekehrt!

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Zum Abschied gibt es kein Trompeten­...
Foto: Marko Mestrović
Ob Hijabi-Style, koschere Perücken oder...
Foto: Marko Mestrović
Nicht über die Communitys zu sprechen,...

Anmelden & Mitreden

2 + 14 =
Bitte löse die Rechnung