Biber Babyboom: Auch Väter haben Gefühle

24. Oktober 2018

von Amar Rajković

WANN KOMMST DU? Eine Nachricht wie hunderte scharfe Klingen unter der Haut. Sie kommt regelmäßig von meiner Frau, bevorzugt zwischen 16 und 17 Uhr, werktags. Auf den ersten Blick würde man meinen, ich bin mit einer Eifersuchtsfurie liiert, doch beim genaueren Hinkrabbeln erkennt man den feinen Unterschied. Wir sind seit sechs Monaten stolze Eltern eines prächtig gedeihenden Wonneproppens (Ich sag nur „97 Perzentile“ – das ist der Wert, der den Wachstum des Babys bestimmt von 0-100).

Dieser kleine Ciabatta hat nicht nur unseren gemeinsamen Alltag vollkommen auf den Kopf gestellt, er hat eines an die Oberfläche hervorgeholt – die Gemeinheit meiner großen Liebe. Um mich nach dem Erscheinen dieses Artikels überhaupt nach Hause zu trauen, eines vorweg: Die hier angestimmten Klagelieder in Richtung Partnerin beruhen keineswegs auf nur von mir erlebten Alltagssituationen. Weil Daddysein in meinem Freundeskreis ziemlich trendy ist, konnte ich mich mit vier anderen Jungvätern austauschen. Das Ergebnis: Denen geht es genauso. Aber wie denn eigentlich?

 

Babyboom

 

Die Pre-Baby-Phase

Meine Frau ist wahrlich der Glücksgriff meines Lebens. Unsere lange kinderlose Beziehung war genau das, was ich immer gesucht habe. Eine humorvolle, intelligente, attraktive Partnerin mit riesengroßem Herzen. Dazu teilt sie meine Leidenschaften Reisen und Essen und macht mir keine Szene, wenn ich abends Fußball oder auch NBA-Basketball (Übrigens, bald ist Saisonbeginn. Freust du dich, Schatz?) in der Glotze schaue. Und, sie lacht über meine blöden Witze. Da wir beide Waagen und damit keine Streitprofis sind, lief unsere Beziehung bis zur Geburt des Sohnes wie am Schnürchen. Harmonie wohin das Auge reicht, hedonistisches In-den-Tag-Leben, Reisen in ferne Länder oder „probieren wir doch den neuen Peruaner aus?“, das waren die Ingredienzen für unseren perfekten Liebesmix.

Full-Metal-Mama

Damit ist seit der Geburt des „Destroyers“ (O-Ton meine Frau) Schluss. Die schönste und aufregendste Lebensperiode wird von dunklen Wolken am Horizont getrübt. Aus ihnen ergießt sich ein saurer, bissiger Regen, der mir in Form von verbalen Watschen Ernüchterung beschert. Bumm, die Tür knallt zu. Warum? Weiß ich noch nicht genau, ich habe ja bis vor fünf Sekunden geschlafen. Oder die Befehle meiner Frau mitten in der Nacht, der „Drill-Sergeant“ von „Full Metal Jacket“ hätte seine wahre Freude daran. „Kannst du kommen? Der Kleine hat gekotzt. Ich muss den Teppich reinigen. Kannst du auf ihn aufpassen?“, erhallt es aus dem Babyphone, dessen anderes Ende im Kinderzimmer postiert ist. Ich komme mir wie beim Bundesheer vor, nur, dass die Zeit nicht nach sechs Monaten zu Ende ist.

Sie kann auch gemein sein

Es ist wahrlich eine neue Seite, die ich an meiner Frau entdecke. Und, ich weiß schon: Mütter leisten viel mehr als Väter. Hut ab vor jeder Mama, die angekotzt und unausgeschlafen durch den Alltag wandelt und ihre ganze Zeit nur einem Lebewesen widmet und dabei ihre Interessen gänzlich hinten anstellt. 110% jeden Tag, boah, das muss anstrengend sein.

Was ich aber nicht in Ordnung finde: Mich als Mann rechtfertigen zu müssen, dass ich nicht als Frau auf die Welt gekommen bin. Diese Unterstellung schwingt immer mit, wenn mir meine Liebste erzählt, wie mühsam der Tag mit dem zahnenden, kackenden und quengelnden Ungeheuer war. Als könnte ich was dafür. Als hätte ich den Kleinen mit einem Kauring bestochen, damit die Mami alle Hände voll zu tun hat und Daddy sein Wellness-Programm in der Arbeit abzieht. Weil im Büro ist es ja super gemütlich und ich bin dort auch keinen Stresssituationen ausgesetzt. „Das bisschen Journalismus, jo mei.“, denkt sich wahrscheinlich meine Frau, während ihr gerade ein Asozialer nicht mit dem Kinderwagen in die alte Straßenbahngarnitur geholfen hat oder wenn junge, gesunde Menschen den Lift benutzen und die Mütter schön warten lassen. Das alles ist übrigens Alltag für tapfere Mütter rund um den Globus.

Aber warum am eigenen Partner immer auslassen? Unsere biologischen Rollen sind vor allem im ersten Lebensjahr sehr klar definiert. Sie bekommt das Kind und ich gehe arbeiten, damit das Kind genug zum Essen hat. So weit, so basic. Im Gegensatz zu älteren Generationen, bemühe ich mich, jede einzelne Sekunde mit meinem Sohn zu verbringen. Jede einzelne Sekunde meiner Frau im Haushalt zu helfen. Jede einzelne Sekunde, um diesen Mini-Menschen kennenzulernen und seine Babyhaut zu streicheln. Und trotzdem habe ich das Gefühl, es ist noch lange nicht genug. Ich wische den Tisch nach jedem Essen ab, ich räume das Geschirr in die Maschine, ich nehme sogar meine Hausschuhe und platziere sie beim Verlassen der Wohnung in die dafür vorgesehenen Laden. Ich nehme den Kleinen immer wieder mit in den Park, damit die Mama paar Stunden für sich hat. Ich wickle ihn vom ersten Tag an, ja, ich schaffe es sogar manchmal, unseren Sohn in den Schlaf zu wiegen. Dazu verzichte ich auf 90% meiner ursprünglichen Sozialkontakte und opfere den Samstag für Kinderpartys, anstatt für Faulenzen auf der Couch oder Weintrinken am Naschmarkt.

Windel voll – schlafen lassen?

„Solange der Kleine schläft ist alles gut.“, quittiert meine Frau die Vorwürfe, die ich gegen sie erhebe. Sie solle doch etwas bei der Wortwahl aufpassen und doch bitte ab und zu ein „Danke“ sagen, oder auch „du bist ein toller Vater.“, entgegne ich ihr. Ich weiß, die meisten lesenden Mütter werden mich und diesen Text belächeln und müde abwinken. Doch genau darum geht’s! Verständnis, Empathie für das Gegenüber entwickeln. Wenn du dich im letzten Jahr grundlegend verändert hast, dich viel mehr ins Zeug haust und alles Erdenkliche versuchst, um deinen Sohn „richtig“ zu erziehen, hört man halt auch mal gerne ein Lob, anerkennende Worte. Wenn ich hundert Sachen richtig mache, dann wäre es halt nett auch mal über kleine Fehler hinwegzusehen. (Wobei das ist Auslegungsache: Muss man das Baby mit vollgekackter Windel mitten in der Nacht aufwecken oder erst morgens wechseln?)

Meine Frau sagt mir zwar oft, ich soll mir nicht ins Hemd machen und ihre harschen Worte nicht auf die Waagschale legen. Aber, wenn mich jemand ohne Grund anschreit, find ich das halt nicht so toll. Tut ihr das, liebe Mütter? Also, ein „Danke“, ein „gut gemacht“ hören auch Papis gerne. Dann könnt ihr uns gerne weiterhin als Boxsack verwenden, dafür sind wir doch da. Und jetzt hoffe ich, dass meine Frau nicht das Schloss ausgewechselt hat.

 

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