Die Küchenpsychologie des Hamed Abdel-Samad

28. Oktober 2015

Hamed Abdel-Samad argumentiert in seinem Buch „Mohammed. Eine Abrechnung“ für einen kritischen Umgang mit der Entstehungsgeschichte des Islam und der Person Mohammads, des Religionsstifters. Mit seinem Vergleichen zwischen Mafia und den Strukturen der ersten, muslimischen Gemeinde um Mohammad, so wie mit seinem Psychogram über den Propheten der Muslime erntet er Zuspruch, aber auch viel Kritik.

Berechtigte Religionskritik oder ein Angriff auf religiöse Gefühle?

Zunächst lässt sich über den Umgang mit historischen Quellen streiten. Ob Mohammad unter einer krankhaften Psychose litt, ist eine Glaubensfrage, mehr als dass eine Persönlichkeitsstörung einwandfrei diagnostiziert werden kann, ohne den „Patienten“ einmal auf das freud'sche Liegesofa gesetzt zu haben. 1400 Jahre nach dem Ableben Mohammeds ein detailliertes Psychogram zu erstellen, grenzt mit Sicherheit an Küchenpsychologie.
 


Eine Person, die für rund 1,6 Milliarden Muslime auf der Welt spirituelles Vorbild ist, als Narzissten und Tyrann zu bezeichnen, stößt sicher vielen Gläubigen bitter auf.

Die Identifikation einer religiösen Gemeinde mit ihrem Stifter dürfte auch für Christen, Buddhisten oder andere Konfessionen nichts Ungewöhnliches sein. Ganz provokant könnte man auch über die sexuellen Präferenzen Jesu spekulieren. Die vermeintliche Asexualität des jüdischen Predigers prägt bis heute christliche Ideologien über Reinheit und Keuschheit. Ein Mann, der sich mit zwölf Jüngern umgab und Frauen abschwor, welche Bedeutung hat dies für die christlichen Frauen heute? Diese Beispiele zeigen vielleicht auch, wie schnell Religionskritik, die sich auf als „heilig“ verehrte, historische Personen bezieht, persönlich werden kann. Um die Dogmatik und ideologischen Verblendungen von Religionen heute zu kritisieren, braucht man wahrscheinlich keine direkte Kritik am „Heiligsten“.

Natürlich muss Hamed Abdel-Samad sich auch den Vorwurf gefallen lassen, dass er mit seinen Thesen zusätzlich Öl ins Feuer der Islamophoben gießt. Auch wenn er behauptet, dass seine Youtube-Vorlesungen auf Arabisch von einem großen muslimisch, arabischen Publikum rezipiert werden, verkauft sich sein Buch vor allem auf Deutsch. Es darf angenommen werden, dass er auch Positionen der antimuslimischen Rassisten stärkt. Wenn er behauptet die islamistischen Terrororganisationen gründeten in der Entstehungsgeschichte des Islam und folgten dem kriegerischen Beispiel des muslimischen Propheten, schürt das vor allem Angst und bereits vorhandene Ressentiments. Wenn er behauptet jeder Muslim, der strikt den Koran befolgt, müsse sich dem Terror anschließen, spielt er damit einem Generalverdacht gegenüber jedem gläubigen Muslim in die Hände. 

Auf der anderen Seite sind auch Muslime in der Pflicht sich dem islamistischen Terror kritisch gegenüber zu stellen. Ich verstehe, wenn mir Muslime sagen, sie fühlen sich nicht für die grausamen Gewalttaten eines Islamischen Staates verantwortlich, sie seien friedliebende, spirituelle Menschen. Doch der Terror führt Krieg im Namen der Religion und nützt diese als Legitimationsgrundlage für die abscheulichen Taten. Wenn im Namen meiner Religion und meiner Identität gemordet, vergewaltigt und versklavt wird, muss ich dagegen Stellung beziehen. Der einzige Weg dafür ist eine historisch-kritische Auseinandersetzung mit dem Koran und den Überlieferungen und die Bestrebung sich den gewaltverherrlichenden Strömungen entschieden entgegen zu stellen. 

Es ist eine Errungenschaft unserer modernen, demokratischen Welt verschiedene Meinungen zuzulassen. Beleidigung rechtfertigt eben nie Gewalt und Kritik keine Beleidigung. Hierbei sei jedoch auch ganz klar erwähnt, dass eine kritische Auseinandersetzung mit jeder Ideologie und Religion legitim ist und geduldet werden muss. 

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Kommentare

 

Man kann nicht einfach sagen, Kritik rechtfertigt keine Beleidigung, denn es ist rechtlich einfach nicht fassbar, was/wer denn genau "beleidigt" sein soll, wenn Religion kritisiert wird!

Bei Beleidigung von Personen:
In Österreich gibt es eine rechtliche Abstufung inwiefern eine Person karikiert, durch den Kakao gezogen oder scharf und öffentlich kritisiert werden darf. Als unauffällige Otto-NormalverbraucherIn, darf man in der Regel nicht so einfach in der Öffentlichkeit bloß gestellt werden. Je mehr man in der Öffentlichkeit steht und/oder politisch aktiv ist, desto schärfer darf man angegriffen werden. zB Ein Politik-Spitzenkandidat muss sich so ziemlich fast alles gefallen lassen. (Diese Rechtsprechung ist übrigens einem Streit Profil - FPÖ zu verdanken). Das hat damit zu tun, dass diese Personen immer auch für Ideologien stehen, und jede Ideologie muss in der Öffentlichkeit angreifbar und hinterfragbar sein (Genau diese im Islam nicht vorhandene Möglichkeit versucht ja Abdel-Samad anzusprechen)
Das bedeutet: der Prophet Mohammed hat als politisch historische Person den geringstmöglichen Schutz vor "Beleidigung" und Kritik.
(Abgesehen davon können nur Nachfahren (ich glaube bis zur zweiten Generation) eine Beleidigung gegen einen Verstorbenen gerichtlich geltend machen)

Bei Beleidigung einer Ideologie:
"Beleidigte religiöse Gefühle" sind rechtlich und demokratiepolitisch waaaaaaahnsinnig problematisch: Prinzipiell kann nur eine Person beleidigt sein. Dass das Gefühl für eine Ideologie irgendwie "beleidigt" sein kann, ist eine absurde Gedankenkonstruktion, denn dann könnte auch ein Konzernchef beleidigt sein, wenn "sein Neoliberalismus" kritisiert wird. Oder ein Politiker wäre beleidigt, wenn "sein geliebter Kommunismus" angegriffen wird. Im Endeffekt wäre es damit möglich Kritik gegen Ideologien zu unterdrücken...

Man sollte zB ganz einfach mal klipp und klar sagen, dass es in einer Demokratie, wo unzählige Religionen und Götter nebeneinander zur Auswahl stehen, nicht funktionieren kann, wenn eine Gruppe meint, nur ihr Gott und ihre Ansichten wären die einzig richtigen, und dann versucht den anderen ihre religiöse Ansichten aufzuwingen.
Bestes Beispiel: die religiöse Ansicht, dass die bildliche Darstellung von Mohammed eine Beleidigung sei, und sich alle dran halten sollen. So eine Forderung, die damit auch jegliche bildliche Kritik unterdrücken würde, gegen die Meinungsfreiheit und das Gleichheitsgebot verstößt (Mohammed war auch nur ein Mensch), funktioniert schlichtweg nicht in einer Demokratie.
Deswegen das Motto des Europäischen Gerichtshofs der Menschrechte dazu:
'Art. 10 (Meinungsfreiheit) is applicable not only to "information" or "ideas" that are favourably received or regarded as inoffensive or as a matter of indifference, but also to those that offend, shock or disturb the State or any sector of the population. Such are the demands of that pluralism, tolerance and broadmindedness without which there is no "democratic society". '
Siehe auch das Prinzip der US-Rechtsprechung: People have rights; Ideas don't.

 

Ich wünsche mir für die Zukunft, dieses überflüssige *Tob* *Kreisch* „meine-Ideologie-wurde-beleidigt“ nie wieder in den Nachrichten oder in Diskussionen oder in Interviews zu lesen, weil das in Europa nicht funktioniert und keine Grundlage hat.
Religiöse Gefühle sollten absolut irrelevant sein im Bezug auf Meinungsfreiheit und ob man was sagen darf oder nicht.
Dies ist seit mehr als hundert Jahren und seit der Aufklärung in Europa hart erkämpft und philosophisch begründet worden und ist ein Grundpfeiler der Europäischen Werte, die so groß in aller Munde sind.

Da gab es in Europa Revolutionen für die Meinungsfreiheit, wo verhältnismäßig mehr(!) Menschen in Wien(!) ermordet wurden als im Vergleich zum "arabischen Frühling" in Ägypten! Das waren unsere Ururgroßeltern, die das für uns durchgesetzt haben und teils mit ihrem Leben dafür bezahlt haben. Das sollten wir uns jedes mal vorstellen, wenn wieder irgendwelche "religiösen Gefühle" durch die Medien geistern!

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