„Die Spielsucht interessiert den Staat nicht.“

12. Dezember 2014

16 Jahre arbeitete Aron Kampusch als Croupier. Heute therapiert er Spielsüchtige. Der Experte über das 7fach höhere Spielsucht-Risiko von männlichen Migranten und warum es trotz eines Verbots in Wien weiter Spielautomaten geben wird.

 

Von Gizem Yazgan und Christoph Liebentritt (Foto)

 

Vor deiner Karriere als Psychologe und Spielsuchtexperte warst du 16 Jahre lang als Croupier tätig. Warum hast du dich damals für diesen Job entschieden?

Mein Großvater hat schon in der Glücksspielindustrie gearbeitet, meine Mutter war Barchefin im Casino Velden, zwei meiner Cousins waren dort als Tischchefs tätig, und letztendlich kam ich als Croupier nach. Das war damals ein top bezahlter Job.

 

Konntest du als Croupier das Spiel beeinflussen?

Ja, das ist keine große Kunst. Angenommen der Kunde spielt mit 5er Jetons, dann zahle ich ihn beim Gewinn zusätzlich mit 10er Jetons aus und verknappe künstlich die Zeit, die diesem zum Setzen bleibt. Wenn das funktioniert, gebe ich bei einem Gewinn, der mit 10ern erzielt wird, 20er dazu. Somit verdopple ich permanent seinen Einsatz und erhöhe innerhalb kürzester Zeit das Spielniveau. Es gab jede Menge Tricks, wie ich die Spieler, beispielsweise durch die gezielte Wahl der Bargeldscheingrößen bei einer Auszahlung oder durch Smalltalk, auch am Automaten manipulieren konnte, indem ich von erzielten Gewinnen und Gewinnern berichtete.

 

Heute bist du selbstständiger Psychologe, spezialisiert auf Spielsucht. Was war dein Grund, die Seite zu wechseln?

In den 90er Jahren hat einer meiner Stammkunden an jenem Tag 10fach so hoch gespielt als sonst. Er wollte dadurch alles, was er davor verloren hatte, verdoppelt zurückgewinnen. Das ist das sogenannte „chasing“. Am Ende des Abends habe ich ihm sein ganzes Geld abgenommen - inklusive die Münzen für die Tiefgarage. Ich ging nach Dienstschluss die ganze Nacht wie üblich feiern und er ging nachhause und hat sich erschossen.

 

Was ist danach passiert?

Am nächsten Tag hatte diese Nachricht außer mir kaum jemanden berührt. Danach war für mich klar, dass ich den Spieltisch verlassen muss. Psychologie hatte mich immer schon interessiert, somit begann ich mein zweites Studium. Mit meiner üppigen Abfertigung trennte ich mich letztendlich von der Glitzerwelt.

 

Kannst du uns schildern, wie Spielsucht entsteht?

Aus der verhaltenstherapeutischen Sicht lässt sich erklären: Ich fühle mich schlecht, ich gehe spielen und fühle mich besser. Oder ich fühle mich schlecht und gehe spielen. Danach geht´s mir zwar noch lange nicht gut, aber das Schlechtfühlen ist weg. Man spielt also entweder um zu vergessen oder um sich besser zu fühlen.

 

Ab wann ist man tatsächlich abhängig?

Wenn das Spielen berufliche und private Probleme verursacht. Wenn man immer höher und höher spielt. Wenn ich aggressiv, weinerlich bin und psychische Entzugserscheinungen habe. Wenn es aufgrund des Spielens zu Kriminalität kommt. Wenn ich nicht mehr aufhören kann, an das Spielen zu denken. Wenn ich einen Automaten brauche, um mich wieder gut zu fühlen oder um meine Probleme wenigstens für kurze Zeit ausblenden zu können.

 

Wie erklärst du, dass Migranten eher spielsüchtig werden?

Junge Migranten haben in unserer heutigen Gesellschaft wenig Chancen, da ihnen viele Wege versperrt werden. Viele haben dadurch keine gute Ausbildung oder Jobs. Viel Geld zeigen und besitzen zu können scheint ihnen männlicher. Im Bereich eines Casinos können diese jungen Männer eine Rolle einnehmen, die sie in der Realität nicht haben.

 

Warum greifen Migranten lieber zum Automaten und nicht zu Drogen?

Um Geld, Ruhm und ein „erfülltes Leben“ besitzen zu können, sehen sie als einzigen Weg das Spielen. Im Casino oder am Automaten ist man plötzlich Jemand. Das Personal reißt sich um einen, jeder kennt seinen Namen und plötzlich hat er einen Status in einer Welt, wo er sonst seiner Meinung nach relativ egal ist. Junge Männer mit Migrationshintergrund haben ein 7fach erhöhtes Risiko spielsüchtig zu werden.

 

 

Welche Migranten sind am Meisten von Spielsucht betroffen?

Genaue Zahlen gibt es hierzu nicht. Jedoch kann ich aus meiner Berufserfahrung sagen, dass viele Türken, Serben und Bosnier die Spielsuchttherapie in Anspruch genommen haben.

 

Ab Jänner 2015 soll das „kleine Glücksspiel“ an Automaten in Wien verboten werden. Glaubst du, dass man das durchsetzten wird?

Ich denke, dass kein einziger Automat verschwinden wird. Im Mai bemerkte der oberste Gerichtshof, dass sich das Bundesgesetz widerspricht und nicht EU-konform ist. Die Gesetze wurden nachlässig konzipiert, deshalb liegen jede Menge Fehler vor. Weiters hat man in der Glücksspielnovelle 2013 vergessen, dass das Internet auch existiert. Man tut so, als würde es kein Onlinegambling geben.

 

Hast du konkrete Lösungsvorschläge?

In der Spielerschutzthematik sollten nicht nur die Glücksspielbetreiber und Politiker zur Verantwortung gezogen werden. Die Banken scheinen in der Auffassung der Gesetzgebung überhaupt kein Teil des Problems zu sein. Doch Spielen funktioniert nur über Bargeld, die Banken müssten ebenso zum Spielerschutz verpflichtet werden. Den Angehörigen von Spielern, beispielsweise der PartnerIn eines Spielers, würde ich empfehlen, ein gemeinsames Konto zu führen, wo nur gemeinsam Geld behoben werden kann.

 

Was kann die Politik tun?

Generell scheint Spielsucht den Staat nicht zu interessieren, obwohl dieser durch pathologische Spieler viel verdient. Die Institutionen, die Spielsucht therapieren, werden Großteils von der Glücksspielindustrie finanziert. Das bringt uns Therapeuten in eine sehr unangenehme Situation: „Sie werden doch von der Firma bezahlt, die mich in den Ruin getrieben hat. Warum sollte ich Ihnen glauben?“ Um uns Therapeuten von dieser Belastung freizuspielen, müsste der Staat seine Verpflichtungen wahrnehmen und die Spielertherapie selber bezahlen.

 

 

Zur Person:

Name: Aron Kampusch, MMag. Dr.

Alter: 45

Funktion: Klinischer Psychologe, Psychotherapeut und Kommunikationswissenschaftler

Fachgebiet: Spielsucht, war bis Februar 2014 der Koordinator für den Bereich Glücksspiel- und Onlinesucht im Anton-Proksch-Institut

Herkunft: Kärnten

 

Besonderes: War 16 Jahre lang Profi-Croupier

Bereich: 

Kommentare

 

Junge Migranten haben in unserer heutigen Gesellschaft wenig Chancen, da ihnen viele Wege versperrt werden. Viele haben dadurch keine gute Ausbildung oder Jobs. Viel Geld zeigen und besitzen zu können scheint ihnen männlicher. Im Bereich eines Casinos können diese jungen Männer eine Rolle einnehmen, die sie in der Realität nicht haben.

 

Warum greifen Migranten lieber zum Automaten und nicht zu Drogen?

Um Geld, Ruhm und ein „erfülltes Leben“ besitzen zu können,

- See more at: http://www.dasbiber.at/content/die-spielsucht-interessiert-den-staat-nic...

 

 Klingt nach pauschalurteilen... enttäuschend, wenn es von einem Psychotherapeuten kommt.
Kenne Migranten, die einen hohen Status haben und viele Österreicher, die den nicht haben....am Karslplatz sieht genug Österreicher, aber wenige mit tükischen, serbischen Wurzeln, oder?
aber jede Gruppe hat ihre Lieblings "opfer".

Der Therapeut sagt selber es geht ihnen um Ruhm, Geld.... Das zeigt, dass es auch um Kuturelle Unterschiede geht. Geld, Materielles ist nicht überall gleich wichtig für das Rollenbild.
aber das ist eben tabu, alle sind ja gleich, für den es-gibt-keine kulturellen-unterschiede -west-menschen.

wieso sind es dann mehr Männer als Frauen?

Junge Migranten haben in unserer heutigen Gesellschaft wenig Chancen, da ihnen viele Wege versperrt werden. Viele haben dadurch keine gute Ausbildung oder Jobs. Viel Geld zeigen und besitzen zu können scheint ihnen männlicher. Im Bereich eines Casinos können diese jungen Männer eine Rolle einnehmen, die sie in der Realität nicht haben.

 

Warum greifen Migranten lieber zum Automaten und nicht zu Drogen?

Um Geld, Ruhm und ein „erfülltes Leben“ besitzen zu können,

- See more at: http://www.dasbiber.at/content/die-spielsucht-interessiert-den-staat-nic...

unge Migranten haben in unserer heutigen Gesellschaft wenig Chancen, - See more at: http://www.dasbiber.at/content/die-spielsucht-interessiert-den-staat-nic...
 

Klingt nach pauschalurteilen... enttäuschend, wenn es von einem Psychotherapeuten kommt.
Kenne Migranten, die einen hohen Status haben und viele Österreicher, die den nicht haben....am Karslplatz sieht genug Österreicher, aber wenige mit tükischen, serbischen Wurzeln, oder?
aber jede Gruppe hat ihre Lieblings "opfer".

Der Therapeut sagt selber es geht ihnen um Ruhm, Geld.... Das zeigt, dass es auch um Kuturelle Unterschiede geht. Geld, Materielles ist nicht überall gleich wichtig für das Rollenbild.
aber das ist eben tabu, alle sind ja gleich, für den es-gibt-keine kulturellen-unterschiede -west-menschen.

wieso sind es dann mehr Männer als Frauen?

- See more at: http://www.dasbiber.at/content/die-spielsucht-interessiert-den-staat-nic...

 

Das könnte dich auch interessieren

Collage: Zoe Opratko
   Keine Bevölkerungsgruppe wird in...

Anmelden & Mitreden

1 + 7 =
Bitte löse die Rechnung