„Nicht jeder Moslem ist ein Koran auf zwei Beinen.“

27. Oktober 2015

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Hamed Abdel-Samad
Foto: Droemer Knaur

Hamed Abdel-Samad, prominenter ägyptisch-deutscher Islamkritiker, stellt diese Woche sein Buch „Mohammed. Eine Abrechnung“ in Österreich vor. Er erläutert im Gespräch mit Biber die Beweggründe für seine persönliche „Abrechnung“ mit dem Propheten der Muslime. Es zeichnet das Bild eines kritikunfähigen Religionsstifters mit Wahnvorstellungen und Paranoia, dessen „legitime Kinder“ heute islamistische Terrororganisationen seien. 

von Simone Egarter (Mitarbeit: Ata Demirel)
 

Biber: In Ihrem neuen Buch versuchen Sie zunächst die Lebensgeschichte Mohammeds und die Entstehung des Islams zu veranschaulichen. Sie sagen, Mohammed ist vor 1400 Jahren gestorben, aber nie begraben worden, was meinen Sie damit?

Hamed Abdel-Samad: Ich meine, er ist die einzige historische Figur, die bis heute auf Gesetzgebung, Politik, ethische Grundsätze und das Zusammenleben in der Welt einwirkt. Durch die Unantastbarkeit Mohammeds und die Verehrung der Person Mohammeds als absolutes Vorbild – moralisch und religiös – hat er heute noch so viel Macht in unserer Welt.
 


Sie meinen, der Prophet des Islam, Mohammed, legte den Grundstein für Terrororganisationen wie den IS oder Boko Haram?

Es gibt nicht nur eine Ursache für die Entstehung solcher Organisationen. Geopolitische, soziale und auch wirtschaftliche Gründe spielen eine Rolle, so wie ethnische Spannungen in den Regionen. Aber Mohammed und der Werdegang des Islam liefern die direkte Legitimation für diese Organisationen. IS, Boko Haram, Hamaz, Hizbollah und Al-Qaida sind legitime Kinder dieses Werdegangs. Es gibt nichts was IS heute tut, das Mohammed und seine Nachfolger nicht getan haben. Eroberungskriege, die Enthauptung von Kriegsgefangenen, die Vertreibung von Ungläubigen, der Weltherrschaftsanspruch, der Umgang mit Frauen und Frauen als Kriegsbeute: all dies hat Mohammed zuerst getan.

 

„Wer den Islam kritisiert wird umgebracht.“

 

Sie schreiben: „Wie der neugeborene Islam hat die Mafia ein Machtvakuum mit Gewalt, Einschüchterung und strengen Regeln gefüllt“. Ist der Vergleich einer Religionsgemeinschaft, deren Mitglieder zum größten Teil friedliebende Gläubige sind, mit dem organisierten Verbrechen legitim?

Ich vergleiche nicht den Islam von heute mit der Mafia von heute, sondern die Entstehungsgeschichten des Islams und der Mafia. Da gibt es viele Parallelen. Das Machtvakuum im Arabien des siebten und im Italien des neunzehnten Jahrhunderts wurde von bewaffneten Banden gefüllt. Diese Banden haben Raubzüge geführt und haben von Schutzgeldern gelebt. Bei den Muslimen war das die Kopfsteuer von Ungläubigen. Ich untersuche die Familien- und Machtstrukturen der ersten, muslimischen Gemeinde um Mohammad. Man durfte sich mit Andersgläubigen nicht befreunden. Es gab das Prinzip des blinden Gehorsams. Der Handkuss des Paten ist dasselbe wie die Untergebenheit gegenüber dem Propheten. Sanktionen gegenüber Abtrünnigen und Leuten, die der Mafia abschwören, sind dieselben. Sie werden umgebracht. Wer den Islam kritisiert wird umgebracht. Es gibt heutzutage nur zwei Sorten von Autoren, die gefährlich leben, Mafiakritiker und Islamkritiker.

Sie meinen, Mohammed war „Tyrann“ und „kleines Kind“ zugleich, wie kann man anhand Ihrer Quellen ein derartiges Psychogramm über eine historische Person erstellen?

Es gibt zahlreiche islamische Quellen über Mohammad. Das sind der Koran, die erste Koranexegese, seine Biographien und seine außerkoranischen Aussagen. Diese Puzzleteile und die chronologische Lese des Korans zeigen die psychologische Entwicklung. Gerade die Geschichten, die seine Schwächen und Enttäuschungen zeigen, halte ich für authentisch, denn sie haben weder eine religiöse noch eine politische Funktion. Himmelfahrten oder Wunder halte ich für Legenden. Diese wurden wahrscheinlich im Nachhinein dazugedichtet, um aus Mohammed ein Pendant zu Jesus zu machen.

 

„Ich will die Unantastbarkeit von Mohammad brechen. Diese Unantastbarkeit hat uns Elend gebracht.“

 

In Ihrem Psychogramm meinen Sie auch, dass Mohammad unter Narzissmus, Größenwahn, Zwangsstörungen und Paranoia litt, zudem kritikunfähig war und sein gestörtes Verhältnis zu seiner Mutter Amina auf seine Frauen projizierte. Lassen Sie den Vorwurf gelten, dass Ihre Schriften viele gläubige Muslime beleidigen?

Ein Schriftsteller ist nicht von den Gefühlen anderer abhängig. Ich habe eine Analyse gemacht, beziehe mich auf die Texte und Standardwerke der Psychologie und Psychoanalyse. Ein Professor von der Universität für Psychologie in Marburg hat gesagt, dass diese Thesen wasserdicht sind. Muslime sagen: „Nein, das ist Küchenpsychologie“. Wenn man die Erzählungen analysiert, kommt man zu meinem Ergebnis. Es sei denn, man will Mohammads Handeln beschönigen. Das tun viele Muslime und leider auch viele Islamwissenschaftler. Die Frage der Beleidigung ist kompliziert. Ich will die Unantastbarkeit von Mohammad brechen. Diese Unantastbarkeit hat uns Elend gebracht. Diese Unantastbarkeit ist verantwortlich dafür, dass die Redakteure von Charlie Hebdo von Muslimen hingerichtet wurden, die Mohammad verteidigen wollten. Durch die Verteidigung der Unantastbarkeit des Propheten unterstützen wir die Position der Fundamentalisten. Das größte Problem des Islam ist nicht sein Image, und das größte Problem der Muslime ist nicht meine Kritik. Sie sollten sich beleidigt fühlen, wenn der IS Menschen enthauptet, wenn Muslime Ehrenmorde begehen und ihre Frauen zwangsverheiraten und unterdrücken im Namen von Mohammad. Leider begnügen sich viele Muslime mit der Opferrolle, anstatt sich mit den vielen Problemen zu beschäftigen. Die Hauptprobleme sind die hausgemachten Probleme.

 

„Nicht jeder Moslem ist ein Koran auf zwei Beinen.“

 

Aber es gibt Islamophobie und viele Muslime leiden unter Vorurteilen und dem Generalverdacht.

Das sind zwei Dinge, die man immer voneinander trennen muss. Es gibt die Ideologie und den politischen Islam und es gibt Muslime. Der Mensch steht immer über der Ideologie und das soll auch so bleiben. Es darf keinen Generalverdacht gegenüber allen Muslimen geben, denn die meisten Muslime sind friedlich. Sie sind aber, meiner Meinung nach, nicht friedlich, weil sie Muslime sind, sondern weil sie Menschen sind. Aber wenn sie die Regeln des Islam vollkommen umsetzen wollen, müssen sie sich den Taliban oder dem IS anschließen. Der Islam hat den Anspruch, Muslime vom Rest der Welt zu trennen und Andersgläubige zu hassen. Das steht sogar im Koran. Aber nicht jeder Moslem ist ein Koran auf zwei Beinen. Solange Mohammad jedoch als moralisches und politische Vorbild gilt, kann man nichts ändern. Wenn man ihn allerdings in Frage stellt, kann man die Texte relativieren. Viele der islamischen Gesetze, wie die Verschleierung und Steinigung untreuer Frauen, stammen aus der Eifersucht eines gekränkten, alten Mannes, der viele Frauen hatte und sich nicht sicher war, ob diese ihm treu waren. Das ist menschlich, aber daraus heilige Gesetze zu machen und Frauen in diesem Sinne zu unterdrücken, das ist fatal und katastrophal. Wegen dieser Texte werden Frauen bereits 1400 Jahre lang unterdrückt, gesteinigt und schikaniert.

 

„Welcher Gott hat es nötig so einen Vers hervorzubringen?“

 

Sie lassen also auch das Argument nicht gelten, dass Frauen der damaligen Zeit durch den Islam fundamentale Rechte zugesprochen wurden?

Das ist eine große Lüge. In der früharabischen Geschichte hatten Frauen mehr Rechte als nach dem Islam. Natürlich gab es in ganz wenigen Stämmen die Praktik neugeborene Mädchen lebendig zu begraben, aber der Islam macht daraus eine Revolution, als hätte der Islam alle Frauen vor dem Tod bewahrt. Nicht alle Frauen wurden als Kinder getötet, denn sonst hätte Mohammed nie dreizehn Frauen heiraten können. Frauen durften vor dem Islam ihre Ehemänner bestimmen, sie hatten das Recht auf Scheidung, das ist im Islam nicht vorhanden, und sie waren Geschäftsfrauen und hatten Anspruch auf ein Erbe. Das beste Beispiel ist Mohammads Frau Khadidscha, sie war verwitwet und hat ihren Mann beerbt. Sie erbte nicht wie im Islam nur die Hälfte, sondern alles. Sie war außerdem Mohammeds Arbeitgeberin. Welche fundamentalen Rechte für Frauen also? Im Koran in Sure 4:34 steht, dass der Mann seine Frau schlagen darf, wenn sie widerspenstig ist. Welcher Gott hat es nötig so einen Vers hervorzubringen? Das ist die Psyche eines Mannes, der seine Frauen nicht mehr unter Kontrolle hat. Welche elementaren Rechte, bitte? Dass Frauen sich vollverschleiern müssen oder mit Männern nur reden dürfen, wenn eine Wand dazwischen ist?

 

„Es gibt auch viel Zuspruch und das lässt hoffen.“

 

Sie sind selbst Ägypter. Wie reagieren Muslime in muslimischen Ländern auf Ihre Thesen?

Ich versuche meine Bücher immer auch ins Arabische zu übersetzen. Für dieses Buch fand sich aber kein arabischer Verleger, denn das ist gefährlich. Der Verleger würde sofort verhaftet oder sogar mit dem Leben bedroht. Ich habe meine Hauptthesen des Buches als kurze Vorlesungen in Arabisch auf youtube gestellt. In den letzten Wochen haben in der arabischen Welt 1,6 Millionen Menschen die Videos gesehen. Das ist fantastisch. Normalerweise erreichen nur Videos von Shakira so viele Menschen in der arabischen Welt. Es zeigt, dass viele Menschen ein Interesse haben, diese Kritik zu hören. Natürlich bekomme ich die üblichen Bedrohungen und Beschimpfungen, aber es gibt auch viel Zuspruch und das lässt hoffen. 

 

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Die Küchenpsychologie des Hamed Abdel-Samad

Ein Kommentar unserer Autorin Simone Egarter zu Hamad Abdel-Samad und seiner Meinung:

Simone Egarter
Simone Egarter

Zunächst lässt sich über den Umgang mit historischen Quellen streiten. Ob Mohammad unter einer krankhaften Psychose litt, ist eine Glaubensfrage, mehr als dass eine Persönlichkeitsstörung einwandfrei diagnostiziert werden kann, ohne den „Patienten“ einmal auf das freud'sche Liegesofa gesetzt zu haben.1400 Jahre nach dem Ableben Mohammeds ein detailliertes Psychogram zu erstellen, grenzt mit Sicherheit an Küchenpsychologie.

Eine Person, die für rund 1,6 Milliarden Muslime auf der Welt spirituelles Vorbild ist, als Narzissten und Tyrann zu bezeichnen, stößt sicher vielen Gläubigen bitter auf.

Die Identifikation einer religiösen Gemeinde mit ihrem Stifter dürfte auch für Christen, Buddhisten oder andere Konfessionen nichts Ungewöhnliches sein. Ganz provokant könnte man auch über die sexuellen Präferenzen Jesu spekulieren. Die vermeintliche Asexualität des jüdischen Predigers prägt bis heute christliche Ideologien über Reinheit und Keuschheit. Ein Mann, der sich mit zwölf Jüngern umgab und Frauen abschwor, welche Bedeutung hat dies für die christlichen Frauen heute? Diese Beispiele zeigen vielleicht auch, wie schnell Religionskritik, die sich auf als „heilig“ verehrte, historische Personen bezieht, persönlich werden kann. Um die Dogmatik und ideologischen Verblendungen von Religionen heute zu kritisieren, braucht man wahrscheinlich keine direkte Kritik am „Heiligsten“.

Natürlich muss Hamed Abdel-Samad sich auch den Vorwurf gefallen lassen, dass er mit seinen Thesen zusätzlich Öl ins Feuer der Islamophoben gießt. Auch wenn er behauptet, dass seine Youtube-Vorlesungen auf Arabisch von einem großen muslimisch, arabischen Publikum rezipiert werden, verkauft sich sein Buch vor allem auf Deutsch. Es darf angenommen werden, dass er auch Positionen der antimuslimischen Rassisten stärkt. Wenn er behauptet die islamistischen Terrororganisationen gründeten in der Entstehungsgeschichte des Islam und folgten dem kriegerischen Beispiel des muslimischen Propheten, schürt das vor allem Angst und bereits vorhandene Ressentiments. Wenn er behauptet jeder Muslim, der strikt den Koran befolgt, müsse sich dem Terror anschließen, spielt er damit einem Generalverdacht gegenüber jedem gläubigen Muslim in die Hände. 

Auf der anderen Seite sind auch Muslime in der Pflicht sich dem islamistischen Terror kritisch gegenüber zu stellen. Ich verstehe, wenn mir Muslime sagen, sie fühlen sich nicht für die grausamen Gewalttaten eines Islamischen Staates verantwortlich, sie seien friedliebende, spirituelle Menschen. Doch der Terror führt Krieg im Namen der Religion und nützt diese als Legitimationsgrundlage für die abscheulichen Taten. Wenn im Namen meiner Religion und meiner Identität gemordet, vergewaltigt und versklavt wird, muss ich dagegen Stellung beziehen. Der einzige Weg dafür ist eine historisch-kritische Auseinandersetzung mit dem Koran und den Überlieferungen und die Bestrebung sich den gewaltverherrlichenden Strömungen entschieden entgegen zu stellen. 

Es ist eine Errungenschaft unserer modernen, demokratischen Welt verschiedene Meinungen zuzulassen. Beleidigung rechtfertigt eben nie Gewalt und Kritik keine Beleidigung. Hierbei sei jedoch auch ganz klar erwähnt, dass eine kritische Auseinandersetzung mit jeder Ideologie und Religion legitim ist und geduldet werden muss.

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Kommentare

 

Bevor hier ein Shitstorm losgetreten wird - hier einige rechtliche Anmerkungen zum leidigen Thema "Beleidigung":

In Österreich gibt es eine rechtliche Abstufung inwiefern eine Person karikiert, durch den Kakao gezogen oder scharf und öffentlich kritisiert werden darf. Als unauffällige Otto-NormalverbraucherIn, darf man in der Regel nicht so einfach in der Öffentlichkeit bloß gestellt werden. Je mehr man in der Öffentlichkeit steht und/oder politisch aktiv ist, desto schärfer darf man angegriffen werden. zB Ein Politik-Spitzenkandidat muss sich so ziemlich fast alles gefallen lassen. (Diese Rechtsprechung ist übrigens einem Streit Profil - FPÖ zu verdanken). Das hat damit zu tun, dass diese Personen immer auch für Ideologien stehen, und jede Ideologie muss in der Öffentlichkeit angreifbar und hinterfragbar sein (Genau diese im Islam nicht vorhandene Möglichkeit versucht ja Abdel-Samad anzusprechen)
Das bedeutet: der Prophet Mohammed hat als politisch historische Person den geringstmöglichen Schutz vor "Beleidigung" und Kritik.
(Abgesehen davon können nur Nachfahren (ich glaube bis zur zweiten Generation) eine Beleidigung gegen einen Verstorbenen gerichtlich geltend machen)

"Beleidigte religiöse Gefühle" sind rechtlich und demokratiepolitisch waaaaaaahnsinnig problematisch: Prinzipiell kann nur eine Person beleidigt sein. Dass das Gefühl für eine Ideologie irgendwie "beleidigt" sein kann, ist eine absurde Gedankenkonstruktion, denn dann könnte auch ein Konzernchef beleidigt sein, wenn "sein Neoliberalismus" kritisiert wird. Oder ein Politiker wäre beleidigt, wenn "sein geliebter Kommunismus" angegriffen wird. Im Endeffekt wäre es damit möglich Kritik gegen Ideologien zu unterdrücken...
Siehe daher das Prinzip der US-Rechtsprechung: People have rights; Ideas don't.

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