Türkei gegen Kroatien: "Die Schlacht von Wien"

19. Juni 2008

Sobald sich der Minutenzeiger bewegt rückt es immer näher. Für den Einen ist es der Viertefinalschlager schlechthin, für den Anderen das "Spiel des Jahres". Manche interpretieren es sogar religiös - Abendland gegen Morgenland - manche bezeichnen das Match als "die Schlacht von Wien".
    
Kroatien - Türkei: Der Viertelfinalhit des Jahres 2008! Der Sieger dieses Spiels hat mit dem Halbfinaleinzug das erreicht, was viele "Experten" der jeweiligen Mannschaft nicht zugetraut hätten. Und eines muss man sagen: Türkei oder Kroatien im Halbfinale - damit hat wirklich niemand gerechnet. Wenn man bedenkt, dass der Sieger aus der heutigen Begegnung Portugal - Deutschland im Halbfinale wartet ist alles möglich. Warum sollten Mannschaften die gegen die eben genannten Deutschen, die Polen, die Österreicher oder gegen die Schweiz und Tschechien siegreich bleiben nicht auch gegen Portugal oder (noch ein Mal) gegen die Deutschen gewinnen? Alles ist möglich. Doch leicht wird's nicht..

Den Fokus sollte man zunächst auf "die Schlacht von Wien" richten. Wer hat eigentlich die besseren Karten? Schwer zu sagen. Die Kroaten sind sicherlich um einen Hauch mehr zu favorisieren und ihr Spiel steht grundsätzlich fest. Man wird versuchen viel über die Außen zu gehen und mit Danijel Pranjic und Vedran Corluka ist man an dieser Position sehr gut besetzt. Die beiden haben schon in der Gruppenphase bewiesen was sie drauf haben. Man denke hier nur an den Assist, den Pranjic geleistet hat, als Darijo Srna zum 1:0 gegen Deutschland eingeschossen hat..
    Über das kroatische Mittelfeld braucht man nicht viele Worte verlieren; vier Mann sind hier bei Teamchef Slaven Bilic gesetzt. Diese setzen sich aus Niko Kovac, Niko Kranjcar, Luka Modric und Darijo Srna zusammen. Da kann man sich auch den Luxus vorbehalten einen Ivan Rakitic, der vergangene Saison der überragende Mann bei Schalke 04 war, auf der Bank zu lassen.
    Um die Aufstellung noch zu ergänzen: In der Innenverteidigung sind Robert Kovac und Josip Simunic gesetzt. Die beiden Routiners, die zusammen eine unglaubliche Menge an Erfahrung haben (beide sind jahrelang in der deutschen Bundesliga aktiv, Kovac verbrachte auch eine Zeit lang bei Juventus Turin) sollen dafür sorgen, dass hinten nichts anbrennt.
    Vorne dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit Ivica Olic gesetzt sein, es geht viel mehr darum wer Olics Sturmpartner sein wird. Bilic hat hier weitere vier Stürmer zur Verfügung: Mladen Petric, Ivan Klasnic, Igor Budan und Nikola Kalinic. Die beiden letztgenannten kann man wohl streichen, Budan ist nicht ganz fit und ein Einsatz Kalinics von Beginn an wäre eine Riesen - Überraschung. Daher wird es einer aus dem Duo Petric - Klasnic. Sollte sich Slaven Bilic für Mladen Petric entscheiden, kann man davon ausgehen, dass Ivica Olic die einzige "echte" Spitze sein wird, da Petric von seiner Spielanlage her eher aus der zweiten Reihe kommt, sprich als hängende Spitze fungiert. Ivan Klasnic wiederum hat erst im letzten Gruppenspiel gegen Polen seine richtige Chance bekommen und hat seinen Einsatz auf die Beste Art und Weise gerechtfertigt. Er hat den Führungstreffer gegen "Polska" geschossen und somit Ansprüche auf einen Einsatz von Beginn an gestellt. Im Gegensatz dazu hat Mladen Petric noch kein EM - Tor auf seinem Konto..
    Dennoch, so denke ich, wird der kroatische Teamchef auf Malden Petric setzen, da sich Petric aufgrund seiner hervorragenden Technik zu einer gefährlichen Waffe gegen die Türken entwickeln kann..

Kommen wir zu den Türken. Die Türken haben jetzt schon etwas erreicht, womit man nicht einmal im eigenen Land selbst gerechnet hat. Klar ist die Erwartungshaltung und der damit verbundene Druck in der Türkei groß, allerdings sind auch die Türken Realisten. Nach einer eher durchwachsenen Qualifikation hat man nicht unbedingt davon ausgehen können, dass die Türken ihre Gruppe mit Mannschaften wie Portugal, Schweiz und Tschechien meistern. Doch sie haben alle eines besseren belehrt. Nach der Auftaktniederlage gegen Portugal (0:2) schienen sich alle Befürchtungen zu behaupten, dass die Türkei bei dieser EM sang- und klanglos untergeht. Doch dann folgte das Unfassbare.
     Türkei gegen die Schweiz: Die Schweizer führen bei strömendem Regen im Baseler St. Jakob Park mit 1:0. In Hälfte eins dominiert der Gastgeber ganz klar und die Türkei hat der "Nati" kaum etwas entgegen zu setzen. Doch mit Beginn der zweiten Hälfte findet die Türkei immer besser ins Spiel. Der eingewechselte Semih Sentürk köpfelt in der 56. Minute zum völlig verdienten Ausgleich ein. Von da an hat man das Gefühl, dass die Türken den Sieg mehr wollen als die Schweiz. Chance um Chance wird erspielt und die Erlösung kommt in der Nachspielzeit: Der junge Arda, lässt auf der linken Seite zwei Schweizer alt aussehen, nimmt sich ein Herz und zieht ab. Der Schuss wird leicht abgefälscht, findet aber seinen Weg ins Tor. Keine Chance für den Schweizer Keeper Benaglio. 2:1 für Türkiye! Die Schweiz ist raus aus dem Turnier!
      Das alles so entscheidende Spiel folgt vier Tage später im Stade de Genève. Vor den Augen von 30.000 Zuschauern führen die Tschechen 15 Minuten vor Schluss mit 2:0. An und für sich eine klare Sache. Jeder rechnet bereits mit dem Viertelfinale Kroatien - Tschechien. Doch dann passiert das, was selbst die größten Optimisten für unglaublich halten.
     Innerhalb von 15 Minuten startet die Türkei eine grandiose Aufholjagd in der Nihat zum neuen türkischen Helden wird. Spätestens seit diesem Spiel ist Hakan Sükür längst Geschichte.
     Als Arda in der 75. Minute der Anschlusstreffer gelingt, schafft Nihat nach einem Riesenpatzer von Petr Cech den Ausgleich zu schießen. Wohlgemerkt fand das Ganze in Minute 87 statt. Und nun folgende Szene: 89. Minute: Die Türkei befindet sich neuerlich im Angriff, Nihat wird mit einem Zuckerpass bedient und......Aus 25 Meter versenkt er den Ball gefühlvoll unter die Kreuzlatte! 3:2 - Tschechien raus, Türkei weiter! Tschechische Reaktionen zum Ausscheiden brauche ich hier wohl nicht anführen, die kann man sich selbst denken....

Somit steht eines fest: Am Freitag Abend treffen spielstarke Kroaten auf unberechenbare Türken. Man darf gespannt sein, wer das bessere Ende haben wird und mehr Grund zum Feiern hat. Womit man in Wien, abgesehen von einem vollen Stadion (wie auch bei den anderen 30 Spielen der EURO), noch rechnen kann ist eine bis zum Bersten volle Fanmeile und eine überfüllte Ottakringer Straße (sowohl vor, während als auch nach dem Match). An dieser Stelle möchte ich auch noch erwähnen, dass viele österreichische Medien dieses Spiel aufgrund einer "hitzigen" Atmosphäre als "Risikospiel" einstufen. Doch wenn man die Feiern der Türken und der Kroaten nach den jeweiligen Spielen verfolgt hat, so ging es immer friedlich zu (in Wien) und ohne den kleinsten Vorfall. Und ich denke, dass das am Freitag nicht anders sein wird.

Die einzigen Infos, die derzeit vor der Partie bekannt sind, sind, dass im kroatischen Lager Igor Budan und Dario Knezevic zu 99 Prozent verletzungsbedingt ausfallen. Zudem sind Ivan Rakitic und Darijo Srna leicht angeschlagen, aber laut Slaven Bilic werden beide bis Freitag Abend beschwerdefrei sein.
   Die Türkei hingegen hat mit wesentlich mehr Ausfällen zu kämpfen: Torwart Volkan ist nach seiner Rot-Aktion gegen Tschechien für zwei Spiele gesperrt und wäre erst im Finale wieder spielberechtigt. Daher wird jener Torwart auflaufen, der 2002 als "Krieger" (aufgrund der berühmten schwarzen Streifen im Gesicht) in die Geschichtsbücher einging: Rüstü Recber.
    Nachdem Verteidiger Emre Güngör fix ausfällt, werden sich aller Voraussicht nach Tümer Metin und Emre Belözoglu zu ihm gesellen. Die Bank der türkischen Verteidigung Servet Cetin ist zudem ebenso angeschlagen, ob die türkischen Ärzte ihn bis Freitag fit bekommen bleibt ungewiss. Servet hat schon in der Gruppenphase mit Schmerzen gespielt, mal sehen ob das gegen Kroatien auch möglich ist.
    Ein weiterer, der sich das Spiel von der Tribüne aus anschauen wird, ist Mehmet Aurelio (zwei gelbe Karten). Angeschlagen sind auch Nihat, Ayhan, Hakan Balta und Semih Sentürk. Die Türken hoffen darauf, dass dieses Quartett nicht auch noch ausfällt, denn wenn ja, wäre das fatal.

Dennoch dürfen wir gespannt sein, morgen um 22:45 (eventuell auch später, sollte es eine Verlängerung und ein Elfmeterschießen geben) wissen wir mehr!

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