„Wir sind keine Sesselkleber“ - Flora Petrik im Interview

12. April 2017

Flora Petrik, bislang Bundessprecherin der Jungen Grünen, ist zurückgetreten. Wie es so weit kommen konnte, erzählt sie im Interview mit BIBER.

BIBER: Die Jungen Grünen sollten ursprünglich von der Bundespartei verstoßen werden, nachdem sie der Aufforderung der Mutterpartei nicht nachgekommen sind, die Unterstützung für die „Grünen Studierenden“ (einer Abspaltung von der GRAS) für die ÖH-Wahl einzustellen. Ist das die ganze Wahrheit oder steckt in Ihren Augen noch mehr dahinter?

PETRIK: Im Kern des Konflikts steht die Frage, ob sich die Grünen öffnen und mehr Leute einbinden wollen oder ob sie alles kleinhalten wollen. Das, was gerade mit den Grünen Studierenden passiert, ist symptomatisch dafür, was die Mutterpartei will. Sie will eine Studierendenorganisation haben, die nicht wachsen kann, weil sie mit Konsensprinzip arbeitet. Bei der GRAS braucht es nämlich 100 % Zustimmung, um irgendeine Veränderung herbeizuführen.

Finden Sie das gut? 

Ich finde das absolut undemokratisch und autoritär. Die Grünen Studierenden haben bereits jahrelang probiert innerhalb der GRAS etwas zu verändern, sind aber an dem Einstimmigkeitsprinzip gescheitert. Wenn eine Person jede Veränderung blockieren kann, dann ist das nicht mehr demokratisch. Die Grünen Studierenden waren über diesen Stillstand frustriert. Sie wollten wachsen und eine starke Studierendenorganisation auf die Beine stellen. Deswegen sind sie in Linz und Graz aus dem Bundesverband ausgestiegen und haben demokratische Mindeststandards eingeführt.

Warum wolltet ihr die Unterstützung nicht einstellen? Immerhin konkurrieren dann zwei „grüne“ Listen - die GRAS und die Grünen Studierenden - bei der ÖH-Wahl gegeneinander.

Wir finden es gut, dass die Grünen Studierenden sagen: „Wir wollen mehr werden.“ Diesen Anspruch stellt die GRAS nicht und das finde ich fatal. Das Konsensprinzip der GRAS verhindert nicht nur Wachstum, sondern auch eine Opposition. Das ist absolut undemokratisch und eigentlich sollte keine Partei der Welt zulassen, dass in einem dermaßen undemokratischen System gearbeitet wird. Deswegen haben wir gesagt, wir teilen die Analyse der Grünen Studierenden, dass man sich öffnen und viele Leute involvieren muss, und unterstützen sie auch weiterhin.

Glauben Sie, die Rücktrittsforderung an Glawischnig hat zur Eskalation des Konflikts beigetragen?

Die Rücktrittsforderung war sicher harsch. Ich glaube aber, dass eine Jugendorganisation Kritik üben muss. Der Konflikt war an diesem Punkt bereits in einem so irrationalen Stadium, dass die Rücktrittsforderung auch keine Rolle mehr gespielt hat. Schon das Ultimatum der Bundespartei an uns war so formuliert, dass klar war, wir würden es nicht annehmen können.

Die Bundesparteispitze hat es auf einen Rauswurf angelegt?

Sie verwendete tatsächlich viele vorgeschobene Argumente, um eine große, starke und kritische Jugendorganisation loszuwerden.

Wie könnte ein Aufbruch der Partei aussehen und was muss sich dafür ändern?

Es braucht ein Bewusstsein dafür, dass eine Partei mehr ist als ein nach oben hin ausgerichteter Marketingapparat. Sie müssen die Basis in Zukunft ernst nehmen und die Ehrenamtlichen wertschätzen. Es braucht viele Menschen, um etwas zu bewegen. Eine noch so tolle Kampagne hilft nichts, wenn man keine Leute hat. Ich denke, die Bundesparteispitze würde es nicht einmal merken, wenn von heute auf morgen die Hälfte aller Mitglieder verschwinden würde.

Die Grünen schneiden in Umfragen immer besser ab, wenn es um die Partei selbst geht. Kommt Glawischnig als Bundessprecherin ins Spiel, werden die Umfragewerte stets schlechter. Würde eine Person wie Peter Pilz an der Spitze der Partei helfen?

Was die Grünen brauchen, ist eine Person, die dafür einsteht, Visionen zu haben und auch überlegt, wie man diese erfüllen kann. Es gibt zwar Leute bei den Grünen mit Visionen, aber sie haben nicht das richtige Werkzeug. Es ist so, als würden sie vor einer Leinwand stehen und versuchen, ein Bild mit einem Hammer anstatt eines Pinsels zu malen. Da kommt nichts Schönes dabei raus, auch wenn die Vision noch so gut sein mag. Sie müssen sich überlegen, wie sie ihre Forderungen umsetzen können. Recht haben allein reicht nun mal nicht.

Inwieweit denken Sie, hat diese Debatte um die Jungen Grünen der Partei geschadet?

Enorm. Es gibt keine Gewinner in diesem Konflikt. Die Grünen haben auf die Kritik, autoritär zu sein, mit einem enorm autoritären Schritt reagiert. Das ist das, was hängen bleibt. Viele grüne Funktionäre aus den Bundesländern sind nicht nur mit dem Vorgehen, sondern auch mit dem Ergebnis unzufrieden. Viele werfen der Parteispitze Führungsversagen vor.

Glawischnig sagte, dass das Vertrauen in den siebenköpfigen Bundesvorstand der Jungen Grünen nicht mehr vorhanden sei, mit dem Rest könnte sie sich aber vorstellen weiterzuarbeiten. Sie werden sich deswegen am Bundeskongress im Juni nicht mehr zur Wiederwahl stellen? Wie hart war diese Entscheidung?

Es war dann eigentlich relativ klar und ging auch sehr schnell. Ich finde es zwar schade, dass Glawischnig sich nicht vorstellen kann, mit uns zusammenzuarbeiten, aber wir sind auch keine Sesselkleber.Wir machen das alle ehrenamtlich. An uns soll es nicht scheitern, dass es zu einem geordneten, sachlichen Übergang kommt.

Wie steht es um die Zukunft der Jungen Grünen? Sie sagten, dass die Landesverbände geschlossen hinter Ihnen stehen. Werden Sie großteils mit Ihnen ziehen oder bei der Mutterpartei bleiben?

Wir werden das als gesamter Verband am Vorabend des 1. Mais auf unserer Perspektivenkonferenz diskutieren. Wir haben auch Eva Glawischnig eingeladen, die aber, bevor sie noch das Datum gehört hat, abgesagt hat. Das überrascht uns nicht, aber wir hätten dennoch gerne mit ihr diskutiert, welche Rechte und Pflichten eine Jugendorganisation hat. Es gibt sehr viele im Verband, die solidarisch hinter mir stehen. Viele sagen jetzt, mit so einer Partei könnten sie nicht mehr weiterarbeiten. Das verstehe ich auch. Wir müssen uns nun überlegen, in welche Richtung es weitergehen kann.

Denken Sie, Van der Bellen wäre ohne die Arbeit der Jungen Grünen Bundespräsident geworden?

Die Jungen Grünen haben mit ca. 270.000 Straßenkontakten einen großen Beitrag geleistet, aber dennoch war es ein Sieg von einer großen gemeinsamen Bewegung. Und von dieser Bewegung müssen wir lernen. Die Grünen haben es nicht geschafft, diese Bewegung zu integrieren und ihr eine politische Heimat zu geben, was eigentlich die Aufgabe gewesen wäre. 

Haben Sie schon Pläne für Ihre weitere Laufbahn?

Ich werde auf alle Fälle politisch aktiv bleiben. Eine grüne Jugendorganisation kann ich aber definitiv ausschließen. Ich bin jedenfalls gespannt, was die nächsten paar Monate für Optionen bieten.

Sehen Sie noch Platz für eine neue Partei in Österreich?

Bei uns gibt es jetzt natürlich viele, die schreien: „Ja, Linksparteigründung!“ Aber viele andere meinen, sie hätten keine Lust mehr auf Parteien. Wir kritisieren schon enorm lange das österreichische Parteiensystem, wie veraltet, wie verkrustet, wie undemokratisch und autoritär es ist. Und nun haben sehr viele junge Grüne am eigenen Leib erfahren, was das heißt. Es gibt noch genug Möglichkeiten, außerhalb von Parteien politisch aktiv zu sein und viele Leute zu mobilisieren. Wohin es geht, wird man sehen. Ich persönlich glaube aber nicht, dass eine neue Linkspartei momentan die Lösung ist.

Wählen Sie künftig trotzdem Grün?

Ich werde künftig trotzdem Grün wählen, einfach weil sie das geringste Übel sind. Aber ich hoffe natürlich, sie ohne Bauchweh wählen zu können.

Zur Person: Flora Petrik (22) ist noch bis Juni als Bundessprecherin der Jungen Grünen tätig. Ein Konflikt mit der Mutterpartei um die Unterstützung der „Grünen Studierenden“ für die ÖH-Wahl führte zu ihrem Entschluss, nicht für die Wiederwahl zu kandidieren. Sie studiert Germanistik und Bildungswissenschaften.

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