Kriminalstatistik mit Tücken

09. März 2017

Ausländer und Asylwerber kommen nicht gut weg in der unlängst veröffentlichten Kriminalstatistik für das Jahr 2016. Die Zahl der Anzeigen stieg im Vergleich zum Vorjahr und Innenminister Sobotka möchte mehr Polizisten für seine geplante Hochsicherheitsfestung Österreich. Doch ist es tatsächlich so schlimm? - Ein genauerer Blick.

Kann man sich auf den Straßen Wiens noch sicher fühlen? Sollte man lieber doch einen Blick über die Schulter werfen? Die neu erschienene Kriminalstatistik für 2016 gibt darüber Aufschluss. Um 3,8 % stiegen die Strafanzeigen gegenüber dem Vorjahr an, vier von zehn Straftaten wurden von Ausländern begangen und 8,3 % der Straftaten verbuchten Asylwerber auf ihr Konto. Jede dieser Straftaten ist zu verurteilen und darf auch nicht relativiert werden. Eine falsche Reaktion darauf hilft jedoch nicht die Zahl in der Zukunft zu reduzieren und könnte darüber hinaus ein gefundenes Fressen für die FPÖ und Sicherheitsfans wie Innenminister Sobotka sein.

Wenn man die Zahl der Straftaten von vor zehn Jahren betrachtet, sieht man, dass die Anzeigen um 9,3 % im Vergleich zu 2006 sanken. Und die Ausländer, die vier von zehn Straftaten auf ihre Kappe nehmen, werden von den Deutschen gehörig aufgemischt. Diese befinden sich im Rennen um die meisten angezeigten Straftaten auf Platz zwei und dürften nicht dem klassischen Ausländerbild entsprechen, das der Durchschnittsösterreicher vor Augen hat und die FPÖ auch immer wieder gerne zeichnet.

Bei den Asylwerbern spielen mehrere Faktoren mit, die berücksichtigt gehören. 8,3 % wirken viel für eine nicht allzu große Gruppe, doch sind sie mehrheitlich in einem Alter, welches statistisch gesehen besonders anfällig für Straftaten ist. Viele ihrer Verbrechen sind leichte Körperverletzungen, die sie zu 60 % anderen Asylwerbern zufügen. Das passiert wiederum, weil die allermeisten von ihnen dazu gezwungen sind, aufgrund horrender Wartezeiten für ihre Asylbescheide ziel- und planlos in den Tag hineinzuleben. Da kann sich schon mal viel Wut und Frust sammeln, die dann in Dummheiten enden. Das ist natürlich schärfstens zu kritisieren, doch sollte die Wurzel des Problems bekämpft werden, nicht das Symptom. Innenminister Sobotka möchte 1.500 zusätzliche Polizisten als Reaktion auf diese Kriminalstatistik beschäftigen. Dieses Geld könnte jedoch viel nützlicher investiert werden, indem dafür gesorgt wird, dass die Asylbescheide schneller bearbeitet werden, den Antragstellern eine Betätigung während ihrer Wartezeit geboten wird und ihnen ausreichend Deutschkurse zur Verfügung gestellt werden. Das würde den Asylwerbern einen Ausweg aus ihrem zermürbenden Trott ermöglichen. Damit wäre ein erster Grundstein gelegt, potentielle zukünftige Verbrechen zu reduzieren.

Eine Frage der Perspektive

Statistiken sind oft eine Frage des Blickwinkels. Ist die Anzeigebereitschaft der Österreicher gestiegen oder wurden gar neue Gesetze, wie der „Pograpsch-Paragraf“, eingeführt, so ist ein Anstieg an Anzeigen nicht unmittelbar als negativ zu bewerten. Es scheinen dadurch lediglich Verfehlungen auf, die früher ungeahndet blieben. Innenminister Sobotka könnte es trotzdem mit Leichtigkeit schaffen, diese Daten als bedrohlich auszulegen. Damit würde die Akzeptanz in der Bevölkerung für strengere Sicherheitsvorkehrungen steigen und ein damit einhergehender Verlust an Freiheit vorangetrieben werden. Wenn sich Österreicher tatsächlich unsicher fühlen, sollten sie lieber auf zielführende Lösungsansätze pochen und vor allem ihre Beziehungen zu Familie und Freunden hegen und pflegen. Zwei Drittel aller Gewaltdelikte passieren nämlich genau da: im näheren Beziehungsumfeld.

Auf den Straßen Wiens muss der Blick über die Schulter nicht zwingend sein. In den eigenen vier Wänden schon eher. Es könnte bereits der Opa mit der Bratpfanne oder die Freundin mit dem Brieföffner auf einen warten.

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