Von Brot, Wein, Autos, Sicherheit und Frieden
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Nur wenige Tage nachdem die Ausstellung „…von Brot, Wein, Autos, Sicherheit und Frieden“ in der Kunsthalle Wien eröffnete, musste sie coronabedingt eine Pause einlegen. Nun kann die Ausstellung wieder besucht werden – und eines vorweg: Die Erfahrung, die wir alle im Lockdown gemacht haben, trägt vieles zur Ausstellung bei.
von Nada El-Azar
Der Titel „…Von Brot, Wein, Autos, Sicherheit und Frieden“ bezieht sich auf den Text „Globalization and the Manufacture of Transient Events“ (2003) des libanesischen Autors Bilal Khbeiz. Anhand der Aufzählung dieser elementaren Grundbedürfnisse stellt die Ausstellung die Frage nach dem „guten Leben“ und wie unterschiedlich die Parameter sein können, an denen dies gemessen wird. Die fortschreitende Zerstörung der Umwelt zugunsten wirtschaftlicher Interessen, der Klimawandel, die Nachwehen kolonialer Herrschaft und Ausbeutung in all ihren verschiedenen Facetten spielen dabei eine große Rolle.
Kunsthalle Wien neu gedacht
Was neu ist: Die Ausstellung beginnt in dem Moment, in dem der Besucher die Kunsthalle betritt. Eine LED-Installation von Tim Etchells ziert den Eingang der Kunsthalle Wien MuseumsQuartier. Anstelle des Shops begrüßt den Betrachter die Installation „Maggic Cube“ der in Mailand und Dakar lebenden Künstlerin Adji Dieye, in der sie die Bedeutung der Maggi Brühwürfel beleuchtet. In der Küche West- und Zentralafrika hat der Maggi Brühwürfel nicht zuletzt auch durch aggressive Vermarktung längst Eingang gefunden. Dieye parodiert Werbesujets und zeigt dadurch die Wirtschafts- und Kolonialgeschichte dieses Kochproduktes auf.
Brot und Kuchen
Die versteckte und verschachtelte Architektur der Kunsthalle Wien Museumsquartier wird bis in die letzten Ecken genutzt. An den Wänden begleiten Zeichnungen von Dan Perjovschi, oder weitere LED-Arbeiten von Tim Etchells. Zwischen dem Eingangsbereich und dem Hauptausstellungsraum folgt man einer Installation von Mladen Stilinović namens „For Marie Antoinette“, die eine spielerische Auseinandersetzung mit dem berüchtigten Zitat „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen!“ sein. Brotlaibe liegen auf dem Boden, in die ein Punschkrapfen integriert wurde. Doch Vorsicht, manch eine süße Überraschung stellt sich als Pflasterstein heraus.
Unbewusst hochaktuell
Für mich persönlich ein absolut sehenswertes Highlight der Ausstellung ist eine Zweikanal-Videoarbeit von Tuan Andrew Ngyuen namens „My Ailing Beliefs Can Cure Your Wretched Desires“ aus dem Jahr 2017. Dort findet mit musikalischer Untermalung ein philosophischer Dialog zwischen dem letzten auf vietnamesischen Boden lebenden Java-Nashorns und der sagenumwobenen Schildkröte aus dem Hoan Kiem-See, die eine Reinkarnation jener Schildkröte sei, die laut einer Legende im Jahr 1427 dazu beitrug, chinesische Besatzer aus dem Land zu vertreiben. Parallel zum Dialog werden Aufnahmen aus Schlachthöfen, Wäldern und Tempeln gezeigt. Thematisiert wird unter anderem die Gier der Menschen nach der Unterwerfung von Wildtieren wie Tigern und anderen seltenen Lebewesen, bei gleichzeitiger Verehrung ihrer mystischen Kräfte. Im Angesicht der Coronakrise, die höchstwahrscheinlich durch illegalen Wildtierhandel entstanden sein soll, kommt diese hochwertig produzierte Arbeit auf ein völlig neues Level.
Insgesamt hat die aktuelle Krise gezeigt, wo die Brüche in den verschiedensten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systemen der Welt liegen – und die breit gefächerte Auswahl an vertretenen KünstlerInnen aus aller Welt zeigt dies auf. Raum für Interaktion und Teilnahme am Diskurs für die BesucherInnen gibt es ebenfalls.
Führungen
„Von Brot, Wein, Autos, Sicherheit und Frieden“ ist die erste von der neuen Leitung WHW kuratierte Ausstellung. Das Kollektiv, bestehend aus Ivet Ćurlin, Sabina Sabolović und Nataša Illić, führt ein Mal wöchentlich durch die umfangreiche Ausstellung.
Achtung: Am 25. Juni um 18 Uhr findet eine Führung auf Bosnisch/Kroatisch/Serbisch statt. Da die Plätze begrenzt sind, bittet man um Anmeldung über besucherservice@kunsthallewien.at oder direkt an der Kassa der Kunsthalle Wien.
Mehr Informationen unter: www.kunsthallewien.at
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