"Sind Sie vom IS?"

28. Oktober 2014

Genau diese Frage wurde mir vor einigen Tagen von einer mir fremden Frau in der U-Bahn gestellt.
Das, was sich wie ein schlechter Scherz anhörte, war eine erstgemeinte Frage. Die zierliche Blondine hielt mich für eine potentielle Terroristin.

Mir steckte noch etwas vom Weckerl im Mund, ich schluckte den letzten Bissen noch runter, sah sie spöttisch an und fragte:“ Sehe ich etwa so aus?“
„Sie tragen ein Kopftuch. Sie könnten also auch so eine sein. Sie glauben auch an das, was die tun.“ Ich konnte ihr das was sie sagte nicht übel nehmen, sie sah einfach viel zu verängstigt aus. Ich versuchte es mit Logik :„Aber die Mädels, die mitgegangen sind, hatten kein Kopftuch. Sagen Sie mir bitte nicht, dass ICH aussehe, wie eine Terroristin.“ Endlich schenkte mir die zierliche Blondine ein Lächeln:“Nein, ich finde Sie sogar sehr hübsch. Aber ich muss ehrlich zu Ihnen sein. Ich habe Angst. Große Angst. Wir sind am Verschwinden. Ich sehe nur noch Kopftücher, ich verstehe nicht woher sie alle plötzlich kommen, aber sie sind da. Ich höre Dinge, auf Sprachen, die ich nciht verstehe und ich sehe das verschwinden, was ich als Kind kannte - Österreich. Nämlich MEIN Österreich.“

„Ich muss Ihnen auch etwas gestehen, ich habe auch Angst.“ Dass ich Angst haben könnte, war ihr schleierhaft „Warum haben gerade SIE Angst?! Sie sehen doch aus wie diese Leute, die denken, Sie sind eine von denen. Damit Sind sie im Leo.“ Ich musste laut auflachen „So einfach ist das leider nicht. Ich bin seit 8 Jahren Kopftuchträgerin, davor trug ich die Haare offen und hatte eine Vorliebe für kurze Kleidung. Trotzdem war ich für Österreicher „das Mulattenkind“, oder das "kleine Negerlein". Und seit 8 Jahren bin ich potentielle Terroristin, eine Gefahr und für viele eine tickende Zeitbombe. Wenn ich in der Öffentlichkeit perfektes Deutsch rede, dann werde ich angesehen wie ein Spielzeug in einer Vitrine und wenn ich auf Arabisch rede, dann werde ich angesehen wie der letzte Dreck. Ungewissheit und Intoleranz sind die unheilbaren Krankheiten dieses Landes und das beweist sich mir jeden Tag. Auch Ihre Frage, die ja eigentlich unschuldig gemeint war, beweist, dass Menschen in diesem Land den Inhalt der Medien lernen, aber nicht bedenken. Sie haben Angst sich mit anderen Kulturen zu vermischen und dennoch lieben Sie Shisha (das wusste ich, weil sie eine elektrische Shisha in der Hand hielt), Sie essen vielleicht einmal beim Inder, oder beim Türken. Viele halten sich für weltoffen, was andere Kulturen betrifft, aber damit zu leben, dazu sind sich viele zu gut. Als Gastarbeiter haben unsere Eltern gereicht, aber wenn wir es wagen große Träume zu haben und es schaffen diese auszuleben, dann werden wir zur Bedrohung, nicht wahr?! Also muss ein Sündenbock her! Wir, die Ausländer, die Muslime, das Gsindl! Die IS- Leute töten im Ausland vor allem Muslime und damit bin ich in keinem Leo, sondern eine Zielscheibe. Keiner ist im Leo. Seit über 100 Jahren leben Muslime nun in Österreich, was wissen Österreicher über uns?! Es ist traurig. Es ist beschämend.“

 

"Wollen Sie damit sagen, dass alles was in den Medien über den IS gesagt wird, nicht stimmt?"
"NEIN! Ich will damit sagen, dass ICH nichts damit zu tun habe! Und die Muslime, die noch hier sind, haben auch nichts damit zu tun! Wir sind genauso betroffen und schockiert wie der Rest der Welt."Die zierliche Blondine nickte zustimmend und hörte aufmerksam zu. „Sind sind also nicht dazu gezwungen worden das zu tragen?“ „Haben Sie etwa diesen Eindruck von mir?“ Sie grinste“Ich ziehe die Frage zurück. Sie machen wirklich keinen schwachen Eindruck auf mich."

Was mich faszinierte war, dass fast die ganze U-Bahn mitgehört hat und ich vielen fragenden Gesichtern eine Antwort bieten konnte.  Bevor sie ausstieg verabschiedete sie sich:“ Ich danke Ihnen für das Gespräch und sagen Sie bitte weiter, dass nicht alle Österreicher intolerant sind. Wir wissen nur Vieles einfach nicht.“ „Gerne, sagen Sie es auch weiter, dann kommt es vielleicht schneller an...“

 

 

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