Warum mein amerikanischer Gastvater Trump gewählt hat

11. Mai 2017

Donald Trump

Donald Trump
Foto via Pixabay

So ziemlich alle Menschen, die ich kenne, wären nie im Leben auf die Idee gekommen, Donald Trump zu wählen. Es herrscht unter meinen Freunden ein kollektives Unverständnis, wie er der 45. Präsident der USA werden konnte. Ich habe versucht, herauszufinden, warum Trump für jemanden die richtige Wahl war – und habe meinen Gastvater aus den USA befragt.

Mit 16 Jahren habe ich ein Jahr lang eine Highschool in South Carolina besucht und bei einer amerikanischen Gastfamilie gelebt. Ich habe die Familie als sehr aufgeschlossen und interessiert an der Welt kennen gelernt. Immerhin haben sie mich, eine Fremde aus einem fremden Land, von der sie bis auf ein selbstverfasstes „So-bin-ich“-Schreiben nicht viel wussten, ein Jahr lang als Familienmitglied bei sich aufgenommen. Umso mehr hat es mich überrascht, dass sie glühende Trump-Fans sind.  Ich stehe immer noch in Kontakt mit ihnen, wir sind Facebook-Freunde und dadurch bekommt meine „Anti-Trump“-Blase, in der ich in der virtuellen Welt, besonders in Facebook, lebe, ein kleines Loch.

Ich sehe auf meinem privaten Newsfeed nicht nur „Oh-was-hat-Trump-jetzt-wieder-gemacht“-Postings sondern auch das Gegenteil, wie regelmäßig geteilte Videos von Tomi Lahren, die mit ihren „Final Thoughts“ ihre Sicht auf die Dinge teilt. Für alle, die sie nicht kennen: Ihre Sicht der Dinge beinhaltet zum Beispiel, dass die Black Lives Matter- Bewegung mit dem Ku Klux Klan vergleichbar wäre.  Und dass Trump das Beste ist, was den USA hätte passieren können.

 

Warum wird Trump so verehrt?

Ich möchte ein Gefühl dafür bekommen, warum man Trump so verehren kann. Meinem Gastvater habe ich ein wenig auf den Zahn gefühlt: Es gehe ihm vornehmlich um die nationale Sicherheit, erzählt Mark. Das, was man grade in Europa sieht, wolle man in den USA nicht haben. Dass die Anschläge, auf die er sich bezieht, nicht von Flüchtlingen, sondern von fanatischen Terroristen verübt wurden, sieht er nicht. Er glaubt viel mehr, man würde sich mit den Flüchtlingsströmen „ viele solcher Menschen“ ins Land holen. Also ist die Lage in Europa der Grund für Trumps Sieg? Nein, erklärt Mark, es sei so, dass die USA sich ins eigene Fleisch geschnitten habe mit der laschen Grenze zu Mexiko, den vielen illegalen Einwanderern und der „Wohltätigkeit“ gegenüber anderen Staaten. Es sei eine gute Idee, die USA eine Zeit lang ohne Rücksicht auf den Rest der Welt an erste Stelle zu setzen. Die One World-Politik Obamas sei ihm gehörig auf die Nerven gegangen. Die Kritik, dass Trump als Präsident sehr teuer ist (Stichwort Miami-Wochenenden und die Security-Kosten für Melania in New York), seien Fake News der liberalen Medien. Immerhin habe er seinen ersten Gehaltscheck gespendet.

Die USA sind tief gespalten

Dass Trump jetzt wenigstens versucht, in Gesundheitsfragen einen Schritt nach vorne zu machen, müsse man ihm doch hoch anrechnen. Die Sichtweise darauf erstaunt mich, denn Obama hat ja offensichtlich auch versucht, mit Obamacare die Situation zu entspannen. Nein, lautet die Antwort, Obama habe nichts verbessert, das sei nur aus Prestigegründen geschehen. Das ist alles eine verfahrene Situation, wie ich finde: Der eine versucht es und es ist gut, der andere versucht es und es ist schlecht – ja, gibt Mark zu, es ist eine Spaltung des Landes, der er selbst auch kritisch gegenüber steht. Niemand möchte einen Schritt auf die andere Seite zugehen. Ich frage mich: Was wünschen sich Trumps Wähler eigentlich, wie sollen die USA in vier Jahren aussehen?

Anders als bei unseren sonstigen Diskussionen, in denen meine Fragen und Kritiken gegenüber Trump im Keim erstickt und mit (fragwürdigen) Argumenten torpediert werden, hat diese Frage meinen Gastvater aus der Fassung gebracht. Er brauche ein bisschen Zeit, um zu antworten, ließ er mich wissen. Seine Antwort fiel relativ knapp aus: “Ein sicheres und gesichertes Land, dessen Wirtschaftslage stark ist. Und ein Land, in dem die Bevölkerung nicht wegen allem so schnell beleidigt ist.“ Aber er müsse auch jetzt los, sagt er, ein neues mexikanisches Restaurant hat ein paar Blocks weiter aufgemacht, das will die Familie heute Abend ausprobieren.

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Kommentare

 

alle gebannt auf den grossen Knall auf der Mitte der Bühne starren, geht im Rauchnebel etwas abseits schemenhaft das eigentliche Geschehen unbemerkt von statten. Die amerikanische Gesellschaft wird endlich umgebaut werden. Nicht direkt von D. Trump, sondern von denen, die hinter ihm stehen. Die mögen D. Trump. Was sie noch nicht mögen, ist Aufmerksamkeit in eigener Sache.

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